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Türkei
Parlament stimmt für schärfere Internet-Kontrolle

Die türkische Regierung spricht von einem besseren Schutz von Persönlichkeitsrechten, die Opposition dagegen von Zensur. Das türkische Parlament hat einem umstrittenen Gesetz zugestimmt, das unter anderem das Sperren von Internetseiten leichter macht.

06.02.2014
    Die Entscheidung über das neue Internet-Gesetz in Ankara fiel erst nach einer mehrstündigen Debatte. Am Ende setzten sich die Abgeordneten der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan durch. Jetzt wird das Gesetz Staatspräsident Abdullah Gül zur Unterzeichnung vorgelegt.
    Provider müssen Daten über zwei Jahre speichern
    Es sieht vor, dass die Telekommunikationsbehörde Webseiten in Zukunft auch ohne richterlichen Beschluss sperren kann. Außerdem müssen Provider Nutzerdaten über zwei Jahre speichern und an die Behörden übergeben, wenn diese danach fragen.
    Das Blockieren von Internetseiten war in den vergangenen Jahren in der Türkei keine Seltenheit. Betroffen waren unter anderem die Blog-Plattform von Wordpress und mehrere Video-Portale.
    Ein AKP-Politiker verteidigte das neue Gesetz als Maßnahme zum Schutz von Familien, Kindern und Jugendlichen. So sollten Inhalte, die "Drogenkonsum, sexuellen Missbrauch und Selbstmord befördern", blockiert werden. Vizeregierungschef Bülent Arinc erklärte zudem, es handele sich nicht um eine Zensur des Internets. "Wir sind freier als viele andere Länder und haben Pressefreiheit", so Arinc.
    Oppositionspolitiker sehen in den neuen Regelungen eine Ausweitung der Macht der Regierung. Altan Tan von der prokurdischen Partei für Frieden und Demokratie sprach von einer Einschränkung der Freiheit. Ein Abgeordneter der Oppositionspartei CHP warf der Regierung von Ministerpräsident Erdogan Faschismus vor.
    Nutzer wissen nicht, was mit ihren Daten passiert
    Auch international gibt es Kritik. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) warnte davor, dass türkische Behörden nun "ohne jegliche rechtliche Beschränkung" Daten sammeln können, ohne dass Nutzer wüssten, "wann und wie" dies geschehe. Weil Verbindungsdaten in Zukunft über zwei Jahre gespeichert werden müssten, würden die betroffenen Firmen zudem stark belastet.
    Das neue Internet-Gesetz fällt in eine für die Regierung schwierige Zeit. Regierungschef Erdogan steht seit Monaten wegen einer Korruptionsaffäre unter Druck, in die auch mehrere Regierungspolitiker verwickelt sein sollen. Erdogan hält die Vorwürfe für eine Verschwörung und hatte Hunderte Polizisten und einige Staatsanwälte, die mit den Ermittlungen befasst waren, versetzen lassen.