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Turbo für die Lebensmittelkontrolle

Mikrobiologie. - Drei Tage dauert es, bis feststeht, ob ein verdächtiger Geflügelsalat oder ein suspektes Speiseeis Salmonellen enthält. Schneller geht es nicht, denn für einen zuverlässigen Nachweis müssen die Bakterien erst einmal in einer Kultur vermehrt werden. Daher laufen Forschungen, die Kulturen durch Schnelltests zu ersetzen.

Von Hellmuth Nordwig | 09.05.2008
    Kontrolleure wollen möglichst sofort wissen, ob ein Lebensmittel gefährliche Keime enthält. Ganz so schnell geht es noch nicht, aber schon bald soll ein solcher Nachweis in wenigen Stunden möglich sein. Am Institut für Bioprozess- und Analysenmesstechnik im thüringischen Heiligenstadt arbeitet Karen Lemke an diesem Verfahren. Wie in herkömmlichen Tests wird die Probe zunächst zerkleinert und mit Flüssigkeit vermengt. In dieser Brühe schwimmen dann die Erreger herum. Diese kann Karen Lemke direkt herausfischen, sie braucht sie also nicht in einer Kultur zu vermehren. Das Werkzeug der Forscherin sind winzigste magnetische Kügelchen.

    "Diese magnetischen Partikel sind so modifiziert, dass sie gezielt immer einen Mikroorganismus erkennen können. Zum Beispiel Salmonella. Sie müssen sich das so vorstellen: Wenn ich diesen Verderbniserreger herausgelöst habe, gebe ich diese Magnetpartikel dazu, die den Erreger da raus holen. Dann gehe ich mit einem Magneten heran, so dass ich die Erreger an einer Oberfläche erst einmal binde."

    Gemeinsam mit Wissenschaftlern von der TU Dresden hat Karen Lemke eine Methode entwickelt, mit der sie die Magnetpartikel quasi auf einen bestimmten Erreger hin zuschneidet. Das gelingt den Forschern mit Hilfe kleiner Eiweiß- oder Nukleinsäurestückchen. Diese so genannten Aptamere haben eine flexible räumliche Struktur: Jedes von ihnen kann sich an die Oberfläche eines bestimmten Erregers anschmiegen und ihn festhalten. Und nur dann leuchten die Teilchen in fluoreszierendem Licht auf. Das Ganze dauert nur wenige Stunden. Die Lebensmittelindustrie hat für ihre internen Qualitätskontrollen bereits Interesse an dem Verfahren angemeldet. Noch im Laufe dieses Jahres soll ein Prototyp fertig sein. Schon etwas weiter ist eine andere Methode, die eine Firma aus München entwickelt: Salmonellen und einige andere gefährliche Keime können die Forscher dort bereits in weniger als einer Stunde nachweisen, allerdings erst im Labor und noch nicht vor Ort, sagt Alan Douglas von der Firma Plasmonic Biosensor. Douglas:

    "Unser Ziel ist es, Systeme in Veterinärlabors zu etablieren, wo am lebenden Tier geprüft wird, damit das Tier nicht erst geschlachtet wird und Tage später festgestellt wird, dass es eine infektiöse Krankheit hatte."

    Dazu genügt eine Blutprobe des Tiers. Die Bakterien im Blut werden mit einer Immunreaktion, also mit Antikörpern nachgewiesen. Ein solcher Test ist sehr empfindlich, aber er dauert normalerweise einige Stunden. Immer noch zu lang, fanden Forscher von der Universität Marburg. Sie haben in Zusammenarbeit mit der Münchner Firma die Antikörper an eine Goldoberfläche geheftet. Douglas:

    "Das ermöglicht es, die einzelnen Partikel, die Erreger an der Oberfläche einzufangen. Wenn ein Partikel gefangen ist, gibt es eine Gewichtsveränderung an der Oberfläche. Dies können wir nachweisen durch Abscannen der Goldoberfläche mit einem Laser. Diese Technik heißt Oberflächen-Plasmonresonanz. Das ist ein bekannter physikalischer Effekt in einer sehr dünnen Goldschicht."

    So kommen die Forscher dem Ziel der Lebensmittelüberwachung sehr nahe. Der Nachweis gelingt fast augenblicklich. Und weil es viele unterschiedliche Antikörper gibt, lässt sich auch sofort bestimmen, welcher Keim vorliegt. Das Verfahren funktioniert auch mit Fleischsaft, Milch und sogar mit dem Waschwasser von Salat. Es hat aber einen Nachteil: den Preis. Nicht nur Gold und Antikörper sind teuer. Das Analysegerät selbst kostet weitere 95.000 Euro. Und einen Haken haben beide neuen Verfahren: So empfindlich wie eine Bakterienkultur sind sie bisher nicht. Doch ihre Stärke liegt darin, dass Salmonellen & Co. viel schneller nachgewiesen werden.