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Tropischer Sozialismus

Kuba, im Frühjahr 2005: Einer der aktuellen "Reggaeton"-Hits handelt von Yunai: einer jungen Kubanerin, die vor allem eines mag: die "Yumas". So werden im kubanischen Slang die Ausländer bezeichnet. Und weil der Durchschnittslohn von umgerechnet rund 12 US-Dollar zum Überleben kaum reicht, sind viele Kubaner darauf angewiesen, irgendwie Geschäfte mit den devisenträchtigen Touristen zu machen.

Von Ole Schulz |
    Kuba im Jahr 46 nach der Revolution: Seit Fidel Castro sich in der schweren Krise nach dem Zusammenbruch des Ostblocks zu wirtschaftlichen Reformen genötigt sah, hat sich der "tropische Sozialismus" Kubas grundlegend gewandelt: Es gibt inzwischen Unternehmen mit ausländischer Beteiligung, "freie" Agrarmärkte und einen kleinen Privatsektor. Auch die Benutzung von Devisen ist seit über zehn Jahren erlaubt - wenngleich sie seit November 2004 nicht mehr in Form von US-Dollar üblich ist, sondern als so genannter Peso Convertible.

    Die Nachrichten über die aktuelle wirtschaftliche Situation Kubas sind alles in allem widerspruchsvoll. Sicher scheint zumindest, dass in den Staatskassen Kubas nichts mehr zu holen ist. Ausländische Beobachter schätzen, dass allein die Auslandverschuldung über 12 Milliarden US-Dollar beträgt. Es gibt aber auch positive Zeichen. So wächst die kubanische Ökonomie seit Jahren kontinuierlich.
    Der Wirtschaftsprofessor Omar Pérez vom Zentrum für Studien der kubanischen Ökonomie in Havanna:

    " Seit 2003 wird das Bruttoinlandsprodukt in Kuba neu kalkuliert, weil die unendgeldlichen staatlichen Leistungen und Dienste mit einberechnet werden. Demnach ist die Wirtschaft Kubas um fünf Prozent gewachsen, nach der alten Methode, die einen internationalen Vergleich erlaubt, um immerhin drei Prozent.

    Doch das ist eine technische Diskussion. Sicher ist, dass die kubanische Ökonomie bis heute noch nicht wieder das Produktionsniveau der Zeit vor 1989 erreicht hat. Wir liegen ungefähr bei einem Wert von 98 Prozent des Niveaus von vor 15 Jahren. Das heißt: Obwohl die Wirtschaft wächst, ist die Krise noch nicht überwunden. Es gibt noch viele ungelöste soziale Probleme - wie die Wohnungsfrage und den Transport. Wir können nicht sagen, dass wir für all die Probleme schon Lösungen gefunden haben. Allerdings ist die wirtschaftliche Tendenz positiv."

    Während Kuba mit China den Nickelabbau forcieren will, hat Castro mit Venezuelas Präsident Chavez die Lieferung von Öl zu günstigen Konditionen vereinbart, um die prekäre Energieversorgung der Insel zu verbessern. Diese Abkommen zeigen eines deutlich:
    Nach der schweren Krise seit Anfang der 90er Jahre, in Kuba "periódo especial" genannt, hat die kubanische Regierung ihre Handlungsfähigkeit zurück gewonnen - das hat ungeahnte Folgen.

    Seit 2003 mehren sich etwa die Anzeichen einer Re-Zentralisierung der kubanischen Wirtschaft. Während dem kleinen Privatsektor mit Kontrollen und einer hohen pauschalen Besteuerung das Leben schwer gemacht wird, wurde den staatlichen Betrieben Anfang des Jahres die Führung eigener Devisenkonten gänzlich untersagt.
    Der kubanische Ökonom Omar Pérez hält die Maßnahme gleichwohl für sinnvoll:

    " Über diese Frage herrscht ein bisschen Verwirrung im ganzen Land. Was stimmt: Die kubanischen Unternehmen können ihre Einnahmen nicht mehr so verwenden wie früher. Ein Beispiel: Ein Buchverlag hat weiterhin keine Schwierigkeiten, das Papier und die Tinte zum Druck zu kauft, die gebraucht wird. Doch was unterbunden wird ist, dass dasselbe Unternehmen, wie früher geschehen, Autobatterien erwirbt, um mit deren Weiterverkauf gute Geschäfte auf dem nationalen Markt zu machen. Es hängt von dem Betrag und von der Art des Unternehmens ab, was gekauft werden darf. Also, Wasser- und Stromkosten, die Dinge für den Grundbetrieb, können ohne Probleme gezahlt werden. Die Kontrolle ist vielmehr darauf gerichtet, dass die Mittel nicht zweckentfremdet werden."

    Es ein offenes Geheimnis, dass der Staatsapparat angesichts der Krise und der niedrigen Gehälter nicht viel gegen zunehmende Veruntreuungen, Korruption und einen wachsenden Schwarzmarkt tun kann. Seit den Reformen spielen die Einkünfte der Angestellten im Staatsdienst jedenfalls nur noch eine untergeordnete Rolle gegenüber den - legalen wie illegalen - privaten Aktivitäten. Im letzten "Corruption Perceptions Index" von Transparency International liegt Kuba in dem weiten Feld von 145 irgendwo im Mittelfeld, zwischen Kolumbien und Mexiko. Die kubanische Soziologin Mayra Espina meint indes, dass ein gewisses Niveau an Korruption zeige, wie sich Kuba an internationale Trends anpasse:

    " Es gab in der letzten Zeit einige öffentliche Bekundungen von staatlicher Seite, dass dies ein Problem sei. Doch man muss dazu einiges anmerken: Zunächst einmal, dass Korruption ein internationales Phänomen ist, und es für Kuba schwierig ist, dieser globalen Entwicklung zu entkommen. Zum anderen erscheint mir die Zunahme von Korruption gerade in einer Gesellschaft, die eine schwere Krise erlebt - so wie es in Kuba der Fall ist -, etwas ganz normales zu sein."

    Mayra Espina forscht vor allem über die soziale Ungleichheit in Kuba, die seit den 90er Jahren ständig zugenommen hat. Dass es auf der Karibikinsel mittlerweile Menschen gibt, die deutlich mehr Geld als andere zur Verfügung haben, lässt sich kaum bestreiten - auch wenn sie ihren Wohlstand nicht ungehindert zur Schau stellen können. Von einer neuen Schicht von "Reichen" will Mayra Espina trotzdem nicht sprechen:

    "Ich rede normalerweise lieber von den Armen und nicht von den Reichen. Denn mir erscheint es gelegentlich zweifelhaft, ob man diejenigen, die in Kuba mehr als andere verdienen, wirklich als Reiche bezeichnen kann. Wenn man sie mit jenen Menschen vergleicht, die in anderen Gesellschaften Reiche genannt werden, kann man genau genommen nicht von "Reichen" sprechen - obwohl es stimmt, dass sie im Vergleich zu den am meisten Benachteiligten der kubanischen Gesellschaft in viel höheres Lebensniveau haben. Wichtige Faktoren der Ungleichheit sind die Spannbreite der Einkommen und ihre Konzentration auf bestimmte soziale Gruppen, während es rund 20 Prozent Marginalisierte gibt."

    Im Gegensatz zur Frage der politischen Öffnung Kubas können die kubanischen Sozialwissenschaftler und Ökonomen inzwischen relativ offen über die zukünftige wirtschaftliche Strategie diskutieren - auch wenn sie weiterhin vorsichtig sein müssen, dass ihre Forderungen nicht zu weit gehen:

    " Wenn man mich fragt, ob ich mehr ausländische Unternehmen begrüßen würde, würde ich mit Ja antworten. Ich denke nicht, dass es eine sinnvolle politische Strategie ist, ihre Zahl in den wichtigen Wirtschaftszweigen zu verringern. Denn die Erfahrung hat gezeigt, dass dort, wo ausländisches Kapital investiert wurde, gute Ergebnisse erzielt und die Exporte erhöht werden konnten."

    Tatsache ist allerdings, dass die Zahl der Joint Ventures rückläufig ist.
    Auslaufende Verträge werden zum Teil nicht verlängert, und die kubanische Regierung achtet mittlerweile stärker darauf, dass die Unternehmen mit ausländischer Beteiligung auch Gewinne abwerfen. Der Ökonom Omar Pérez:

    " Zurzeit gibt es 313 Joint-Venture-Unternehmen, es gab einmal über 400. Aber der Rückgang betrifft weniger die großen Firmen, die für Kuba von nationaler Bedeutung sind. Wenn man sich die Zahlen genau anschaut, sieht man, dass sich zwar die Zahl der Unternehmen mit ausländischer Beteiligung verringert hat, ihre Produktion und ihre Exporte aber gestiegen sind."

    Auf Exporte ist der kubanische Staat allein angewiesen, um harte Währung in die leeren Staatskassen zu holen. Die sinkenden Devisenreserven waren vermutlich auch der eigentliche Grund für die 1:1-Umstellung vom US-Dollar auf den Peso Convertible. Schätzungen zufolge hat die Zentralbank dadurch bis zu 500 Millionen US-Dollar bei den Kubanern abgeschöpft .

    Der Ökonom Omar Pérez hält die Loslösung der kubanischen Wirtschaft vom US-Dollar aber auch aus anderen Gründen für angebracht:

    " Es ist eine sehr positive Maßnahme, die früher hätte getroffen werden müssen, denn ein Land kann nicht mit einer Währung leben, die es nicht selbst herstellt, zumal das Geld überwiegend durch Überweisungen aus dem Ausland kommt, und das nicht immer auf legalem Wege. Die Einführung des Konvertiblen Peso könnte dem Staat eine monetäre Kontrolle ermöglichen, die es vorher nicht gab. Und die vor kurzem erfolgte Aufwertung des Peso Convertible gegenüber dem US-Dollar um zehn Prozent soll nicht den Dollar an sich bestrafen, sondern lediglich die Art und Weise wie er nach Kuba gelangt."

    Dass die Kubaner sich angesichts des US-Wirtschaftsboykotts vom US-Dollar abkoppeln wollen, können auch ausländische Investoren verstehen - sie verweisen beispielsweise auf den Fall der Schweizer USB Bank. Die war im Mai 2004 von den Amerikanern zu einer hohen Geldstrafe verdonnert worden - wegen einer Art Geldwäsche der harmloseren Art. Denn die Kubaner hatten sich von der USB lediglich all jene alten Dollarscheine, die in Kuba jahrelang von Hand zu Hand gegangen waren, gegen neue eintauschen lassen. Dafür mussten die Schweizer am Ende 100 Millionen US-Dollar Strafe an die amerikanische Notenbank zahlen.

    Fest steht: Die Wirtschaftblockade der US-Amerikaner, die genau vor 45 Jahren mit der Streichung der Zuckereinfuhren begann, ist ein wichtiger Grund für die ökonomischen Schwierigkeiten Kubas. So geht die - international beachtete - Sanierung von Havannas Altstadt zum Beispiel nur in kleinen Schritten voran, weil ausländische Investitionen spärlich fließen. Gerade im südlichen Teil des historischen Zentrums fallen immer noch ganze Straßenzüge ein. Patricia Rodriguéz, die Direktorin des Altstadt-Masterplans, will das auch nicht bestreiten:

    " Das stimmt zweifellos und ist nicht zu übersehen. Unglücklichweise stehen uns nicht genügend Finanzmittel zur Verfügung. Was wäre Kuba wohl für ein Land ohne den Wirtschaftsboykott, wie würde das historische Zentrum Havannas aussehen, wenn wir einen Kredit über eine Milliarde US-Dollar erhalten würden, rückzahlbar in 15 Jahren, bei einem Zinssatz von zwei Prozent? Das wäre wunderbar. Wir haben zum Beispiel ausgerechnet, dass wir mit einem Kredit von 250 Millionen US-Dollar die wichtigsten notwendigen Reparaturarbeiten in der Altstadt ausführen könnten, vor allem die undichten Dächer flicken. Aber wo sind diese 250 Millionen US-Dollar. Wir müssen sie selbst erwirtschaften, weil uns niemand einen solchen Kredit gewährt."

    Weil die Insel weiterhin dem US-Wirtschaftsembargo unterliegt, müssen die Kubaner selbst die Mittel erwirtschaften, die es ihnen erlauben, einen "Dritten Weg" zu gehen, und eine Art staatskapitalistischen Sozialstaat zu errichten. Dabei versucht die kubanische Regierung nicht zuletzt mit einer verschärften Kontrolle des Wirtschaftsgeschehens, das Heft wieder in die Hand zu bekommen.

    Der kubanische Ökonom Omar Pérez hält diese Strategie allerdings für zweifelhaft:

    " Seit zwei Jahren gibt es eine Konzentrationswelle, und ich denke, dass es in diesem Moment eine wichtige Maßnahme ist. Aber trotzdem glaube ich nicht, dass die Zentralisation als genereller Weg richtig ist. Sie wird nicht die Probleme eines Landes lösen, auch wenn sie zu einem bestimmten Zeitpunkt wie der Krise Kubas angebracht sein mag. Doch letztlich löst Kontrolle die Probleme nicht."

    Gleichzeitig versucht Fidel Castro mit sozialpolitischen Zugeständnissen, die angespannte Stimmung im Land zu verbessern. Hatten sich seit der Krise der 90er Jahre die einst vorbildlichen Leistungen des Gesundheits- und Bildungssystems sukzessive verringert - so tritt der "máximo líder" seit mehreren Monaten fast wöchentlich in die Öffentlichkeit, um neue Maßnahmen zum Wohlergehen der Kubaner zu verkünden:

    " Der Mindestlohn wird von 100 auf 225 kubanische Peso erhöht werden."
    (Applaus)

    " Diese Maßnahme gilt ab dem 1. Mai dieses Jahres."
    (Applaus)

    Zuvor hatte der inzwischen greisenhaft wirkende 78jährige sowohl den kubanischen Peso als auch den Peso Convertible aufgewertet. Und auch die die Renten wurden erhöht.

    " Wer in Rente gegangen ist, dem wird es an nichts fehlen."
    (Applaus)

    " Und es ist auch möglich, dass in der Zukunft die Renten noch einmal erhöht werden."
    (Applaus)

    " Bis eines Tages sogar die Lebensmittelrationierung verschwindet, die einmal eine so große Sache war..."

    Bis die kostenlose Zuteilung verschiedener Grundnahrungsmittel und Konsumgüter ganz abgeschafft wird - dahin ist es noch ein langer Weg. Um dieses hochgesteckte Ziel zu erreichen - dabei sollen vor allem die Besucher aus dem Ausland helfen. Denn der Tourismussektor ist die Lokomotive der kubanischen Wirtschaft.

    Hier hat die von Kuba verfolgte Politik der "Importsubstitution" den größten Erfolg: Nach offiziellen Angaben stammen rund drei Viertel der für die Touristen benötigten Waren und Dienstleitungen aus eigener Produktion. Auf der anderen Seite wird gerade durch den Tourismus das soziale Gefälle verschärft. Doch die Soziologin Mayra Espina glaubt, dass Kuba - zumindest übergangsweise - keine andere Wahl habe, als die natürlichen Ressourcen Strand und Sonne zu nutzen:

    " Ich glaube es ist ein guter und intelligenter Weg. Ich glaube außerdem, dass der kubanische Staat Möglichkeiten hat, die negativen Effekte, welche diese Strategie mit sich bringt, auszugleichen. Denn obwohl es sicher ist, dass diejenigen, die direkt oder indirekt im Tourismussektor arbeiten, große Vorteile haben, weil ihre - formalen oder informellen - Einkommen höher als im Durchschnitt sind, bieten die Einnahmen aus dem Tourismus dem Staat zugleich die Möglichkeit der Umverteilung. Ich glaube also, dass es eine adäquate ökonomische Strategie ist, wenn auch mit Problemen verbunden, die man überwinden muss."

    Vergangenes Jahr kamen erstmalig mehr als zwei Millionen Touristen nach Kuba. Ein Projekt, das davon im Besonderen profitiert, ist die - weitgehend selbst finanzierte - Sanierung von Havannas Altstadt. Der dafür zuständige Stadthistoriker Eusebio Leal darf unter anderem eine Steuer auf alle wirtschaftlichen Aktivitäten im historischen Zentrum erheben:
    " Daneben gehört uns eine Vielzahl von Grundstücken, deren überwiegend baufällige Gebäude wir mit Hilfe von Bankkrediten sanieren und zum Beispiel in Hotels und Restaurants umwandeln. Dadurch haben wir tausende von Arbeitsplätzen geschaffen, mittlerweile mehr als 10.000. Wir betreiben inzwischen 14 Hotels, ein weiteres wird gerade gebaut. Dabei muss man wissen, dass fast alle Touristen, die Kuba besuchen, einen Abstecher in Havannas Altstadt machen. "Habana Vieja" ist so etwas wie ein kleiner Stadtstaat."

    Schaut man heute aus dem Fenster von Eusebio Leals Büro auf den Plaza de la Catedral sieht man Touristengruppen, die sich die restaurierten Sehenswürdigkeiten zeigen lassen oder einer Musikgruppe lauschen, die kubanische Klassiker zum Besten gibt.

    Im Schatten der den Platz umgebenden Arkaden sitzen schwarze kubanische Mamas in weißen Santería-Gewändern und rauchen dicke Zigarren; sie lassen sich gerne zusammen mit Ausländern fotografieren - aber selbstverständlich nur gegen ein ordentliches Trinkgeld in Devisen.

    Was das neue Schmiermittel der lokalen Altstadt-Ökonomie ist, lässt sich an allen Ecken beobachten: In inzwischen über hundert Einrichtungen, von Hotels und Bars bis zum Schuhgeschäft und der Parfümerie, bezahlt der Tourist in Havannas Altstadt heute ausschließlich in harter Währung. Die Angestellten dort werden aber mit kubanischen Peso vergütet, viele der Waren ebenso. Mit den erzielten Überschüssen wird aber nicht nur die Sanierung der Altstadt finanziert.

    " Wir restaurieren nicht nur Straßen, Hotels, Gebäude, sondern erreichten auch gen und kommunale Einrichtungen - für Mütter und Kinder, für Behinderte und alte Menschen. Das soll heißen: Unser Projekt unterscheidet sich von vielen anderen irgendwo in der Welt insofern, als das Büro des Stadthistorikers nicht nur Pläne schmiedet, sondern sie auch konkret umsetzt. Ich denke die Macht, die der Stadthistoriker hat, ist in erster Linie moralischer Art. Wenn sie irgendjemand in Kuba fragen, mag er antworten, was er will - auf jeden Fall wird er mit Respekt darüber reden, was der Stadthistoriker macht."

    Ob man die selbst finanzierte Altstadtsanierung als ein Modellprojekt für die reformierte kubanische Wirtschaft begreifen könne?
    Auf diese Frage mag der Stadthistoriker nur vorsichtig antworten:

    "Ich denke, die Altstadtsanierung ist zunächst einmal Ausdruck der dezentralisierten Wirtschaft, welche die kubanische Regierung zugelassen hat. Und es stimmt auch, dass sich die Eigenverantwortlichkeit, mit der das Büro des Stadthistorikers arbeitet, die soziale und nachhaltige Ausrichtung des Projektes, bewährt hat und zu einem Vorbild geworden ist. Inzwischen wird auch in den historischen Stadtzentren von Camaguey, Santiago de Cuba und Trinidade ähnlich gearbeitet. "

    Vor einigen Jahren zählte man den Stadthistoriker Eusebio Leal noch zur Gruppe von Reformern, die für eine wirtschaftliche wie politische Liberalisierung Kubas eintraten. Inzwischen haben die "Hardliner" wieder das Oberwasser gewonnen, und es ist bezeichnend, dass sich nunmehr auch Eusebio Leal ziemlich linientreu äußert:

    " Wir sind keine Liberalen, sondern in der Frage des Kulturerbes sind wir Konservative. Geht es um den Kulturerhalt, bedeutet konservativ zu handeln, revolutionär zu sein. Und die Zentralisations-Politik des Staates muss zudem in Zusammenhang mit den internationalen Beziehungen betrachtet werden, vor allem mit der wachsenden Feindseligkeit der USA. Wir dürfen nicht vergessen: Während man sich in Europa einen Wandel wünschen mag, will die USA von der Wurzel her alles zerstören, was die kubanische Revolution ausmacht. Was wäre Kuba wohl ohne diese Feindseligkeit? Wobei zu betonen ist: Der Kapitalismus nicht das ist, was wir suchen - unser Weg ist ein anderer."