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Traktorstrahl im Miniformat

Zuweilen basteln Forscher an Errungenschaften, die aus Science-Fiction-Filmen zu stammen scheinen, Zum Beispiel am Traktorstrahl, einem gezieltem Kraftfeld, das Gegenstände wie von Geisterhand heransaugen kann - bevorzugt natürlich feindliche Raumschiffe. Mit besonderen Laserstrahlen könnte das im Prinzip sogar klappen.

Von Frank Grotelüschen | 06.06.2012
    Wie weit die Wissenschaft damit tatsächlich ist und was man mit so einem realen Traktorstrahl eines Tages anfangen könnte, hat Frank Grotelüschen recherchiert.

    "Captain, die Borg versuchen, uns mit einem Traktorstrahl zu erfassen!"

    Hektik auf der Enterprise. Das feindliche Riesenraumschiff hat seinen Traktorstrahl aktiviert, jetzt wird die Enterprise wie von Geisterhand angesaugt. Die Kraft ist übermächtig, wehrlos steht die Enterprise im Bann des unwiderstehlichen Kraftfelds.

    Szenen wie diese scheinen diverse Forscherteams rund um den Globus inspiriert zu haben. Sie wollen den Traktorstrahl Wirklichkeit werden lassen, und zwar mithilfe eines Lasers. Das klingt widersinnig, denn eigentlich kann ein Laser Dinge nur wegschießen - vorausgesetzt, diese Dinge sind klein und leicht wie Staubpartikel. Auf diese übt der Laserstrahl einen Druck aus, den Strahlungsdruck. Denn Licht besteht aus winzigen Lichtteilchen, den Photonen.

    "Diese Photonen treffen auf die Partikel und schieben sie in dieselbe Richtung, in die der Laserstrahl läuft. Dadurch schubsen die Photonen die Partikel vom Laser weg. Das jedenfalls ist die Auffassung, die bislang in der Wissenschaft vorherrscht. Doch wir haben nun festgestellt: Das stimmt in Wirklichkeit gar nicht!"

    Jack Ng ist Physiker an der Technischen Universität Hongkong. Er hat eine theoretische Studie vorgelegt, die nahelegt: Man sollte per Laser nicht nur schieben und drücken können, sondern auch ziehen und zerren - vorausgesetzt, es handelt sich um ganz besondere Laserstrahlen.

    "Normales Laserlicht ist gebündelt, der Strahl sieht aus wie ein Strich. Dennoch fächert sich der Strahl mit der Entfernung immer weiter auf. Mit wachsendem Abstand zur Laserquelle wird der Durchmesser des Strahls also immer größer. Es gibt aber spezielle Laserstrahlen, sogenannte Besselstrahlen, die nicht auffächern, sondern deren Durchmesser immer konstant bleibt."

    Diese Besselstrahlen lassen sich quasi maßschneidern, und zwar mit speziellen optischen Elementen, die man vor den Laser setzt. Das Besondere an diesen Besselstrahlen: Sie besitzen einen Kern aus besonders intensivem Licht. In diesen Kern lassen sich kleine Partikel einschließen, ähnlich wie mit einer optischen Pinzette. Diese wurde in den achtziger Jahren von Steven Chu erfunden, Physiknobelpreisträger und derzeit US-Energieminister. Mit der optischen Pinzette allerdings lassen sich Partikel, Viren und Zellen zwar festhalten, aber nicht ansaugen. Genau das soll nun mit den Besselstrahlen gelingen. Ihr Lichtfeld nämlich soll die elektrische Ladung eines eingefangenen Partikels so verändern, dass es anfängt, Photonen auszusenden - und zwar genau entgegen der Richtung des Laserstrahls. Dadurch käme eine Kraft zum Wirken - eine Rückstoßkraft ähnlich wie bei einer Rakete.

    "Und diese Kraft kann die Partikel dann bis zu Laserquelle zurückziehen. Das Teilchen stoppt also nicht irgendwo, sondern wird bis zum Laser zurückgezogen wie bei einem Traktorstrahl."

    An dieser Theorie könnte durchaus was dran sein kann. Das jedenfalls zeigen erste Experimente. Bestätigt sich das Ganze, käme allerdings nur ein Traktorstrahl im Miniformat heraus. Denn:

    "Wahrscheinlich funktioniert das nur bei Partikeln, die so groß sind wie die Wellenlänge des Laserlichts oder etwas größer, vielleicht zehnmal so groß."

    Ein halber Mikrometer, das ist eine typische Wellenlänge für Laserlicht. Damit dürften Partikel, die man per Laser in Schlepptau nehmen könnte, nicht viel größer sein als fünf Mikrometer - soviel wie ein Staubkorn oder ein Bakterium. Doch auch dafür haben die Forscher aus Hongkong schon einige Anwendungen im Sinn:

    "Vielleicht könnte man die Technik zum Sortieren benutzen. Denn im Prinzip wäre es möglich, per Traktorstrahl aus einem Gemisch nur jene Teilchen herauszufischen, die die passende Größe besitzen. Die größeren oder kleineren Partikel dagegen würden vom Laserstrahl nicht angezogen, sondern weggestoßen. Damit könnte man Teilchen verschiedener Größe voneinander trennen."

    Andere Forscher spielen mit dem Gedanken, mit dem Mini-Traktorstrahl gefährliche Mikroben oder giftige Partikel gezielt wegzusaugen, ohne dass sie ein Mensch in die Finger nehmen muss. Und die NASA liebäugelt mit der Idee, feinste Staubpartikel von Kometen und Asteroiden abzusaugen, um sie wissenschaftlich zu analysieren. Klar aber ist: Jener Traktorstrahl, der Raumschiffe an die Leine nimmt, bleibt auch künftig der Science-Fiction vorbehalten. Denn die Enterprise ist nun mal ein wenig größer als ein Staubkorn.

    "Captain, die Borg versuchen, uns mit einem Traktorstrahl zu erfassen!"