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Totale Durcheinander in der Downing Street 10

Vor dem 1. Mai hat die britische Regierung zurzeit ihre eigenen Chaostage. Kurz vor den Kommunalwahlen sind die Umfragewerte für die konservative Führung unter Premierminister David Cameron weit hinter denen der Labour-Partei, und die aktuelle Pannenserie scheint nicht abzureißen.

Von Jochen Spengler | 30.04.2012
    Premier David Cameron und sein Schatzkanzler George Osborne, trauen ihren Ohren nicht. Der unverfrorene Angriff kommt aus den eigenen Reihen. Sie, die beiden mächtigsten Männer Großbritanniens, seien leider nicht nur zwei vornehme Jungs, die den Preis für Milch nicht wüssten …

    "… sie sind auch zwei arrogante, vornehme Jungs, die keinerlei Reue oder Leidenschaft zeigen, um das Leben anderer zu verstehen. Und das ist ihr wirkliches Verbrechen","

    schimpft die Tory-Abgeordnete Nadine Dorries vor einer Woche. Unbeholfen verteidigt sich der Premier. Er gehe oft genug einkaufen, antwortet er im Interview, um zu wissen, dass ein Pint Milch 50 Pence koste.

    Das Ansehen der konservativ geführten Regierung ihrer Majestät befindet sich in steilem Sinkflug, seit Osborne, der 40-jährige Schatzkanzler, vor fünf Wochen seinen Haushalt vorlegte und damit ankündigt, die Steuer für die Wohlhabenden von 50 auf 45 Prozent zu senken. Rentner oder Familien mit Kindern aber verlieren Steuervorteile, Wohltätigkeitsorganisationen büßen Spenden ein.

    ""Unfair, abgehoben – ein Budget für die Minderheit, nicht für die Mehrheit von den ewig selben, alten Konservativen","

    punktet Oppositionsführer Ed Miliband. Auch das Medienecho ist verheerend, und seither geht schief, was nur schief gehen kann. So wird aufgedeckt, dass Superreiche gegen Partei-Spenden mit dem Premierminister essen dürfen, dann sorgt ein Kabinettsmitglied mit unbedachten Äußerungen für Panikkäufe an den Tankstellen. Die Inflation nimmt wieder zu, die großspurig verheißene Neuordnung des Straßburger Menschenrechtsgerichtshofs versandet, die Ausweisung des Hasspredigers Abu Qatada endet im Fiasko und die geplante Oberhaus-Reform droht zu scheitern.

    Jon Humphrys, Starmoderator des BBC-Radios, reibt dem Premierminister das totale Durcheinander - die Omnishambles – unter die Nase und will wissen, ob er besorgt sei. Es seien schwierige Monate, antwortet David Cameron, nicht wissend, dass weiteres Ungemach wartet. James Murdoch enthüllt in der Phonehacking-Untersuchung die Verquickung zwischen dem Medien-Imperium und den Konservativen. Kultusminister Jeremy Hunt, der Murdoch die am Ende gescheiterte Übernahme des Fernsehsender Sky genehmigte, verweigert den Rücktritt; stattdessen muss sein Berater gehen, was Dennis Skinner, das Parlaments-Urgestein der Labour-Party, süffisant kommentiert:

    ""Beweist das nicht die Theorie, dass vornehme Jungs ihre Diener rausschmeißen, wenn sie in Problemen stecken?"

    Einen Tag nach dem Auftritt seines Sohnes macht dann Medienmogul Rupert Murdoch dem Premierminister ein vergiftetes Kompliment. Ob er Cameron bei seiner Begegnung als politisches Leichtgewicht eingeschätzt habe, will der Untersuchungsanwalt wissen. Nein, damals nicht, antwortet Murdoch, aber es ist noch zu früh, das zu beurteilen.

    Da ist die andere Nachricht des Tages dann nur noch das Tüpfelchen auf dem I: Camerons rigide Sparpolitik beschert Großbritannien eine erneute Rezession. Heute - drei Tage vor den britischen Kommunalwahlen liegt Labour in Umfragen mehr als 11 Prozentpunkte vor den Konservativen, und noch nicht einmal die lange Zeit klare Wiederwahl des Londoner Tory-Bürgermeisters Boris Johnson ist derzeit gewiss.