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Traumziel NHL?

Sportprofi zu sein, klingt wie ein großer Traum. Sportprofi in Nordamerika zu sein, hört sich hingegen fast wie ein Märchen an. Nur wenige Deutsche haben sich in ihrer Karriere dort durchgesetzt – allen voran natürlich Basketball-Star Dirk Nowitzki. Doch was, wenn man nicht gleich zu den großen Superstars gehört?

Von Heiko Oldörp |
    Dennis Seidenberg spielt seit acht Jahren in der NHL. Der Verteidiger hat sich längst etabliert und bekommt mit rund 23 Minuten überdurchschnittlich viel Eiszeit. Eine richtige Heimat sucht der 28-Jährige jedoch immer noch vergebens. Die Boston Bruins sind sein fünfter NHL-Verein, allein im vergangenen halben Jahr ist Seidenberg zweimal umgezogen.

    "Das ist frustrierend, aber so läuft's halt in der NHL."

    Bis zum Sommer hatte Seidenberg bei den Carolina Hurricanes gespielt und mit dem Team sogar das Playoff-Halbfinale erreicht. Sein auslaufender Vertrag wurde nicht verlängert, denn aufgrund einer vorgeschriebenen Gehaltsobergrenze in der NHL konnte sich Carolina den deutschen Nationalspieler nicht mehr leisten. Seidenberg war auf der Suche nach einem neuen Verein und verzichtete deshalb sogar auf seine Hochzeitsreise. Mitte September unterschrieb er bei den Florida Panthers - vorerst für ein Jahr – dennoch wollte er mit Ehefrau Rebecca und der einjährigen Tochter im Großraum Miami langfristig sesshaft werden.

    "Also ich habe jetzt in Florida gehofft, dass ich dort für eine Weile spielen werde, gehofft, dass ich mal drei, vier Jahre unterschreibe und da ein Haus kaufen kann. Aber das hat dann letztendlich nicht geklappt. Es ist einfach schwer, langfristig zu planen."

    Sein Vertrag in Boston gilt bis zum Saisonende. Wann dies sein wird, ist offen. Schaffen es die Bruins ins Finale, würde Seidenberg bis Mitte Juni bleiben, verpassen sie hingegen die Playoffs, wäre er bereits in drei Wochen ablösefrei zu haben und erneut auf der Suche.

    Dennis Seidenberg ist kein Einzelfall auf dem nordamerikanischen Sportmarkt. Wie in der NHL gibt es auch in der Basketball-Liga NBA Profis, die fast jährlich einen anderen Arbeitgeber haben oder mitten in der Saison zur Wechselperiode – der sogenannten Trade-Deadline – getauscht werden. Angeführt wird die Liste von Chucky Brown, der in seiner NBA-Karriere 13 Arbeitgeber hatte. An zweiter Stelle folgt Damon Jones. Der Spielmacher brachte es in seinen elf Jahren auf zwölf Mannschaften. Die ersten beiden Jahre spielte er gar für sechs Teams. Uneingeschränkter Umzug-König im gesamten nordamerikanischen Profisport ist bis heute jedoch NHL-Spieler Dave McLlwain. Der Stürmer, der seine Karriere im Vorjahr bei den Kölner Haien beendete, trug in der Saison 1991/92 gleich vier verschiedene Trikots - das der Winnipeg Jets, New York Islanders, Buffalo Sabres und der Toronto Maple Leafs.

    Während die Superstars wie Dirk Nowitzki mit langfristigen Verträgen gebunden werden, steckt hinter dem Traumberuf des Sportprofis in den USA und Kanada für viele andere Athleten neben vier, fünf Spielen pro Woche und der Vielfliegerei auch ein Teil Ungewissheit. So hieß es für Seidenberg am Tag seines Wechsels von Florida nach Boston: morgens Miami, abends Massachusetts.

    "Ich bin in einem Meeting gewesen und danach hat der Trainer mich in sein Büro geholt und gemeint, dass ein Trade ziemlich sicher ist, aber man weiß noch nicht genau wohin. Eine halbe, dreiviertel Stunde später kam der Anruf vom Manager, dann habe ich erfahren, dass es Boston war. Und dann bin ich nach Hause gegangen, habe meine Sachen gepackt und bin ab zum Flugzeug."

    Eine Sicherheit bietet den Profis nur eine gewisse Klausel im Vertrag, die besagt, dass man nicht vor Ablauf des Kontraktes an ein anderes Team abgegeben werden darf. Doch diese sogenannte no-trade-clause bekommen nur wenige Spieler.

    "Sonst hat man kein Recht, muss hingehen, wo man hingeschickt wird. Oder man geht halt nach Europa und bricht seinen Vertrag. Aber in Europa verdient man halt nicht so viel Geld, wie man hier verdienen kann. Von daher macht man einfach, was man zugeordnet bekommt und versucht einfach, dort Spaß zu finden, wo man halt landet."

    Klagen wolle er trotzdem nicht, betont Seidenberg, schließlich verdiene er mit 2,25 Millionen Dollar pro Jahr viel Geld und habe Spaß am Job.

    Seine Frau wohnt vorerst weiterhin in Florida. Bis September läuft der Mietvertrag dort noch für das Appartement. Ein Haus werde er erst kaufen, wenn er irgendwo einen langfristigen Vertrag bekommt, betont Seidenberg. Eine Immobilie hat er bereits – 4500 Kilometer von Boston entfernt, in Phoenix. Dort hatte er auch mal gespielt – wenn auch nur für ein Jahr.