"Samuel Dashiell Hammett kam in Sommer 1921 nach San Francisco. Er blieb die ganzen wilden Zwanziger hier, in der Dekade des Jazz. Im Herbst 1929 ging er nach New York, später nach Hollywood und wieder zurück nach New York."
Don Herron schiebt der Schlapphut in den Nacken. Er trägt einen schwarzen Trenchcoat - das ist stilecht. Nur die speckigen Jeans und die ausgelatschten Turnschuhe, die unterm Mantel hervor lugen, und der graue Vollbart wollen nicht recht zum coolen Outfit passen.
Herron ist Taxifahrer, seine Leidenschaft aber gehört Dashiell Hammett, dem Schöpfer des modernen Kriminalromans. Dessen Hauptfigur ist der ausgekochte Privatdetektiv, perfekt verkörpert von Humphrey Bogart in der Filmversion des Romans "Der Malteser Falke". Herron hat Hammetts Leben bis in die Details erforscht und Essays und Büchern über ihn geschrieben. Im Sommerhalbjahr lädt er jeden Sonntag zu einer Tour durch San Francisco auf den Spuren des Schriftstellers.
"In den gut acht Jahren in San Francisco hat er alle seine wichtigen Werke geschrieben. Mit einer Ausnahme: Der "Dünne Mann" entstand 1933 in New York. Hammett war pleite und brauchte Geld. Mit dem stets spöttischen Ehemann und dem süßen kleinen Hund zielte er ganz klar aufs große Geld. Und er hat es bekommen: Die Abenteuer von Nick und Nora Charles wurden mehrfach verfilmt, insgesamt haben sie Hammett rund eine Million Dollar eingebracht."
In den 30er Jahren war das eine unvorstellbare Summe. Eine Mittelklassefamilie, rechnet Don Herron vor, kam damals auf ein jährliches Einkommen von 1.000 Dollar. Für Hammett war es der Höhepunkt seiner Karriere. Bis zu seinem Tod im Jahr 1961 hat er nur noch ein Drehbuch geschrieben, eine Fortsetzung des Dünnen Mannes. Er trat der Kommunistischen Partei bei und saß in den 50ern fünf Monate im Gefängnis, weil er sich geweigerte hatte, vor dem Ausschuss für unamerikanische Umtriebe auszusagen. Mit diesem Komitee machte der Senator Joseph McCarthy zu Beginn des Kalten Krieges Jagd auf angebliche Staatsfeinde.
Doch im Sommer 1921 ist das noch Zukunftsmusik. Die wilden Zwanziger haben gerade begonnen, ebenso die Prohibition. Der Verkauf und Vertrieb von Alkoholika in den USA ist verboten.
"Sie ging im Zimmer auf und ab und kam kurz darauf mit einer braungefüllten Literflasche und zwei Schwenkern auf einem Bronzetablett zurück. Den ersten Schwenker füllte sie bis knapp unter den Rand. Als sie den anderen fast halb voll hatte, gebot ich Einhalt.
"Das ist reichlich für mich", sagte ich.
Es war Brandy, und er ging glatt runter."
"San Francisco war empfänglicher für den illegalen Handel mit Alkohol als viele andere Städte. Natürlich gab es Versuche, dagegen vorzugehen, aber hier war es mehr wie in Chicago, wo Al Capone ein Held war, weil er dafür sorgte, dass das Bier weiter floss. Seit dem Goldrausch. San Francisco war schon immer relativ tolerant, musste man auch sein, weil so viele unterschiedliche Leute Schulter an Schulter lebten. Ich finde, das ist bis heute so, siehe die Schwulenszene, die nirgends so stark ist wie hier."
Die Tour führt von der Stadtbücherei durchs Verwaltungszentrum. Vorbei an Bürohochhäusern und kleinen Restaurants und Delis, einer Mischung aus Lebensmittelladen und Schnellimbiss. Männer in Anzügen und Frauen in Kostümen hasten telefonierend durch die Straßen. Es ist früher Nachmittag. Der neblig verhagene Himmel reißt auf, die Sonne scheint.
Ein paar Blöcke weiter sind die Häuser älter und nicht so hoch, die Fassaden brüchig. Tenderloin heißt dieses Viertel, das Filetstück.
"Da drüben, das Haus Eddy Street 620, dort hat Hammett fünf seiner acht Jahre in San Francisco gelebt. In einem möblierten Apartment für 45 Dollar im Monat. Wohnzimmer, Schlafzimmer mit Klappbett, Dampfheizung. Hammetts Frau hat später erzählt, dass die Vermieterin eine Alkoholschmugglerin war. Polizisten gingen ein und aus war, wahrscheinlich, um sich ihren Anteil an den Geschäften zu sichern, ein paar Flaschen Schnaps oder so. Hier hat Hammett angefangen zu schreiben."
Das Haus ist vierstöckig und gelb gestrichen, mit schmiedeeisernen Stahlbalkonen und Feuerleitern an der Vorderseite. Keine Blumen, nichts deutet darauf hin, dass die Balkone benutzt werden. Die Fenster im Erdgeschoss sind vergittert, auch in den oberen Geschossen sind die Jalousien zugezogen. Über dem Treppenhaus thront ein steinerner Löwenkopf. Gegenüber ein altes Kino. Die Flügeltüren sind verrammelt, die Schaukästen zertrümmert.
"Hammett fing an zu schreiben, weil er plötzlich vom Gefühl erfüllt war, es als Schriftsteller schaffen zu können. Außerdem war er seinen Job leid, er hatte zehn Jahre für die Detektei Pinkerton gearbeitet. Und er hatte sich im 1. Weltkrieg mit Tuberkulose infiziert, die alltägliche Arbeit eines Privatdetektivs, jemanden über Stunden zu beschatten etwa, konnte er gesundheitlich nicht mehr machen. Da drüben also hat er seine ersten Kurzgeschichten für das Magazin "Black Mask" geschrieben, dort schuf er seinen langlebigsten Protagonisten, den Continental Op."
Der Continental Operator ist der Ich-Erzähler in über hundert Kurzgeschichten und zwei Romanen. Ein Privatschnüffler im Dienste einer großen Detektei mit Sitz in San Francisco, der Continental. Nur sporadisch erfahren wir etwas über ihn: Er ist Ende 30, Anfang 40, klein, dicklich und glatzköpfig - ein Anti-Held in einer düsteren Welt, in der nichts ist, wie es scheint. Er ist ein Mann der Tat, ein zwielichtiges Stehaufmännchen. Seine Sprache ist schlicht und direkt.
" Ich bin Detektiv, von mir wird erwartet, dass ich Verbrecher zur Strecke bringe. Sie dann laufen zu lassen, ist wie von einem Hund zu verlangen, ein Kaninchen zu fangen und es dann loszulassen. Das kann man machen, selbstverständlich, aber es ist nicht das Natürliche.
Ich habe ein harte Haut über dem bisschen, was von meiner Seele noch übrig ist. Und nachdem ich zwanzig Jahre lang immer nur in Verbrechen herumgewühlt habe, kann ich jeden beliebigen Mord anschauen, ohne irgend etwas anderes darin zu sehen als meinen Broterwerb, meine tägliche Arbeit."
Weiter durch Tenderloin. Die Straßen sind voll Müll, viele Häuser verlassen. Kaum Läden außer Pfandleihen und schmierigen Schnellrestaurants.
"Dies ist keine nette Gegend, um es milde ausdrücken. Nicht so schlimm wie die South Bronx in New York, aber in San Francisco ist es eine der übelsten. Das war sie schon damals: Wenn der Continental Op hinter einem kleinen Ganoven her ist, dann suchte er ihn im Tenderloin oder drüber am North Beach."
Zu Hammetts Zeit war der North Beach San Franciscos Rotlichtviertel. Der erste Stripclub und die erste Peep Show des Landes entstanden hier. In den 50er siedelten sich die Beatniks dort an, Schriftsteller und Dichter wie Jack Kerouac, Alan Ginsburg und Lawrence Ferlinghetti, dessen alternativer Buchladen, der City Lights Bookstore, bis heute der Konkurrenz der großen Ketten trotzt. Längst ist der North Beach schick geworden, mit edlen Restaurant hübsch renovierten Häusern und den meisten Sonnenstunden in der ganzen Stadt.
Der Tenderloin dagegen ist geblieben, was er immer war: ein sozialer Brennpunkt. In den 20ern, als erstmals in der Geschichte der USA mehr Menschen in Städten als auf dem Land lebten, war das eine neue Realität.
"Der hart gesottene Detektiv ist natürlich eine Reinkarnation des Cowboys: rau, gewalttätig, er lässt sich nichts gefallen - nur eben in der urbanen Variante. Keiner, der auf einer Farm rumhängt, Tabak kaut und ausspuckt. Als Städter versteht man instinktiv, wie realistisch Hammetts Geschichten sind. Seine Charaktere sind nicht auf Rosen gebettet, ihr Leben findet auf der Straße statt. Wer diese Welt kennt, begreift, wie wahr seine Schilderungen sind. "
"Pigattis Bumslokal ist ein langer, schmaler Keller mit niedriger Decke , der von Rauch immer halb verdunkelt ist. Durch die Mitte zieht sich ein schmales Stück nackter Fußboden zum Tanzen. Der übrige Raum ist mit eng zusammengerückten Tischen voll gestellt, deren Tischtücher vor Dreck starren.
Die meisten Tische waren besetzt als ich rein kam, und ein halbes Dutzend Paare tanzte. Nur wenige von den Gesichtern hatten noch nie am allmorgendlichen "Defilee" im Polizeipräsidium teilgenommen."
Don Herrons Tour führt hinaus aus dem Tenderloin. Steil steigt die Straße an. Dicke, violette Wolken haben sich vor die Sonne geschoben. Es ist empfindlich kühl.
Vor einem Haus mit Erkern bleibt Don Herron stehen. Post Street 961. Im Erdgeschoss drei Läden: Coffee Shop, Münzwaschsalon, Imbissbude. Eine Tafel informiert, dass Hammett hier von 1926 bis 29 gelebt hat. Und zwar im Eckapartment im vierten Stock.
"Hammett ist häufig umgezogen in San Francisco. In den meisten Apartments hat er nur kurz gelebt. Außer auf der Eddy Street und hier. Auf der Eddy Street hat er seine Kurzgeschichten geschrieben, hier die Romane. Die Gegend ist ein bisschen besser, aber das Apartment ist klein. In San Francisco hat Hammett nicht gerade luxuriös gelebt, der große Erfolg kam erst in Hollywood. Dort hat er sich in Beverly Wilshire Hotel einquartiert, in einer Zimmerflucht im obersten Stock. Und er hat Partys gefeiert, eine dauerte vier Monate lang, ohne Unterbrechung. Was für eine schöne Art, Pleite zu gehen."
Don Herron blickt hinauf. Heute wohnt dort oben ein Architekt. Im Eckfenster, sagt Herron, hat Hammett geschrieben. "Rote Ernte", sein Debütroman, erschien vor achtzig Jahren, am 1.Februar 1929. Das Buch spielt nicht in San Francisco, sondern irgendwo im Mittleren Westen, in einem fiktiven Ort namens Peaceville. Ein Name, der zum Verballhornen einlädt.
"Der Papst von Pissville saß aufgestützt im Bett, als sein Sekretär, ein schlanker, scharfäugiger Leisetreter von vierzig, mich ins Schlafzimmer führte."
In Peaceville blüht die Korruption. Ein reicher Fabrikbesitzer, der Continental Op nennt ihn den Papst, hat einen Haufen Gauner engagiert, um die Gewerkschaften in die Knie zwingen. Nun wird er sie nicht mehr los.
Der Unternehmer engagiert den Continental Op. Der hetzt alle gegeneinander auf. Siebzehn Tote später ist Peaceville gesäubert - und der Papst seine Vormachtstellung los.
Für "Rote Ernte" nahm Hammett eine Anleihe bei seinem eigenen Leben: In seiner Zeit bei Pinkerton war er wiederholt als Streikbrecher eingesetzt worden. Kurios, findet Don Herron, die meisten von uns hängen in ihrer Jugend linken Idealen nach, doch bei ihm war es umgekehrt.
Weiter geht die Tour den Nob Hill hinauf, in ein wohlhabendes Viertel mit bestens erhaltenen viktorianischen Häusern. Der Nob Hill, im Volksmund: Snob Hill, trennt Innenstadt und Tenderloin vom Finanzdistrikt und der Bucht mit dem Fisherman's Wharf, der Touristenattraktion San Franciscos. Hier oben spielt "Tod im Nebel", erzählt Don Herron, das zweite Kapitel aus dem Malteser Falken.
"Eines Morgens kommt eine Frau ins Büro von Sam Spade und Miles Archer. Sie nennt sich Miss Wonderly und erzählt den Privatdetektiven, dass ihre Schwester von einem Ganoven namens Floyd Thursby von der Ostküste nach San Francisco geschleppt worden sei. Sie will ihre Schwester zurück nach Hause bringen, bevor ihre Eltern von einer Europareise zurückkommen. Keiner der Detektive kauft ihr die Geschichte ab, aber 200 Dollar Vorschuss sind überzeugend genug. Archer findet sie attraktiv und will den Job persönlich übernehmen. Für den Abend hat sie ein Treffen mit Thursby verabredet. Er will ihm von dort folgen, ihm die Schwester entreißen und sie Miss Wonderly übergeben - Job erledigt."
So einfach ist das natürlich nicht. Es fängt damit an, dass Miss Wonderly in Wirklichkeit Bridget O'Shaugnessy heißt, wie wir im Laufe des Romans erfahren.
Don Herron deutet auf altes grünes Gebäude unten im Finanzdistrikt. Zwischen den verspiegelten Wolkenkratzern wirkt es winzig. Es ist vielleicht 30 Stockwerke hoch und läuft nach oben spitz zu -- wie ein Bleistift. Dort hatten Spade und Archer ihr Büro. Das jedenfalls hat Herron bei der akribischen Auswertung der sparsamen Orts- und Zeitangaben im Malteser Falken herausgefunden. Und für die Beschreibung von Sam Spades Apartment, so Herron, hat sich Hammett an seinem eigenen auf der Post Street orientiert.
"Sam Spade fährt nach Hause und geht zu Bett. Nachts um zwei klingelt das Telefon. Er nimmt ab:
"Am Apparat..."
"Was, tot?"
"Ich bin in fünfzehn Minuten da."
Eine Viertelstunde später steigt er hier, wo wir gerade stehen, aus einem Taxi: auf der Bush Street oberhalb des Stockton Tunnel."
"San Franciscos Nachtnebel, dünn, klamm und durchdringend, verwischte die Straßenkonturen. Ein paar Meter von der Stelle entfernt, wo Spade das Taxi verlassen hatte, stand eine kleine Gruppe Männer und schaute in eine schmale Gasse.
Spade überquerte das Trottoir zwischen den eisenumzäunten Luken über hässlichen, nackten Kellertreppen, trat an die Brückenmauer und blickte, indem er die Hände auf die feuchte Brüstung legte, in die Stockton Street hinab.
Ein Automobil zischte donnernd aus dem Tunnel unter ihm, als wäre es hinausgeschossen worden, und sauste davon.
Steil ragen fensterlose Hauswände zu beiden Seiten der Gasse in die Höhe. Sie ist nicht einmal 100 Meter lang, dann endet sie an der kahlen Rückfront eines anderen Gebäudes. Laternen gibt es nicht, nachts muss es hier stockdunkel sein.
"Bridget O'Shaugnessy lockt Miles Archer in diese Gasse. Er ahnt nichts, denn er ist ein Trottel. Sam Spade wäre das natürlich nicht passiert, er hätte sich nie so hereinlegen lassen. Sie rückt nah an Archer ran, zieht ihre Pistole. Und erschießt ihn."
Getroffen, von einem Pfeil mit Saugpfropfen, abgefeuert aus einer Spielzeugpistole für Kleinkinder. Don Herron grinst unter seinem grauen, zotteligen Bart. Der Schuss ist der Höhepunkt seiner Tour, Erschrecken garantiert. Es ist Abend geworden, die Sonne hinterm Nob Hill verschwunden, und es nieselt - da geraten Realität und Fiktion schon einmal durcheinander.
"Bitte umdrehen", fordert Herron auf. Der Blick fällt auf eine Tafel.
"Darauf steht: Ungefähr hier wurde Miles Archer, der Partner von Sam Spade von Bridget O'Shaugnessy erledigt."
Der Mord an Miles Archer ist der Auftakt für eine wirre Geschichte, bei der ein paar Gauner hinter einer schwarz lackierten Figur her sind. Sie stellt einen Falken dar, unter dem Lack vermuten sie pures Gold. Sam Spade beginnt ein Verhältnis mit Bridget O'Shaugnessy, was ihn am Ende nicht hindert, sie ans Messer zu liefern.
Raus aus der Gasse, eine steile Steintreppe hinunter auf die Stockton Street. Die Straße ist chronisch verstopft, sagt Herron, man kann sie kaum vermeiden, wenn man von den Piers in die Innenstadt will.
"Er rief eine andere Nummer an und sagte: "Hallo Frank, hier ist Sam Spade... Können Sie mir einen Wagen mit einem Fahrer schicken, der seinen Mund halten kann?... Für ungefähr zwei Stunden... Fein. Er soll mich in John's Grill abholen an der Ellis Street, so rasch er kann."
John's Grill ist seit 1908 auf Steaks und Meeresfrüchte spezialisiert, das jedenfalls verkündet die Leuchtreklame in den amerikanischen Nationalfarben blau, rot und weiß. Im Fenster ein schwarzer Falke.
Drinnen ist es eng. Die Tische stehen nah beieinander, alle sind gedeckt. Porzellanteller, Silberbesteck, Gläser für Wein und Wasser, Servietten und Tischdecken aus Leinen - ein besseres Restaurant. An den bis unter die Decke holzverkleideten Wänden Bilder von Berühmtheiten, die hier gespeist haben: Hillary Clinton, Alfred Hitchcock, Sophia Loren und Humphrey Bogart als Sam Spade.
Auch Hammett muss hier häufig zu Gast gewesen sein, sagt Don Herron, denn im Bürogebäude nebenan hat früher die Pinkerton-Detektei gesessen. Herron bestellt "Sam Spade's Lamb Chops", Lamm mit Bratkartoffeln und Tomatenscheiben - wie der Privatdetektiv im "Malteser Falken".
"Durch Hammett sind Krimis realistisch geworden. Er hat seine eigenen Erfahrungen als Detektiv und die Erzählungen seiner Kollegen darin verarbeitet. Viele Autoren sind ihm darin gefolgt. Außerdem spielten die meisten seiner Geschichten in San Francisco, seiner Stadt. Auch das haben ihm andere nachgemacht, wie Raymond Chandler, der seine Romane in seiner Wahlheimat Los Angeles ansiedelte. Chandler hat einmal gesagt, dass man Hammett auch lesen kann, wenn das letzte Kapitel raus gerissen ist, wenn also die Lösung fehlt. Und das ist der Grund, warum Hammett als ernsthafter Literat gilt und andere wie Conan Doyle oder Agatha Christie nicht. Zu Hammetts Zeit übernahmen die großen Konzerne die Macht, man war tugendhaft und verbot Alkohol, aber Schnaps war trotzdem an jeder Ecke zu bekommen. Dieses neue Amerika hat Hammett sehr realistisch geschildert."
Der Raum im ersten Stock von John's ist eine Art Museum. An den Wänden Bilder aus dem "Malteser Falken". Bogart, Mary Astor als Bridget O'Shaugnessy, Peter Lorre als Joel Cairo. Daneben Myrna Loy und William Powell als Nora und Nick Charles in der Verfilmung des "Dünnen Mannes". In einem Schaukasten frühe Auflagen seiner Bücher und Ausgaben von "Black Mask", dem Magazin, bei dem seine Karriere begann. Ein idealer Ort zum Gucken und Stöbern. Und der Endpunkt von Don Herrons Tour durch San Francisco auf den Spuren von Dashiell Hammett.
Don Herron schiebt der Schlapphut in den Nacken. Er trägt einen schwarzen Trenchcoat - das ist stilecht. Nur die speckigen Jeans und die ausgelatschten Turnschuhe, die unterm Mantel hervor lugen, und der graue Vollbart wollen nicht recht zum coolen Outfit passen.
Herron ist Taxifahrer, seine Leidenschaft aber gehört Dashiell Hammett, dem Schöpfer des modernen Kriminalromans. Dessen Hauptfigur ist der ausgekochte Privatdetektiv, perfekt verkörpert von Humphrey Bogart in der Filmversion des Romans "Der Malteser Falke". Herron hat Hammetts Leben bis in die Details erforscht und Essays und Büchern über ihn geschrieben. Im Sommerhalbjahr lädt er jeden Sonntag zu einer Tour durch San Francisco auf den Spuren des Schriftstellers.
"In den gut acht Jahren in San Francisco hat er alle seine wichtigen Werke geschrieben. Mit einer Ausnahme: Der "Dünne Mann" entstand 1933 in New York. Hammett war pleite und brauchte Geld. Mit dem stets spöttischen Ehemann und dem süßen kleinen Hund zielte er ganz klar aufs große Geld. Und er hat es bekommen: Die Abenteuer von Nick und Nora Charles wurden mehrfach verfilmt, insgesamt haben sie Hammett rund eine Million Dollar eingebracht."
In den 30er Jahren war das eine unvorstellbare Summe. Eine Mittelklassefamilie, rechnet Don Herron vor, kam damals auf ein jährliches Einkommen von 1.000 Dollar. Für Hammett war es der Höhepunkt seiner Karriere. Bis zu seinem Tod im Jahr 1961 hat er nur noch ein Drehbuch geschrieben, eine Fortsetzung des Dünnen Mannes. Er trat der Kommunistischen Partei bei und saß in den 50ern fünf Monate im Gefängnis, weil er sich geweigerte hatte, vor dem Ausschuss für unamerikanische Umtriebe auszusagen. Mit diesem Komitee machte der Senator Joseph McCarthy zu Beginn des Kalten Krieges Jagd auf angebliche Staatsfeinde.
Doch im Sommer 1921 ist das noch Zukunftsmusik. Die wilden Zwanziger haben gerade begonnen, ebenso die Prohibition. Der Verkauf und Vertrieb von Alkoholika in den USA ist verboten.
"Sie ging im Zimmer auf und ab und kam kurz darauf mit einer braungefüllten Literflasche und zwei Schwenkern auf einem Bronzetablett zurück. Den ersten Schwenker füllte sie bis knapp unter den Rand. Als sie den anderen fast halb voll hatte, gebot ich Einhalt.
"Das ist reichlich für mich", sagte ich.
Es war Brandy, und er ging glatt runter."
"San Francisco war empfänglicher für den illegalen Handel mit Alkohol als viele andere Städte. Natürlich gab es Versuche, dagegen vorzugehen, aber hier war es mehr wie in Chicago, wo Al Capone ein Held war, weil er dafür sorgte, dass das Bier weiter floss. Seit dem Goldrausch. San Francisco war schon immer relativ tolerant, musste man auch sein, weil so viele unterschiedliche Leute Schulter an Schulter lebten. Ich finde, das ist bis heute so, siehe die Schwulenszene, die nirgends so stark ist wie hier."
Die Tour führt von der Stadtbücherei durchs Verwaltungszentrum. Vorbei an Bürohochhäusern und kleinen Restaurants und Delis, einer Mischung aus Lebensmittelladen und Schnellimbiss. Männer in Anzügen und Frauen in Kostümen hasten telefonierend durch die Straßen. Es ist früher Nachmittag. Der neblig verhagene Himmel reißt auf, die Sonne scheint.
Ein paar Blöcke weiter sind die Häuser älter und nicht so hoch, die Fassaden brüchig. Tenderloin heißt dieses Viertel, das Filetstück.
"Da drüben, das Haus Eddy Street 620, dort hat Hammett fünf seiner acht Jahre in San Francisco gelebt. In einem möblierten Apartment für 45 Dollar im Monat. Wohnzimmer, Schlafzimmer mit Klappbett, Dampfheizung. Hammetts Frau hat später erzählt, dass die Vermieterin eine Alkoholschmugglerin war. Polizisten gingen ein und aus war, wahrscheinlich, um sich ihren Anteil an den Geschäften zu sichern, ein paar Flaschen Schnaps oder so. Hier hat Hammett angefangen zu schreiben."
Das Haus ist vierstöckig und gelb gestrichen, mit schmiedeeisernen Stahlbalkonen und Feuerleitern an der Vorderseite. Keine Blumen, nichts deutet darauf hin, dass die Balkone benutzt werden. Die Fenster im Erdgeschoss sind vergittert, auch in den oberen Geschossen sind die Jalousien zugezogen. Über dem Treppenhaus thront ein steinerner Löwenkopf. Gegenüber ein altes Kino. Die Flügeltüren sind verrammelt, die Schaukästen zertrümmert.
"Hammett fing an zu schreiben, weil er plötzlich vom Gefühl erfüllt war, es als Schriftsteller schaffen zu können. Außerdem war er seinen Job leid, er hatte zehn Jahre für die Detektei Pinkerton gearbeitet. Und er hatte sich im 1. Weltkrieg mit Tuberkulose infiziert, die alltägliche Arbeit eines Privatdetektivs, jemanden über Stunden zu beschatten etwa, konnte er gesundheitlich nicht mehr machen. Da drüben also hat er seine ersten Kurzgeschichten für das Magazin "Black Mask" geschrieben, dort schuf er seinen langlebigsten Protagonisten, den Continental Op."
Der Continental Operator ist der Ich-Erzähler in über hundert Kurzgeschichten und zwei Romanen. Ein Privatschnüffler im Dienste einer großen Detektei mit Sitz in San Francisco, der Continental. Nur sporadisch erfahren wir etwas über ihn: Er ist Ende 30, Anfang 40, klein, dicklich und glatzköpfig - ein Anti-Held in einer düsteren Welt, in der nichts ist, wie es scheint. Er ist ein Mann der Tat, ein zwielichtiges Stehaufmännchen. Seine Sprache ist schlicht und direkt.
" Ich bin Detektiv, von mir wird erwartet, dass ich Verbrecher zur Strecke bringe. Sie dann laufen zu lassen, ist wie von einem Hund zu verlangen, ein Kaninchen zu fangen und es dann loszulassen. Das kann man machen, selbstverständlich, aber es ist nicht das Natürliche.
Ich habe ein harte Haut über dem bisschen, was von meiner Seele noch übrig ist. Und nachdem ich zwanzig Jahre lang immer nur in Verbrechen herumgewühlt habe, kann ich jeden beliebigen Mord anschauen, ohne irgend etwas anderes darin zu sehen als meinen Broterwerb, meine tägliche Arbeit."
Weiter durch Tenderloin. Die Straßen sind voll Müll, viele Häuser verlassen. Kaum Läden außer Pfandleihen und schmierigen Schnellrestaurants.
"Dies ist keine nette Gegend, um es milde ausdrücken. Nicht so schlimm wie die South Bronx in New York, aber in San Francisco ist es eine der übelsten. Das war sie schon damals: Wenn der Continental Op hinter einem kleinen Ganoven her ist, dann suchte er ihn im Tenderloin oder drüber am North Beach."
Zu Hammetts Zeit war der North Beach San Franciscos Rotlichtviertel. Der erste Stripclub und die erste Peep Show des Landes entstanden hier. In den 50er siedelten sich die Beatniks dort an, Schriftsteller und Dichter wie Jack Kerouac, Alan Ginsburg und Lawrence Ferlinghetti, dessen alternativer Buchladen, der City Lights Bookstore, bis heute der Konkurrenz der großen Ketten trotzt. Längst ist der North Beach schick geworden, mit edlen Restaurant hübsch renovierten Häusern und den meisten Sonnenstunden in der ganzen Stadt.
Der Tenderloin dagegen ist geblieben, was er immer war: ein sozialer Brennpunkt. In den 20ern, als erstmals in der Geschichte der USA mehr Menschen in Städten als auf dem Land lebten, war das eine neue Realität.
"Der hart gesottene Detektiv ist natürlich eine Reinkarnation des Cowboys: rau, gewalttätig, er lässt sich nichts gefallen - nur eben in der urbanen Variante. Keiner, der auf einer Farm rumhängt, Tabak kaut und ausspuckt. Als Städter versteht man instinktiv, wie realistisch Hammetts Geschichten sind. Seine Charaktere sind nicht auf Rosen gebettet, ihr Leben findet auf der Straße statt. Wer diese Welt kennt, begreift, wie wahr seine Schilderungen sind. "
"Pigattis Bumslokal ist ein langer, schmaler Keller mit niedriger Decke , der von Rauch immer halb verdunkelt ist. Durch die Mitte zieht sich ein schmales Stück nackter Fußboden zum Tanzen. Der übrige Raum ist mit eng zusammengerückten Tischen voll gestellt, deren Tischtücher vor Dreck starren.
Die meisten Tische waren besetzt als ich rein kam, und ein halbes Dutzend Paare tanzte. Nur wenige von den Gesichtern hatten noch nie am allmorgendlichen "Defilee" im Polizeipräsidium teilgenommen."
Don Herrons Tour führt hinaus aus dem Tenderloin. Steil steigt die Straße an. Dicke, violette Wolken haben sich vor die Sonne geschoben. Es ist empfindlich kühl.
Vor einem Haus mit Erkern bleibt Don Herron stehen. Post Street 961. Im Erdgeschoss drei Läden: Coffee Shop, Münzwaschsalon, Imbissbude. Eine Tafel informiert, dass Hammett hier von 1926 bis 29 gelebt hat. Und zwar im Eckapartment im vierten Stock.
"Hammett ist häufig umgezogen in San Francisco. In den meisten Apartments hat er nur kurz gelebt. Außer auf der Eddy Street und hier. Auf der Eddy Street hat er seine Kurzgeschichten geschrieben, hier die Romane. Die Gegend ist ein bisschen besser, aber das Apartment ist klein. In San Francisco hat Hammett nicht gerade luxuriös gelebt, der große Erfolg kam erst in Hollywood. Dort hat er sich in Beverly Wilshire Hotel einquartiert, in einer Zimmerflucht im obersten Stock. Und er hat Partys gefeiert, eine dauerte vier Monate lang, ohne Unterbrechung. Was für eine schöne Art, Pleite zu gehen."
Don Herron blickt hinauf. Heute wohnt dort oben ein Architekt. Im Eckfenster, sagt Herron, hat Hammett geschrieben. "Rote Ernte", sein Debütroman, erschien vor achtzig Jahren, am 1.Februar 1929. Das Buch spielt nicht in San Francisco, sondern irgendwo im Mittleren Westen, in einem fiktiven Ort namens Peaceville. Ein Name, der zum Verballhornen einlädt.
"Der Papst von Pissville saß aufgestützt im Bett, als sein Sekretär, ein schlanker, scharfäugiger Leisetreter von vierzig, mich ins Schlafzimmer führte."
In Peaceville blüht die Korruption. Ein reicher Fabrikbesitzer, der Continental Op nennt ihn den Papst, hat einen Haufen Gauner engagiert, um die Gewerkschaften in die Knie zwingen. Nun wird er sie nicht mehr los.
Der Unternehmer engagiert den Continental Op. Der hetzt alle gegeneinander auf. Siebzehn Tote später ist Peaceville gesäubert - und der Papst seine Vormachtstellung los.
Für "Rote Ernte" nahm Hammett eine Anleihe bei seinem eigenen Leben: In seiner Zeit bei Pinkerton war er wiederholt als Streikbrecher eingesetzt worden. Kurios, findet Don Herron, die meisten von uns hängen in ihrer Jugend linken Idealen nach, doch bei ihm war es umgekehrt.
Weiter geht die Tour den Nob Hill hinauf, in ein wohlhabendes Viertel mit bestens erhaltenen viktorianischen Häusern. Der Nob Hill, im Volksmund: Snob Hill, trennt Innenstadt und Tenderloin vom Finanzdistrikt und der Bucht mit dem Fisherman's Wharf, der Touristenattraktion San Franciscos. Hier oben spielt "Tod im Nebel", erzählt Don Herron, das zweite Kapitel aus dem Malteser Falken.
"Eines Morgens kommt eine Frau ins Büro von Sam Spade und Miles Archer. Sie nennt sich Miss Wonderly und erzählt den Privatdetektiven, dass ihre Schwester von einem Ganoven namens Floyd Thursby von der Ostküste nach San Francisco geschleppt worden sei. Sie will ihre Schwester zurück nach Hause bringen, bevor ihre Eltern von einer Europareise zurückkommen. Keiner der Detektive kauft ihr die Geschichte ab, aber 200 Dollar Vorschuss sind überzeugend genug. Archer findet sie attraktiv und will den Job persönlich übernehmen. Für den Abend hat sie ein Treffen mit Thursby verabredet. Er will ihm von dort folgen, ihm die Schwester entreißen und sie Miss Wonderly übergeben - Job erledigt."
So einfach ist das natürlich nicht. Es fängt damit an, dass Miss Wonderly in Wirklichkeit Bridget O'Shaugnessy heißt, wie wir im Laufe des Romans erfahren.
Don Herron deutet auf altes grünes Gebäude unten im Finanzdistrikt. Zwischen den verspiegelten Wolkenkratzern wirkt es winzig. Es ist vielleicht 30 Stockwerke hoch und läuft nach oben spitz zu -- wie ein Bleistift. Dort hatten Spade und Archer ihr Büro. Das jedenfalls hat Herron bei der akribischen Auswertung der sparsamen Orts- und Zeitangaben im Malteser Falken herausgefunden. Und für die Beschreibung von Sam Spades Apartment, so Herron, hat sich Hammett an seinem eigenen auf der Post Street orientiert.
"Sam Spade fährt nach Hause und geht zu Bett. Nachts um zwei klingelt das Telefon. Er nimmt ab:
"Am Apparat..."
"Was, tot?"
"Ich bin in fünfzehn Minuten da."
Eine Viertelstunde später steigt er hier, wo wir gerade stehen, aus einem Taxi: auf der Bush Street oberhalb des Stockton Tunnel."
"San Franciscos Nachtnebel, dünn, klamm und durchdringend, verwischte die Straßenkonturen. Ein paar Meter von der Stelle entfernt, wo Spade das Taxi verlassen hatte, stand eine kleine Gruppe Männer und schaute in eine schmale Gasse.
Spade überquerte das Trottoir zwischen den eisenumzäunten Luken über hässlichen, nackten Kellertreppen, trat an die Brückenmauer und blickte, indem er die Hände auf die feuchte Brüstung legte, in die Stockton Street hinab.
Ein Automobil zischte donnernd aus dem Tunnel unter ihm, als wäre es hinausgeschossen worden, und sauste davon.
Steil ragen fensterlose Hauswände zu beiden Seiten der Gasse in die Höhe. Sie ist nicht einmal 100 Meter lang, dann endet sie an der kahlen Rückfront eines anderen Gebäudes. Laternen gibt es nicht, nachts muss es hier stockdunkel sein.
"Bridget O'Shaugnessy lockt Miles Archer in diese Gasse. Er ahnt nichts, denn er ist ein Trottel. Sam Spade wäre das natürlich nicht passiert, er hätte sich nie so hereinlegen lassen. Sie rückt nah an Archer ran, zieht ihre Pistole. Und erschießt ihn."
Getroffen, von einem Pfeil mit Saugpfropfen, abgefeuert aus einer Spielzeugpistole für Kleinkinder. Don Herron grinst unter seinem grauen, zotteligen Bart. Der Schuss ist der Höhepunkt seiner Tour, Erschrecken garantiert. Es ist Abend geworden, die Sonne hinterm Nob Hill verschwunden, und es nieselt - da geraten Realität und Fiktion schon einmal durcheinander.
"Bitte umdrehen", fordert Herron auf. Der Blick fällt auf eine Tafel.
"Darauf steht: Ungefähr hier wurde Miles Archer, der Partner von Sam Spade von Bridget O'Shaugnessy erledigt."
Der Mord an Miles Archer ist der Auftakt für eine wirre Geschichte, bei der ein paar Gauner hinter einer schwarz lackierten Figur her sind. Sie stellt einen Falken dar, unter dem Lack vermuten sie pures Gold. Sam Spade beginnt ein Verhältnis mit Bridget O'Shaugnessy, was ihn am Ende nicht hindert, sie ans Messer zu liefern.
Raus aus der Gasse, eine steile Steintreppe hinunter auf die Stockton Street. Die Straße ist chronisch verstopft, sagt Herron, man kann sie kaum vermeiden, wenn man von den Piers in die Innenstadt will.
"Er rief eine andere Nummer an und sagte: "Hallo Frank, hier ist Sam Spade... Können Sie mir einen Wagen mit einem Fahrer schicken, der seinen Mund halten kann?... Für ungefähr zwei Stunden... Fein. Er soll mich in John's Grill abholen an der Ellis Street, so rasch er kann."
John's Grill ist seit 1908 auf Steaks und Meeresfrüchte spezialisiert, das jedenfalls verkündet die Leuchtreklame in den amerikanischen Nationalfarben blau, rot und weiß. Im Fenster ein schwarzer Falke.
Drinnen ist es eng. Die Tische stehen nah beieinander, alle sind gedeckt. Porzellanteller, Silberbesteck, Gläser für Wein und Wasser, Servietten und Tischdecken aus Leinen - ein besseres Restaurant. An den bis unter die Decke holzverkleideten Wänden Bilder von Berühmtheiten, die hier gespeist haben: Hillary Clinton, Alfred Hitchcock, Sophia Loren und Humphrey Bogart als Sam Spade.
Auch Hammett muss hier häufig zu Gast gewesen sein, sagt Don Herron, denn im Bürogebäude nebenan hat früher die Pinkerton-Detektei gesessen. Herron bestellt "Sam Spade's Lamb Chops", Lamm mit Bratkartoffeln und Tomatenscheiben - wie der Privatdetektiv im "Malteser Falken".
"Durch Hammett sind Krimis realistisch geworden. Er hat seine eigenen Erfahrungen als Detektiv und die Erzählungen seiner Kollegen darin verarbeitet. Viele Autoren sind ihm darin gefolgt. Außerdem spielten die meisten seiner Geschichten in San Francisco, seiner Stadt. Auch das haben ihm andere nachgemacht, wie Raymond Chandler, der seine Romane in seiner Wahlheimat Los Angeles ansiedelte. Chandler hat einmal gesagt, dass man Hammett auch lesen kann, wenn das letzte Kapitel raus gerissen ist, wenn also die Lösung fehlt. Und das ist der Grund, warum Hammett als ernsthafter Literat gilt und andere wie Conan Doyle oder Agatha Christie nicht. Zu Hammetts Zeit übernahmen die großen Konzerne die Macht, man war tugendhaft und verbot Alkohol, aber Schnaps war trotzdem an jeder Ecke zu bekommen. Dieses neue Amerika hat Hammett sehr realistisch geschildert."
Der Raum im ersten Stock von John's ist eine Art Museum. An den Wänden Bilder aus dem "Malteser Falken". Bogart, Mary Astor als Bridget O'Shaugnessy, Peter Lorre als Joel Cairo. Daneben Myrna Loy und William Powell als Nora und Nick Charles in der Verfilmung des "Dünnen Mannes". In einem Schaukasten frühe Auflagen seiner Bücher und Ausgaben von "Black Mask", dem Magazin, bei dem seine Karriere begann. Ein idealer Ort zum Gucken und Stöbern. Und der Endpunkt von Don Herrons Tour durch San Francisco auf den Spuren von Dashiell Hammett.