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Trumps journalistischer Zwilling
Der Journalist Sean Hannity

Sean Hannity gehört auf dem US-Fensehsender "Fox News" zu den quotenstärksten Moderatoren. Sein Mittel: die Verunglimpfung der politischen Gegner Donald Trumps und eine großzügige Auslegung von Fakten. Beim US-Präsidenten ist er deshalb sehr beliebt.

Von Brigitte Baetz | 07.09.2020
US President Donald Trump greets talk show host Sean Hannity at a Make America Great Again rally in Cape Girardeau, Missouri on November 5, 2018. (Photo by Jim WATSON / AFP)
US-Präsident Donald Trump soll fast täglich mit Sean Hannity telefonieren. (Jim WATSON / AFP)
"Welcome to this special edition of Fox Nation. I am Gregg Jarrett. My guest today: Sean Hannity." Freunde interviewen Freunde. Fox-News-Moderator Sean Hannity stellte sein neues Buch vor - beim Streaming-Anbieter Fox Nation, einer Art Netflix für Amerikaner, die ihre Nation für die beste der Welt halten.
"Frei leben oder sterben. Amerika und die Welt stehen am Abgrund" – so der Titel und der Tenor des Werkes. Die USA, so Hannity, laufen Gefahr, von Gerechtigkeitsfanatikern, einem korrupten Staatsapparat, der Wissenschaft und den so genannten Mainstreammedien zerstört zu werden. Um Geld für den Wahlkampf einzunehmen, vertreibt das Republican National Committee signierte Ausgaben für 75 Dollar das Stück. Es ist aus dem Stand in die Top Ten der Beststellerliste "Sachbuch" der "New York Times" eingestiegen.
Wir gegen die
"Democrats, they are terrified. Their candidate: We all know he is weak and feable. Their radical socialist platform ist he most extreme…," sagt Hannity.
Wir gegen die. Das amerikanische Volk, Fox News und Donald Trump gegen die Demokraten mit ihrem alten und schwachen Kandidaten, einer Partei, die im Kern von radikalen Sozialisten unterwandert ist. Sean Hannity verbreitet diese Botschaft nicht nur als einer der quotenstärksten Moderatoren im amerikanischen Kabelfernsehen.
Auch im Radio, seinem eigentlichen Medium, in dem er auf eine über dreißigjährige Berufslaufbahn zurückblicken kann, erreicht er jeden Wochentag mit einer dreistündigen Anrufsendung The Sean Hannity Radio Show ein Millionenpublikum landesweit. Er steht damit ganz in der Tradition des kontroversen Talkradios, dass mit der eindeutigen Positionierung des Moderators auf der politischen Linken oder Rechten Quote macht.
Parallelen zwischen Hannity und Trump
Marc Fisher, Reporter der Washington Post, sieht starke Parallelen zwischen der Karriere Hannitys und der Donald Trumps: "Sie befördern sich mit ihrer Art gegenseitig. Beide sind Populisten, aber von einer ganz besonderen Art. Sie sind nicht die gleiche Art von Reichen, wie man sie sonst im Fernsehen sieht. Sie sind auf ihre Weise weiter in Verbindung mit dem einfachen Mann."
Vorwürfe gegen Fox-News-Star
Nicht erst die Klagen ehemaliger Mitarbeiterinnen wegen sexueller Belästigung werfen ein schlechtes Licht auf Tucker Carlson: Seine Show, die auch US-Präsident Trump gerne zitiert, wurde lange inhaltlich von einem Rassisten geprägt.
Beide sind keine Intellektuellen, sie sprechen eine klare Sprache und sind kulinarisch wenig anspruchsvoll. Bei aller Radikalität, die die beiden zur Schau stellen: Mit jedem von ihnen könne sich der amerikanische Durchschnittsbürger vorstellen, abends in der Bar ein Bier zu trinken, meint Fisher. Beinahe täglich, so hat Olivia Nuzzi schon vor drei Jahren für das New York Magazine recherchiert, telefonieren Trump und Hannity miteinander:
"Hannity müsse nicht vom Präsidenten dazu gebracht werden, das zu tun, was er möchte", sagte Nuzzi im amerikanischen Radio NPR. Ihre Interessen seien die gleichen. Es sei sogar wirkliche eine Freundschaft, insoweit Donald Trump überhaupt wahrhafte Freundschaften pflegen könne. Beide seien besessen vom Mediengeschäft und vor allem von Zahlen, von Quoten.
Eher "Meinungsjournalist"
Doch wo bleibt bei dieser engen Verbindung die Unabhängigkeit der Berichterstattung? Sean Hannity selbst, inzwischen mehrfacher Millionär, bezeichnet sich gar nicht als Journalist. Er sei eher ein "Meinungsjournalist". Gleichwohl erreicht er mehr Menschen als seriöse Nachrichtenmacher. Ted Koppel, Altmeister der US-amerikanischen Newstradition, warnt seit Jahren davor, dass Leute wie Hannity den Fernsehjournalismus im Land zerstören. 2017 sprachen sie auf CBS miteinander.
Hannity: You think I am bad for America?
Koppel: Ya.
Hannity: You are cynical.
Koppel: Yes, I am cynical
Hannity, so Koppel, sei schlecht für das Land, weil er erfolgreich in dem sei, was er tue und weil er viele Menschen in ihrer Überzeugung stärke, dass Weltanschauung wichtiger sei als Fakten.
"You have attracted people who are determined that ideology is more important than facts."
Und zu diesen Menschen gehört auch der amerikanische Präsident. Kein Wunder, dass er Sean Hannity bei jeder sich ihm bietenden Gelegenheit lobt. Ob sich ihre symbiotische Beziehung allerdings auch langfristig auszahlt, wird sich unter anderem nach der Wahl im November zeigen.