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Tour de France
Alle gegen den Kleinsten

Alberto Contador, Chris Froome, Vincenzo Nibali und Nairo Quintana haben die größten Aussichten, die diesjährige Tour de France zu gewinnen. So eine große Favoritendichte gab es lange nicht mehr. Quintana, der Kleinste, der Jüngste und der Unerfahrenste, ragt von allen heraus.

Von Tom Mustroph | 04.07.2015
    Nairo Quintana fährt bei der Tour de France für das Team Movistar.
    Nairo Quintana fährt bei der Tour de France für das Team Movistar. (picture alliance / dpa / Francis Nicolas.)
    Vier große Favoriten hat diese Tour de France: Den Titelverteidiger Vincenzo Nibali, seinen Vorgänger auf dem Tourthron aus dem Jahre 2013, Chris Froome. Dazu kommt Alberto Contador, der nach seinem Sieg beim Giro d'Italia nun auf das historische Double zusteuert. Herausforderer dieser Hochdekorierten ist Nairo Quintana, seines Zeichens Girosieger 2014 und Tour-Zweiter im Jahr davor.
    Obwohl Quintana über die geringsten Meriten und auch die wenigste Rundfahrterfahrung des Quartetts verfügt, sehen ihn die Kontrahenten aber im Vorteil. Der Parcours sei für Quintana ideal, knurrte Contador in Utrecht.
    Nibali stimmt ihm zu: "Man darf hier niemanden unterschätzen. Alle großen Rivalen sind bei dieser Tour de France. Für mich setze ich Quintana noch auf eine kleine Stufe über uns andere. Gleich danach kommen Froome und Contador."
    Der stärkste Kletterer
    Selbst beim eigenen Team Movistar wird die herausgehobene Position des kleinen Kletterers anerkannt. "Ich glaube, diese Tour ist sehr für ihn geeignet. Vom Profil her ist sie für Kletterer wie gemacht. Und er ist der stärkste Kletterer. Aber klar, die Rivalen sind auch sehr stark. Das wird kompliziert. Aber wir sind hier, um die Tour mit ihm zu gewinnen."
    Bei all diesen Einschätzungen fällt auch der so Gelobte nicht aus dem Rahmen. "Ich habe es immer gesagt: Dieser Kurs gefällt mir. Es gibt sehr schwere Etappen. Ich habe mich darauf vorbereitet, sie so gut wie möglich zu absolvieren. Es gab in der Vorbereitung keine Komplikationen. Und ich glaube, dass das eine richtig gute Tour für mich wird."
    Kontrollfreie Zone Kolumbien?
    Weil Quintana aus Favoritensicht der Top-Favorit ist, bläst ihm gleich stärkerer Wind ins Gesicht. Kontrahent Nibali hatte sich öffentlich darüber mokiert, dass Quintana sich größere Teile der Saison in Kolumbien aufgehalten habe und daher auch schwerer erreichbar für Dopingkontrolleure gewesen sei.
    Der Deutschlandfunk fragte bei Quintana nach, ob dessen Heimatland eine kontrollfreie Zone sei. "In Kolumbien habe ich dieses Jahr mehr als fünf Kontrollen gehabt. Und auch sonst bin ich viel kontrolliert worden. Man kann nicht mehr behaupten, dass es in Kolumbien keine Kontrollen mehr gibt."
    Nibali ruderte beim Tourstart in Utrecht auch etwas zurück. Auf die Frage, ob er glaube, dass Unterschiede im Kontrollregime für einzelne Fahrer gemacht würden, meinte er: "Kein Ahnung. Ich kann nicht sagen, ob wir alle gleich behandelt wurden. Ich kann nur für mich reden. Ich hatte meine Kontrollen. WADA und UCI machen eine gute Arbeit. Das ist alles, was ich sagen kann."
    Mitschwingen wird dieses Thema bei der Tour - und explodieren, wenn Quintana die anderen am Berg abhängt. Aus Angst vor den Kletterfähigkeiten des Kolumbianers planen die Rivalen schon einiges für die 4. Etappe. Die führt über das Kopfsteinpflaster von Paris - Roubaix. Bergflöhe wie Quintana werden da mächtig durchgerüttelt. Nibali, letztes Jahr Tagesdritter auf der Pavé-Etappe, plant da schon eine Attacke. Jedenfalls versprach er Angriffe außerhalb des Kletterhoheitsgebiets von Quintana.
    "Mehr als meinen Titel zu verteidigen werde ich versuchen anzugreifen, jedenfalls dann, wenn ich mich gut fühle. Man muss hier jeden Tag kämpfen für das gelbe Trikot, bis zum Ende auf den Champs Elysees."
    Froome bei den Buchmachern vorn
    Quintana selbst sieht die Rangliste seiner Gegner übrigens so: "Die größten Favoriten sind Vincenzo Nibali und Alberto Contador. Es ist auch klar, dass man Chris Froome nicht unterschätzen soll. Jeder hat seine charakteristische Art zu fahren. Aber für die Gesamtwertung sind diese beiden mein Tipp."
    Bis auf den Wettmarkt hat sich diese Einschätzung noch nicht herumgesprochen. Dort liegt ausgerechnet der von Quintana als weniger stark eingeschätzte Froome ganz vorn. Auch wegen des großen Gewichts der britischen Buchmacher an dieser Art Wetten, wer auf einem Gesamtsieg von Froome setzt, bekommt im Erfolgsfalle das Dreifache des Einsatzes heraus. Bei Quintana steht die Quote auf 3,5. Contador und Nibali liegen bei 5 und 6.
    Aber das sind nur Prognosen. Abgerechnet wird nach 21 Tagen und 3.360 km.