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Turbulenter Schlussakt

Silvio Berlusconi wird dieser Tage mit Gerhard Schröder und Bill Clinton verglichen: Alle drei seien am besten, wenn sie mit dem Rücken zur Wand stehen, heißt es. Ob Berlusconi es schafft, nach den Parlamentswahlen am Sonntag und Montag Ministerpräsident zu bleiben, ist völlig offen. Welche Stilblüten der Wahlkampf kurz vor dem Finale treibt, fasst Karl Hoffmann zusammen.

    Italiens Wahlkampf gleicht einer Verdi-Oper, die dem Schlussakt entgegengeht. Immer dramatischer werden die Appelle, immer stürmischer die Leidenschaften und immer lauter die hohen Töne. Es vergeht kein Tag ,an dem nicht ein neuer Theatercoup gelandet wird und das Publikum hin- und hergerissen ist zwischen den nicht mehr gerade jugendlichen Helden, die um die Gunst Italias buhlen; Millionen von Wähler, die am kommenden Sonntag über die Geschicke des Landes für die nächsten fünf Jahre entscheiden sollen, all die Unentschiedenen, die nach den letzten Prognosen immerhin fast ein Fünftel der Wählerschaft ausmachen und die das Zünglein an der Waage darstellen.

    Die Woche begann stürmisch: Montag Fernsehduell zwischen Silvio Berlusconi und Romano Prodi, Berlusconi kündigt überraschend die Abschaffung der Haus- und Grundsteuern an, Empörung bei seinen Gegnern. Dienstag: Berlusconi erklärt alle, die gegen ihre eigenen Interessen wählen – also im Wesentlichen die Linken – für coglioni, was man im höflichsten Sinne mit Schwachköpfe übersetzen kann. Wieder jault die Opposition, Berlusconis Stellevertreter Gianfranco Fini versucht, die Gemüter zu beruhigen:

    "Das kann schon mal vorkommen, dass einem die Kupplung schleift. Vor lauter Begeisterung hat sich Berlusconi da hinreißen lassen und gemeint, wer nicht ihn wählt, der ist halt nicht ganz gescheit. Im Übrigen hat ja auch Romano Prodi schon mal jemanden für verrückt erklärt, der sein Regierungsprogramm kritisierte, Schwamm drüber."

    Kurze Verschnaufpause also, bevor das nächste Drama anhebt: Berlusconi hatte gestern bekannt gegeben, er wolle vor den eigenen Fernsehkameras noch einmal abendfüllend auftreten, und zwar alleine, nachdem sein Gegenspieler Prodi ein neuerliches Duell auf offener Bühne abgelehnt hatte. Heult die Linke auf und verlangt die Absetzung des Programms, Berlusconi lenkt ein, auch er verzichtet - nicht aus Mitleid mit dem Gegner sondern angesichts der letzten Einschaltquoten. Das italienische Publikum ist derart überfüttert, dass inzwischen Millionen die Kiste abschalten, sobald ein Politiker ins Bild kommt. Die Scharmützel zwischen den Kontrahenten vergraulen die Wähler, statt sie zu gewinnen. Also werden stattdessen mit viel Getöse die letzten Werbespots verpulvert: Unsere Geschichte, erklären die italienischen Kommunisten, gehört zum Besten was Italien zu bieten hat. Und Berlusconi hält dagegen: Meine besten Wünsche für jeden von Euch. Mögen sich alle Wünsche erfüllen, die ihr in den Köpfen und im Herzen habt.

    Steuern, Haushalt, Kommunismus, Staatsschulden Beleidigungen und Beschimpfungen markieren den wenig glanzvollen Höhepunkt der wohl größten Redeschlacht der italienischen Geschichte. Nach den letzten Umfragen liegt die Koalition der Berlusconi-Gegner mit der Nase vorne. Die Nase halten sich viele Italiener zu, wenn sie nach ihren Wahlabsichten gefragt werden. Das zwischen Daumen und Zeigefinger geklemmte Geruchsorgan bedeutet: Auch von der Opposition ist man alles andere als begeistert, aber immer noch besser als noch mal fünf Jahre Berlusconi. Andere betrachten das finale furioso mit enttäuschter Gelassenheit:

    "Mit den Wahlen wird sich nichts ändern, glauben sie mir. Ich sage das, obwohl ich mein Land wirklich liebe - ein Liebe die immer wieder enttäuscht wird, aber gerade deshalb hält man so unglaublich an ihnen fest. Wird eine Liebe erwidert, dann ist es oft schnell mit ihr vorbei."