Donnerstag, 18. April 2024

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Trump-Enthüllungsbuch
"Republikanische Partei muss endlich klare Position beziehen"

Ein Enthüllungsbuch über Trumps Präsidentschaft sorgt für Wirbel – obwohl es nur bestätige, was bereits jeder wisse, sagte der Politikwissenschaftler Michael Werz im Dlf. Wichtiger sei es nicht zu übersehen, dass der US-Präsident mit der Zerstörung von US-Regierungsinstitutionen und der Absage an die multilaterale Zusammenarbeit längst Ernst gemacht habe.

Michael Werz im Gespräch mit Philipp May | 06.01.2018
    US-Präsident Donald Trump bei einer Pressekonferenz zur Steuerreform am 22.12.2017
    Die massiven Mittelkürzungen, die Neuausrichtung des Justizministeriums, der Umweltschutzbehörde und die Zerstörung des Außenministeriums von innen würden Konsequenzen zeitigen, sagte Polit-Experte Michael Werz im Dlf. (dpa / Pool via CNP / Mike Theiler)
    Philipp May: Großer Wirbel um das Enthüllungsbuch über Trumps Präsidentschaft, aber es gibt auch Kritik am Autor Michael Wolff, der es mit den Fakten nicht so genau nehme. Und jetzt mit uns verbunden ist Michael Werz, Politikwissenschaftler bei der Denkfabrik Center for American Progress in Washington. Herr Werz, schönen guten Abend!
    Michael Werz: Schönen guten Abend, Herr May!
    May: Haben Sie das Buch schon gekauft?
    Werz: Das Buch ist komplett ausverkauft, ich war zu spät dran und habe mir darum keine Kopie mehr sichern können, aber es sind ja die einschlägigen Zitate schon verbreitet worden in den vergangenen Tagen. Und auch die Tatsache, dass der Verlag sich gedrängt sah aufgrund der Androhungen, der Verbotsandrohungen des Weißen Hauses, das Publikationsdatum vorzuziehen, hat hier natürlich für viel Aufregung gesorgt.
    Buch bestätige, dass "eine instabile Persönlichkeit an der Macht" sei
    May: Wie ernst darf man das denn alles nehmen, muss man das für bare Münze nehmen?
    Werz: Na ja, Sie haben es ja schon erwähnt, gegenüber dem Autor sind auch gewisse Vorsichtsregeln angebracht. Er hat immer wieder bei seinen Publikationen Probleme damit gehabt, dass ihm Leute vorgeworfen haben, dass sie den Eindruck hatten, dass sie mit ihm off record, also unter der Prämisse sprechen, dass die Dinge nicht veröffentlicht werden. Aber auch das, was er publiziert hat, bestätigt ja eigentlich nur auf entsetzliche, aber doch vorhersehbare Art und Weise, das, was wir lange schon befürchten und auch wissen durch die tagtäglichen Äußerungen des Präsidenten, nämlich dass hier eine instabile Persönlichkeit an der Macht ist, die rachsüchtig ist und schwer zu vertragen.
    May: Sie haben es gerade gesagt, das Buch oder die Auszüge, die bekannt sind, zeichnen eben ein Bild eines Präsidenten, der, um es mal freundlich zu formulieren, dem Amt mental und emotional nicht gewachsen ist. Wird die Debatte, ob Trump wegen seines Geisteszustands des Amtes enthoben werden sollte, jetzt neue Nahrung bekommen, oder ist das sowieso eigentlich nur eine reine Diskussion unter Demokraten?
    Werz: Nein, diese Diskussion findet auch unter Demokraten nicht ernsthaft statt. Wenn es um ein Amtsenthebungsverfahren geht, dann sind natürlich die schwerwiegenden politischen Argumente die, dass er in der Russland-Affäre sich dermaßen verstrickt hat, dass er nicht in der Lage ist, nationale Interessen der Vereinigten Staaten angemessen zu vertreten. Jetzt zu argumentieren, dass er mental dazu nicht in der Lage ist, das Amt auszufüllen, das würde nur in Sackgassen führen. Wenn man seine Tweets jeden Morgen verfolgt, die er, wenn er sich das Kabelfernsehen, die Nachrichtensendungen am frühen Morgen ansieht, ja absetzt, für alle Welt sichtbar, weiß man schon, dass es sich hier um eine instabile Persönlichkeit handelt. Viel wichtiger ist hier allerdings die politische Frage, wie lange eben die republikanische Partei, die ja in beiden Häusern des Capitol Hill die Mehrheiten noch innehat, wie lange diese Partei eben weiterhin die Gefolgschaft und die Treue halten wird, denn die Frage ist, ist die Partei und der Machterhalt wichtiger als die verfassungsmäßigen Institutionen und die Stabilität dieser Gesellschaft.
    "Republikanische Partei musssich endlich zusammenraufen"
    May: Und wie lange wird sie ihm die Treue halten – bis zu den Kongresswahlen, wenn es dann einen Erdrutschsieg der Demokraten gäbe?
    Werz: Das ist die offene Frage, und auch für uns hier in vielerlei Hinsicht doch überraschend, dass viele Republikanerinnen und Republikaner offensichtlich weniger damit am Hut haben, jetzt die Interessen des Landes und einer amerikanischen Gesellschaftsordnung zu verteidigen als die Machtposition, in die sie mit dem Wahlsieg hineingekommen sind. Die Zwischenwahlen, die wir im November 2018 haben werden, lassen vermuten, dass die Demokraten eine Möglichkeit haben, das Abgeordnetenhaus zurückzuerobern, aber auch das steht noch in den Sternen. Im Senat sieht es schwieriger aus, da wird nur ein Drittel der Senatoren neu gewählt, und viele Senatoren, die zur Wiederwahl stehen, sind Demokraten, die in Bundesstaaten kandidieren, die Donald Trump gewonnen hat. Also man darf auch dieses Fixdatum November 2018, im November diesen Jahres, nicht überhöhen. Die wirkliche Frage ist, sind die Demokratischen und die Verfassungen, sind sie wichtiger als reine Machtpolitik, und hier muss die republikanische Partei sich endlich zusammenraufen und eine klare Position beziehen.
    May: Vor diesem Hintergrund stellt sich dann aber schon die Frage: Wie gefährlich kann dieser Präsident für die Welt werden?
    Werz: Na ja, das hat sich ja schon gezeigt. Er ist ja nicht nur dabei – und das ist viel wichtiger als diese Gerüchte, die jetzt in diesem neuen Buch verbreitet werden –, er hat's ja schon gezeigt, dass es ihm sehr ernst ist mit der Zerstörung von Regierungsinstitutionen und von Regierungsbürokratien hier im Land. Die massiven Mittelkürzungen, die Neuausrichtung des Justizministeriums, der Umweltschutzbehörde, die Zerstörung des Außenministeriums von innen, das sind alles Dinge, denen wir hier noch längerfristig Konsequenzen zeitigen werden, die die amerikanische Gesellschaft aufs Schärfste benachteiligen werden. Und natürlich ist er auch bekannt, dass er in internationalen und multilateralen Organisationen, vom Rücktritt aus den Klimaverhandlungen bis hin zum Austritt aus der Unesco und der despektierlichen Art und Weise, mit der über die Vereinten Nationen gesprochen wird, auch die multilateralen Ebenen für ihn überhaupt nicht von Interesse sind. Das schwächst nicht nur die Position der Vereinigten Staaten in der Welt, sondern auch die anderer westlicher liberaler Demokratien. Und die Konsequenzen spüren Sie ja nicht nur in Europa, sondern auch an anderen Orten der Welt.
    "Bannon hat gesagt, dass das Landesverrat sei"
    May: Dann kommen wir noch mal ganz kurz zum Buch zurück. Sie haben ja schon die politischen Folgen angesprochen, die politischen Dimensionen, Stichwort Russland-Ermittlung: Wie juristisch brisant ist das Buch denn für Trump beziehungsweise sein Umfeld, seine Familie auch?
    Werz: Das ist für seine Familie noch einmal brisant, weil Steve Bannon ja mit der Äußerung zitiert ist, dass er das Treffen, das stattgefunden hat zwischen Jared Kushner, also Trumps Schwiegersohn, Don Junior, also seinem ältesten Sohn, und einer russischen Anwältin mit engen Kontakten zum Kreml. Dieses Treffen hat stattgefunden im Juni 2016 im Trump Tower in New York, und Bannon hat gesagt, dass das Landesverrat sei und man eigentlich hätte danach das FBI anrufen müssen. Das tut er natürlich auch, weil er Jared Kushner und Ivanka Trump hasst und denen möglichst viel Schaden zufügen will – also das ist auch ein konservativer Familienstreit, der da ausgetragen wird –, aber das ist natürlich auch von Bedeutung für die Russland-Untersuchung von Staatsanwalt Müller, der dabei ist, eine ganze Reihe von hochkarätigen Zeugen ins Feld zu führen, die gegen Donald Trump aussagen werden. Der vielleicht bekannteste davon ist der ehemalige nationale Sicherheitsberater Michael Flynn, der ja mit einer niedrigschwelligen Schuldanerkennung signalisiert hat gegenüber dem FBI, dass er redebereit ist. Und insofern muss man schon erwarten, dass für Donald Trump hier schwierige Zeiten anbrechen, denn es verdichten sich die Hinweise, dass er während der Kampagne mit russischen Repräsentanten mit direkten Verbindungen zum Geheimdienst und auch in den Kreml zusammengearbeitet hat, und das ist natürlich ein Skandal, wie er noch nie dagewesen ist in der amerikanischen politischen Geschichte.
    May: Hält er vier Jahre durch tatsächlich, die volle Amtszeit?
    Werz: Im Moment sieht es so aus. Solange er sich der Unterstützung der republikanischen Partei gewiss sein kann, wird ihm wenig passieren. Es gibt immer noch 34 oder 35 Prozent der Amerikanerinnen und Amerikaner, die ihn unterstützen.
    May: Das ist ja auch total stabil, diese Beziehung. An denen prallt alles ab anscheinend.
    Werz: An denen prallt alles ab, die reden sich ein, dass die Medien versuchen, Trump aus dem Amt zu jagen, und glauben überhaupt nichts mehr. Und man weiß ja auch aus der europäischen Erfahrung, wer überhaupt nichts mehr glaubt, der glaubt dann auch alles, und jede Verschwörungstheorie, das Weiße Haus und auch die täglichen Pressekonferenzen sind zu einem Podium und einer Verstärkerinstitution dieser Verschwörungstheorien geworden. Und es ist in der Tat so, dass sich hier ein ganzer Teil der Bevölkerung abgemeldet hat aus rationalen politischen Diskussionen.
    May: Michael Werz war das, Politikwissenschaftler bei der Denkfabrik Center for American Progress in Washington. Herr Werz, vielen Dank für diese Informationen!
    Werz: Gerne, Herr May!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.