Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Türkei
Erdogan droht mit Online-Verboten

Korruptionsvorwürfe setzen den türkischen Ministerpräsidenten seit Wochen unter Druck. Nun droht er: Soziale Netzwerke wie Facebook und YouTube könnten schon sehr bald gesperrt werden. Der Staatspräsident dagegen erteilt dem Plan eine Absage.

07.03.2014
    Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan steht am Rednerpult im Parlament in Ankara.
    Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan droht damit, Facebook und Youtube zu sperren. (dpa picture alliance / Cem Ozdel)
    Der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan gerät wegen der Korruptionsaffäre der türkischen Führung zunehmend unter Druck. Weil immer wieder neue Mitschnitte sensibler Telefonate im Internet auftauchen, will Erdogan Portale wie YouTube oder Facebook notfalls verbieten, da sie durch seine politischen Feinde missbraucht würden.
    "Wir sind entschlossen in dieser Frage", sagte er in einem Interview mit dem Fernsehsender ATV. "Wir werden dieses Land nicht auf Gedeih und Verderb YouTube und Facebook ausliefern." Entsprechende Konsequenzen soll es laut Erdogan nach den Kommunalwahlen Ende des Monats geben. "Wir werden die notwendigen Schritte mit aller Strenge unternehmen."
    Staatspräsident Abdullah Gül widersprach den Plänen umgehend. "Plattformen wie YouTube und Facebook werden auf der ganzen Welt benutzt, es kommt nicht infrage, dass sie gesperrt werden", sagte er nach Angaben der Nachrichtenagentur Anadolu. Nur im Falle von illegalen Inhalten oder der Verletzung von Persönlichkeitsrechten könnten Internetseiten mit Gerichtsbeschluss blockiert werden.
    "Erdogan: noch ein lupenreiner Demokrat"
    Trotz internationaler Kritik war Mitte Februar ein Gesetz in der Türkei in Kraft getreten, das der Regierung eine schärfere Kontrolle des Internets ermöglicht: Die Telekommunikationsbehörde kann Internetseiten demnach ohne vorherige richterliche Genehmigung sperren lassen.
    Auf der Facebook-Seite des Deutschlandfunks löste die Ankündigung Erdogans Kritik aus. "Da schaufelt sich aber einer eifrig sein eigenes Grab", schreibt eine Nutzerin. Andere kommentieren ironisch: "Erdogan: noch ein lupenreiner Demokrat", "ein wichtiger Schritt in Richtung EU-Beitritt!" oder "Diktatur wie im Iran oder in Venezuela. Und so wollen sie in Europa reinkommen."
    Brisante Telefonmitschnitte auf YouTube
    Auf der Videoplattform YouTube, die zum US-Internetkonzern Google gehört, waren zuletzt angebliche Mitschnitte von Telefonaten Erdogans aufgetaucht. In einem von ihnen ruft er seinen Sohn auf, große Geldsummen zu verstecken. Die Echtheit dieses Telefongesprächs bestreitet der türkische Regierungschef, er spricht von Fälschungen, die Teil einer Kampagne seien, um seine Regierung zu stürzen.
    Die Echtheit zweier anderer Gespräche bestätigte Erdogan dagegen, darunter eines, in dem er sich in die Auftragsvergabe für ein Kriegsschiff einmischte. Die Korruptionsvorwürfe waren erstmals im Dezember laut geworden, Vertraute Erdogans wurden festgenommen. Mehrere türkische Minister mussten daraufhin zurücktreten.