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Tschechien
Zemans Blick nach Osten

In Tschechien wächst die Sorge vor einer außenpolitischen Kursänderung des Landes in Richtung Osten. Am Jahrestag der Samtenen Revolution gehen am 17. November in Prag deshalb zahlreiche Bürger gegen die russland- und chinafreundliche Politik des Präsidenten Zeman auf die Straße.

Von Stefan Heinlein | 17.11.2016
    Der tschechische Präsident Milos Zeman
    Präsident Milos Zeman ist ein scharfer Kritiker der Russland-Sanktionen mit engen Verbindungen nach Moskau und Peking. (picture alliance / dpa / Jan Koller)
    "Wo ist meine Heimat?" Die Nationalhymne zum Abschluss einer Kundgebung Ende Oktober in Prag. Mehr als 10.000 Menschen haben sich auf dem Altstädterring versammelt, um gegen Milos Zeman zu demonstrieren. Heute, am Jahrestag der Samtenen Revolution, soll der Protest lautstark fortgesetzt werden. Mit einem Internet-Appell fordern ehemalige Dissidenten, Intellektuelle und Künstler wie der Schauspieler Jiri Bartoska ihre Landsleute auf zum Widerstand gegen die Politik des Präsidenten:
    "Wir gehören nicht zu Russland oder China. Wir sind ein Teil von Europa und nicht der alten Barbarei. Wir müssen unsere Werte und den demokratischen Charakter unseres Landes verteidigen."
    Ein wachsender Teil der tschechischen Gesellschaft teilt diese Sorge. Seit Beginn der Ukraine-Krise verteidigt Milos Zeman die Politik des Kreml. Die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland ist längst überfällig, heißt es immer wieder von der Prager Burg.
    "Diese Außenpolitik dürfen wir nicht dulden"
    Regelmäßig reist der Präsident nach Moskau und zu Konferenzen kreml-freundlicher Oligarchen. Im Mittelpunkt seiner Politik steht auch der Ausbau der wirtschaftlichen Kontakte mit China. Eine gefährliche Entwicklung, warnt der Prager Bischof Vaclav Maly:
    "Unsere politischen Repräsentanten ziehen uns in Richtung Osten. Die Grundorientierung unserer Gesellschaft gerät damit in Gefahr. Diese Außenpolitik dürfen wir nicht dulden. Wir Bürger haben die Verantwortung, diese Kursänderung zu verhindern."
    Auf mehr als 30 Kundgebungen, Protestmärschen und Konzerten wollen die Kritiker von Milos Zeman deshalb heute Flagge zeigen. Ein Weckruf für die Zivilgesellschaft. Die Bildung eines autoritären Präsidialsystems nach russischem Vorbild müsse verhindert werden. In einer viel beachteten Rede fordert der ehemalige Dissident Petr Pithart seine Landsleute auf, die Werte der Samtenen Revolution dauerhaft zu verteidigen:
    "Wir bewegen uns schleichend rückwärts. Weg von der Europäischen Union. Weg vom Westen. Ich rufe Sie dazu auf, diesen Krebsgang in Richtung Osten entschlossen zu verhindern."
    Doch Milos Zeman zeigt sich bisher unbeeindruckt von den Protesten. Laut Umfragen unterstützt ihn eine Mehrheit der Bevölkerung vor allem auf dem Land. Seine scharfe Kritik der europäischen Flüchtlingspolitik und seine offene Islamfeindlichkeit kommen gut an bei seinen Wählern. Der Kurs weg von Brüssel in Richtung Osten, so der Journalist Petr Honzejk, sei wohl kalkuliert:
    "In Tschechien wächst die EU-Skepsis. Viele sind enttäuscht über die wirtschaftliche Entwicklung. Wenn Zeman nun Geschäfte mit Russland und China fördert, findet das viel Beifall. Milos Zeman kann damit politisch weiter punkten."
    Tatsächlich kann Milos Zeman derzeit mit seiner Wiederwahl in gut einem Jahr rechnen. Die Proteste in Prag wird der Präsident deshalb vollständig ignorieren. Den Jahrestag der Revolution verbringt Milos Zeman heute auf seinem Landsitz außerhalb der Hauptstadt.