Die Auffahrt zur Wartburg bei Eisenach ist eng, die letzten 500 Meter kaum mit Autos zu befahren, schon gar nicht mit großen, schweren Präsidenten-Limousinen. Dennoch lotst Bundespräsident Joachim Gauck heute zehn weitere Staatspräsidenten die steile Auffahrt mit Kopfsteinpflaster herauf, um ihnen ein Herzstück der deutschen Reformation zu präsentieren: Den Ort, an dem Luther 1521 das Neue Testament ins Deutsche brachte.
Die Reformation und ihre Bedeutung für die Gegenwart soll auch Gaucks Thema sein, in Vorträgen renommierter Kirchenhistoriker und Diskussionen. Im Bundespräsidialamt geht man davon aus, dass die Flüchtlingsfrage zwar kein offizielles, aber dennoch bedeutendes informelles Gesprächsthema sein wird. Dies soll dadurch erleichtert werden, dass schon durch die Enge auf der Wartburg nur wenige persönliche Mitarbeiter der Staatspräsidenten präsent sein und die Gespräche dadurch in lockerer und intimer Atmosphäre stattfinden können. Man erhofft sich Denkanstöße und Initiativen.
Aufwand in schiefem Verhältnis zur politischen Bedeutung des Treffens
Der protokollarische Aufwand, zehn Staatsoberhäupter zu empfangen, steht in einem recht schiefen Verhältnis zur politischen Bedeutung des Treffens. Die nicht-exekutiven Staatsoberhäupter von Bulgarien, Deutschland, Estland, Finnland, Italien, Lettland, Malta, Polen, Portugal, Österreich und Slowenien sind zwar protokollarisch die Staatsoberhäupter, verfügen aber über keine Regierungsgewalt. Im Jahr 2003 haben sie sich erstmals getroffen, in der portugiesischen Kleinstadt Arraiolos; seitdem treffen sie sich regelmäßig unter der Bezeichnung Arraiolos-Gruppe. Der gastgebende Staatspräsident setzt jeweils die Themen. Bei Gastgeber Joachim Gauck wird es eben die Reformation, aber auch Bildung und Teilhabe sein.
Zwei geplante Begegnungen sind hervorzuheben: Bundespräsident Gauck wird bei der Begrüßung auf dem Erfurter Flughafen erstmals mit Bodo Ramelow in dessen Funktion als Ministerpräsident Thüringens zusammentreffen. Ramelow wird auch für das touristische Programm der Ehepartner als Fremdenführer agieren. Und der erst vor fünf Wochen ins Amt gewählte polnische Präsident Andrzej Duda wird die erste Gelegenheit haben, sich auf großer Bühne zu präsentieren.
Am Ende des zweitägigen Treffens, das morgen in Thüringens Landeshauptstadt Erfurt fortgeführt werden wird, steht kein gemeinsamer Beschluß, sondern eine Pressekonferenz, auf der sich alle elf Staatspräsidenten äußern wollen.