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Tübingen
Erste Gebärmutter-Transplantation in Deutschland durchgeführt

Drei bis fünf Prozent aller Frauen können keine Kinder bekommen, weil ihre Gebärmutter nicht funktioniert oder ganz fehlt. Nun haben Ärzte in Tübingen mit Kollegen aus Göteborg erstmals in Deutschland einen Uterus verpflanzt. "Ein riskanter Eingriff" mit hohem Aufwand und Kosten, urteilte Wissenschaftsjournalistin Christine Westerhaus im DLF.

Christine Westerhaus im Gespräch mit Arndt Reuning | 24.10.2016
    Mats Brännström und sein Team bei der Transplantation einer Gebärmutter
    Das schwedische Team um Mats Brännström hat bereits einige Jahre Erfahrung mit der Operationsmethode und unterstützt die Tübinger Kollegen bei der Gebärmutter-Transplantation. (UNIVERSITY OF GOTHENBURG/EPA/Johan Wingborg/dpa picture alliance)
    Arndt Reuning: Was wurde bei der OP denn ganz genau gemacht?
    Christine Westerhaus: Das Tübinger Ärzteteam hat einer 23-jährigen Patientin das Organ einer lebenden Spenderin eingepflanzt. Das heißt, die Gebärmutter wurde einer Frau herausoperiert und der Empfängerin direkt danach eingepflanzt. Es war also eine so genannte Lebendspende.
    Reuning: Wo liegen dabei die Herausforderungen?
    Westerhaus: Die Gebärmutter ist ein stark durchblutetes Organ, das ja unter der Schwangerschaft ganz enorm wächst. Deshalb ist die große Frage, ob ein transplantierter Uterus einer solchen Belastung standhält. In Schweden ist das aber schon in mehreren Fällen gelungen. Dort hat ein Ärzteteam insgesamt neun Frauen die Gebärmutter einer lebenden Spenderin verpflanzt. Fünf der behandelten Frauen haben dann erfolgreich ein Baby zur Welt gebracht.
    Das Ganze ist aber ein riskanter Eingriff: nicht nur für die Empfängerin der Gebärmutter, sondern auch für die Spenderin. Es ist eine sehr lange Operation und es müssen zuführende Blutgefäße mit entnommen werden.
    Schwangerschaft für frühestens in einem Jahr geplant
    Reuning: Was ist bekannt über die Patientin?
    Westerhaus: Die Frau ist 23 Jahre alt und war aufgrund einer Fehlbildung ohne Uterus auf die Welt gekommen. Das betrifft übrigens etwa 10.000 Frauen in Deutschland, ist also gar nicht mal so selten.
    Diese Frau hat funktionierende Eierstöcke, sodass die Ärzte Eizellen entnehmen und befruchten können. Diese werden dann in die verpflanzte Gebärmutter eingesetzt.
    Das passiert allerdings erst frühestens in einem Jahr. So lange warten die Ärzte ab und schauen in dieser Zeit, ob die Gebärmutter gut anwächst und ob die Frau regelmäßig ihre Menstruation bekommt. Das ist für die Ärzte auch ein sicheres Zeichen, dass die Gebärmutter quasi funktioniert.
    "Alle Organe kamen von Frauen, die bereits in der Menopause waren"
    Reuning: Woher stammt die Gebärmutter?
    Westerhaus: Darüber hat die Uniklinik Tübingen bislang geschwiegen - aus Respekt vor der Patientin, wie es hieß. In Schweden haben die Ärzte hauptsächlich Organe verpflanzt, die von der Mutter der Patientin stammten. Es kam aber auch vor, dass eine Frau aus dem Freundeskreis der Patientin gespendet hat.
    Alle Organe kamen aber von Frauen, die bereits in der Menopause waren. Viele von ihnen sind schon mehr als 60 Jahre alt. Und das ist auch ganz erstaunlich, dass das Alter der Spenderin offenbar keine Rolle spielt.
    "Tübinger Forscher haben die Operation an Schafen geübt"
    Reuning: Wie lange wurde die Prozedur vorbereitet?
    Westerhaus: Die Schweden haben sich etwa 15 Jahre auf diesen Eingriff vorbereitet. Also wirklich minutiös. Sie haben an Tiermodellen geübt. An Schafen, später auch an Affen. Und erst, als das geklappt hat, haben sie erstmals einer Frau eine Gebärmutter transplantiert.
    Mats Brännström, der Leiter des schwedischen Ärzteteams, hat mir erzählt, dass auch die Tübinger Forscher in Göteborg waren und die Operation an Schafen geübt haben. Also auch die dortigen Ärzte haben sich offenbar mehrere Jahre gut vorbereitet.
    Risiko, Aufwand und Kosten sind weiterhin hoch
    Reuning: Dürfte das in Zukunft mal ein Routine-Eingriff werden?
    Westerhaus: Das ist im Moment noch die große Frage. Wenn man Mats Brännström fragt, ist er sich sicher, dass es in Schweden eine Standard Behandlung werden wird. Mein Eindruck ist aber eher, dass es zwar einzelne Erfolge gibt, dass der Aufwand aber insgesamt sehr groß ist. Es haben ja schon andere Ärzteteams erfolglos versucht, eine Gebärmutter zu transplantieren. Und auch bei den bisherigen Versuchen in Schweden ging ja nicht alles glatt.
    Das zeigt, wie aufwendig der Eingriff ist. Ganz zu schweigen von den Kosten, die ungefähr bei 100.000 Euro liegen sollen. Und da wäre auch die Frage, wer das übernehmen soll. Also es ist derzeit wirklich fraglich, ob das ein Routine-Eingriff werden wird.