An überhöhten Preisen kann es also nicht liegen, wenn der Pro-Kopf-Verbrauch an frischem Obst rückläufig ist.
Zum traditionellen Mittag- und Abendessen gehört frisches Obst stets dazu und kandierte Zitrusfrüchte verzieren viele der berühmten sizilianischen Süßspeisen wie die Cassata. – Doch auch in die Küchen zwischen Palermo und Catania sind inzwischen Fastfood und Convenience eingezogen, die Zeit reicht oft nicht mehr für den Gang auf den Markt oder den Kauf bei einem der zahlreichen fliegenden Händler.
Während die Orangen ein- bis zweimal im Jahr geerntet werden, produziert ein Zitronenbaum zur gleichen Zeit Blüten und Früchte, die Zitronenernte läuft also kontinuierlich. Mandarinen werden auf Sizilien nur in kleiner Menge produziert, dafür sind die aromatischen Spätmandarinen von Ciaculli eine echte Spezialität.
Pietro Pagano, Verkaufsleiter der Kooperative "Natura" in Bagheria bei Palermo, erläutert, wie die frisch geernteten Früchte für den Verkauf vorbereitet werden:
Hier kommen die Früchte an, sie werden nach Größe sortiert, gewachsen, abgetrocknet und mit einer glänzenden Wachsschicht überzogen. Das sind hier die Spätmandarinen con Ciaculli. Anschließend werden sie in Kisten verpackt und an die Märkte geliefert. Diese hier gehen alle nach Norditalien.
In der großen Halle riecht es kräftig nach Mandarinen. Die Haupterntezeit für die Orangen und Mandarinen ist Dezember und Januar.
Die Kooperative "Natura" bearbeitet, verpackt und versendet in ihrer Anlage die Ernte von 280 Zitrusfrüchte-Produzenten. Längst nicht mehr alle von ihnen kommen aus der unmittelbaren Umgebung. Denn in Bagheria, einem der traditionsreichsten Anbaugebiete für Orangen und Zitronen, werden immer mehr Obstgärten aufgegeben oder in Olivenhaine umgewandelt, bedauert Pagano:
In letzter Zeit ist die Produktion in Bagheria stark zurückgegangen. Viele Leute haben ihre Zitrusgärten aufgegeben. Es lässt sich kaum Gewinn erwirtschaften. Wir schaffen es kaum auf den deutschen Markt. Auf den osteuropäischen Märkten sind wir dagegen präsent: Slowakei, Russland, Polen, vor allem mit unseren Mandarinen. Ein bisschen verkaufen wir auch in Deutschland und den Niederlanden.
Für die Kleinbauern sind die Zitrusfrüchte schon längst kein Geschäft mehr. Der 70jährige Angelo Cannizzaro, einer der Produzenten der Kooperative erinnert an die verheerende Dürre 2002 und den besonders heißen Sommer 2003, die den Bäumen geschadet hätten:
Deshalb bin ich von der diesjährigen Ernte ein bisschen enttäuscht.
Ich mache alles in Handarbeit, aber ich bin müde, weil ich mir keine Erntehelfer leisten kann. Der Ertrag der Zitronen würde noch nicht einmal ausreichen, sie zu bezahlen. Deshalb geben die Leute ihre Zitrusgärten auf.
Es gibt keinen festen Preis. Für gute Zitronen bekomme ich jetzt gerade 400 italienische Lire pro Kilo. Ja, ich rechne noch in Lire, wenn ich das in Eurocents sage, dann hört es sich ja noch kläglicher an!
Auf der Rückfahrt von Bagheria ins nahe Palermo erstreckt sich links und rechts der Zugschienen ein Labyrinth von Mauern und darinnen Orangen- und Zitronenbäume. Es ist der Rest der berühmten Conca d’Oro aus Parks und Zitrusfrüchtegärten, eine gewaltige Grünfläche, die einst kilometerbreit im Halbkreis um die Hafenstadt Palermo ausdehnte.
Chaotisches Stadtwachstum und Bauspekulation haben diesem Grüngürtel schwer zugesetzt. Dennoch, Achille Ribolla, der für den Bauernverband Coldiretti dieses Marktsegment bearbeitet, schaut von seinem Bürofenster in der Altstadt von Palermo auf einen kleinen verbliebenen Orangengarten, während er die aktuelle Lage schildert:
Der Zitrusfrüchteanbau auf Sizilien ist bedeutend, mehr als die Hälfte der in Italien produzierten Orangen und Zitronen kommen von hier. In ganz Sizilien findet man Zitrusbäume, die wichtigsten Anbauregionen befinden sich jedoch in den Provinzen Palermo, Catania, Syrakus und Messina. Die sizilianischen Zitrusfrüchte sind etwas ganz Besonders, weil wir hier eigene Sorten haben. Die Blutorangen aus der Provinz Catania zum Beispiel. Dann haben wir die Zitronen, vor allem in der Umgebung von Bagheria, Casteldaccia, Santa Flavia und in der Provinz Messina.
Während die Zitrusfrüchteproduktion in den 60er und 70er Jahren rückläufig war, erlebt sie seit Mitte der 90er Jahre wieder einen Aufschwung – allerdings eher bei den Großbetrieben in der Provinz Catania im Osten Siziliens. Hier entwickelt sich auch eine weiterverarbeitende Industrie, die Säfte und Limonaden herstellt. Am beliebtesten sind dafür die tiefroten Blutorangensorten wie Tarocco, Sanguinella oder Moro.
Auch wenn sich positive Tendenzen abzeichnen, Agraringenieur Ribolla vom Bauernverband Coldiretti blickt dennoch mit einen gewissen Neid auf die spanische Konkurrenz:
Wir sind weniger erfolgreich als die Spanier bei der Vermarktung. Sie exportieren beachtliche Mengen! Es ist mir passiert, dass ich im Ausland, in Deutschland, ja einmal sogar an der italienischen Grenze im Alto Adige spanische Orangen fand – aber keine sizilianischen!
Er begründet diese Marketingschlappe mit mangelnder Infrastruktur, zu hohen Preisen – vor allem aber mit der ganz besonderen sizilianischen Mentalität:
Zum Teil ist es sicherlich ein Transportproblem. Sizilien liegt leider immer ein bisschen abseits. Dann ist es vor allem ein unternehmerisches Problem. Wir sind die führende Region in Italien, was den Bio-Anbau anbetrifft und übrigens auch, was Bio-Zitrusfrüchte angeht. Aber unsere Mitglieder verstehen sich zum größten Teil ausschließlich als Produzenten, nicht als weiterverarbeitende Betriebe und nicht als Betriebe mit eigenständiger Vermarktung.
Wenn sich ein Orangen-Produzent ein Vermarktungskonzept überlegte, und sein Produkt direkt lokal, national und international verkaufen würde, würde das dem Markt guttun.
Es ist vor allem ein Mentalitätsproblem. Wer hier produziert, hält sein Produkt für höherwertiger als das aller anderen. Die Leute verstehen nicht, dass sie sich zusammenschließen müssen, um gemeinsam dem Markt einen positiven neuen Impuls zu geben.
Zum traditionellen Mittag- und Abendessen gehört frisches Obst stets dazu und kandierte Zitrusfrüchte verzieren viele der berühmten sizilianischen Süßspeisen wie die Cassata. – Doch auch in die Küchen zwischen Palermo und Catania sind inzwischen Fastfood und Convenience eingezogen, die Zeit reicht oft nicht mehr für den Gang auf den Markt oder den Kauf bei einem der zahlreichen fliegenden Händler.
Während die Orangen ein- bis zweimal im Jahr geerntet werden, produziert ein Zitronenbaum zur gleichen Zeit Blüten und Früchte, die Zitronenernte läuft also kontinuierlich. Mandarinen werden auf Sizilien nur in kleiner Menge produziert, dafür sind die aromatischen Spätmandarinen von Ciaculli eine echte Spezialität.
Pietro Pagano, Verkaufsleiter der Kooperative "Natura" in Bagheria bei Palermo, erläutert, wie die frisch geernteten Früchte für den Verkauf vorbereitet werden:
Hier kommen die Früchte an, sie werden nach Größe sortiert, gewachsen, abgetrocknet und mit einer glänzenden Wachsschicht überzogen. Das sind hier die Spätmandarinen con Ciaculli. Anschließend werden sie in Kisten verpackt und an die Märkte geliefert. Diese hier gehen alle nach Norditalien.
In der großen Halle riecht es kräftig nach Mandarinen. Die Haupterntezeit für die Orangen und Mandarinen ist Dezember und Januar.
Die Kooperative "Natura" bearbeitet, verpackt und versendet in ihrer Anlage die Ernte von 280 Zitrusfrüchte-Produzenten. Längst nicht mehr alle von ihnen kommen aus der unmittelbaren Umgebung. Denn in Bagheria, einem der traditionsreichsten Anbaugebiete für Orangen und Zitronen, werden immer mehr Obstgärten aufgegeben oder in Olivenhaine umgewandelt, bedauert Pagano:
In letzter Zeit ist die Produktion in Bagheria stark zurückgegangen. Viele Leute haben ihre Zitrusgärten aufgegeben. Es lässt sich kaum Gewinn erwirtschaften. Wir schaffen es kaum auf den deutschen Markt. Auf den osteuropäischen Märkten sind wir dagegen präsent: Slowakei, Russland, Polen, vor allem mit unseren Mandarinen. Ein bisschen verkaufen wir auch in Deutschland und den Niederlanden.
Für die Kleinbauern sind die Zitrusfrüchte schon längst kein Geschäft mehr. Der 70jährige Angelo Cannizzaro, einer der Produzenten der Kooperative erinnert an die verheerende Dürre 2002 und den besonders heißen Sommer 2003, die den Bäumen geschadet hätten:
Deshalb bin ich von der diesjährigen Ernte ein bisschen enttäuscht.
Ich mache alles in Handarbeit, aber ich bin müde, weil ich mir keine Erntehelfer leisten kann. Der Ertrag der Zitronen würde noch nicht einmal ausreichen, sie zu bezahlen. Deshalb geben die Leute ihre Zitrusgärten auf.
Es gibt keinen festen Preis. Für gute Zitronen bekomme ich jetzt gerade 400 italienische Lire pro Kilo. Ja, ich rechne noch in Lire, wenn ich das in Eurocents sage, dann hört es sich ja noch kläglicher an!
Auf der Rückfahrt von Bagheria ins nahe Palermo erstreckt sich links und rechts der Zugschienen ein Labyrinth von Mauern und darinnen Orangen- und Zitronenbäume. Es ist der Rest der berühmten Conca d’Oro aus Parks und Zitrusfrüchtegärten, eine gewaltige Grünfläche, die einst kilometerbreit im Halbkreis um die Hafenstadt Palermo ausdehnte.
Chaotisches Stadtwachstum und Bauspekulation haben diesem Grüngürtel schwer zugesetzt. Dennoch, Achille Ribolla, der für den Bauernverband Coldiretti dieses Marktsegment bearbeitet, schaut von seinem Bürofenster in der Altstadt von Palermo auf einen kleinen verbliebenen Orangengarten, während er die aktuelle Lage schildert:
Der Zitrusfrüchteanbau auf Sizilien ist bedeutend, mehr als die Hälfte der in Italien produzierten Orangen und Zitronen kommen von hier. In ganz Sizilien findet man Zitrusbäume, die wichtigsten Anbauregionen befinden sich jedoch in den Provinzen Palermo, Catania, Syrakus und Messina. Die sizilianischen Zitrusfrüchte sind etwas ganz Besonders, weil wir hier eigene Sorten haben. Die Blutorangen aus der Provinz Catania zum Beispiel. Dann haben wir die Zitronen, vor allem in der Umgebung von Bagheria, Casteldaccia, Santa Flavia und in der Provinz Messina.
Während die Zitrusfrüchteproduktion in den 60er und 70er Jahren rückläufig war, erlebt sie seit Mitte der 90er Jahre wieder einen Aufschwung – allerdings eher bei den Großbetrieben in der Provinz Catania im Osten Siziliens. Hier entwickelt sich auch eine weiterverarbeitende Industrie, die Säfte und Limonaden herstellt. Am beliebtesten sind dafür die tiefroten Blutorangensorten wie Tarocco, Sanguinella oder Moro.
Auch wenn sich positive Tendenzen abzeichnen, Agraringenieur Ribolla vom Bauernverband Coldiretti blickt dennoch mit einen gewissen Neid auf die spanische Konkurrenz:
Wir sind weniger erfolgreich als die Spanier bei der Vermarktung. Sie exportieren beachtliche Mengen! Es ist mir passiert, dass ich im Ausland, in Deutschland, ja einmal sogar an der italienischen Grenze im Alto Adige spanische Orangen fand – aber keine sizilianischen!
Er begründet diese Marketingschlappe mit mangelnder Infrastruktur, zu hohen Preisen – vor allem aber mit der ganz besonderen sizilianischen Mentalität:
Zum Teil ist es sicherlich ein Transportproblem. Sizilien liegt leider immer ein bisschen abseits. Dann ist es vor allem ein unternehmerisches Problem. Wir sind die führende Region in Italien, was den Bio-Anbau anbetrifft und übrigens auch, was Bio-Zitrusfrüchte angeht. Aber unsere Mitglieder verstehen sich zum größten Teil ausschließlich als Produzenten, nicht als weiterverarbeitende Betriebe und nicht als Betriebe mit eigenständiger Vermarktung.
Wenn sich ein Orangen-Produzent ein Vermarktungskonzept überlegte, und sein Produkt direkt lokal, national und international verkaufen würde, würde das dem Markt guttun.
Es ist vor allem ein Mentalitätsproblem. Wer hier produziert, hält sein Produkt für höherwertiger als das aller anderen. Die Leute verstehen nicht, dass sie sich zusammenschließen müssen, um gemeinsam dem Markt einen positiven neuen Impuls zu geben.