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Tux in der Amtsstube

Eines der größten Linux-Projekte weltweit nimmt in Bayern Gestalt an: In München sattelt die Stadtverwaltung um von Windows auf die freie Alternative Linux. Anfängliche Skepsis weicht dabei allmählich positiver Überraschung.

Von Achim Killer |
    "Wir haben hier den Desktop des Basis-Clients. Und als erstes sehen Sie das E-Mail-Programm Thunderbird, den Firefox als Browser, unseren internen Kalender und Konquerer, das im Endeffekt der Explorer ist unter Windows."

    Andreas Harpf von der Stabsstelle des Münchner Linux-Projekts präsentiert den Basis-Client, also die Software-Grundausrüstung, mit der schrittweise 11.000 von 14.000 PCs in Münchner Amtsstuben ausgestattet werden sollen: im Wesentlichen ein Debian-Linux, die KDE-Benutzeroberfläche und Open Office:

    "Also wir haben jetzt seit anderthalb Monaten den Basis-Client fertig, der nach der Pilotversion so getestet ist, dass wir ihn in den Referaten einsetzen können. Und es wurden jetzt in drei verschiedenen Referaten 170 Arbeitsplatzrechner umgestellt."

    Schwieriger als ein Paket aus Betriebssystem und Standard-Software durch ein anderes zu ersetzen, ist naturgemäß die Umstellungen bei den Spezialanwendungen. Aber auch die ist in München bereits angelaufen. Die Stadt nutzt die ganze Palette an Möglichkeiten, die es in dem Bereich gibt. Sie drängt Software-Häuser dazu, auch Linux-Versionen ihrer Programme anzubieten, sie ersetzt Windows-Anwendungen durch bereits existierende Linux-Programme mit vergleichbarer Funktionalität. Individual-Software passt die eigene IT-Abteilung oder ein damit beauftragtes Dienstleistungsunternehmen an. Und wenn ein Programm gar zu sehr an Windows klebt, dann wird das Microsoft-Betriebssystem mit "Wine" unter Linux emuliert oder es wird auf einen Server gelegt und die Linux-Clients greifen darauf über einen Terminal-Server zu. Und teilweise werden auch völlig neue Anwendungen im Rahmen der Linux-Umstellung entwickelt. "Wollmux" nennt sich eines:

    "Wollmux, das ist unseren Technikern eingefallen, kommt von dem Begriff "Eier legende Wollmilchsau". Und drum haben wir ihn Wollmux genannt, also praktisch den Teil von Woll und Mux ist ja das Markenzeichen von Linux, der Pinguin. Der heißt normaler Weise Tux. Bei uns heißt er Mux von Landeshauptstadt München."

    So Maximilian Sarfa vom Linux-Projekt. Und tatsächlich, der Wollmux dürfte in Münchner Amtsstuben wohl so manches Herz höher schlagen lassen, handelt es sich bei ihm doch eine referatsübergreifende Sammelstelle für Formulare, Formbriefe und Standardformulierungen:

    "Also der Wollmux ist eigentlich so eine städtische Vorlagenverwaltung. Es ist ja so, dass die ganze Stadt Vorlagen verwendet und die eigentlich nie richtig gesammelt waren, sondern jeder Bereich hat seine Vorlagen gehabt. Und der Wollmux sammelt halt die ganzen Vorlagen und stellt sie den Leuten zu Verfügung."

    Beim Münchner Linux-Projekt geht es um die Arbeitsplatzrechner. Die Rechenzentren der Stadt, also deren Server, arbeiten bereits weitgehend mit dem Open-Source-Betriebssystem. Die städtischen Bediensteten bekommen im Rahmen der Umstellung meist mehr Funktionalität auf ihre PCs. Denn Powerpoint beispielsweise kostet ja Geld. Die Präsentationssoftware in Open-Office hingegen ist gratis. 80 Prozent der Arbeitsplatzrechner sollen bis Ende 2009 umgestellt werden. Außen vor bleiben vor allem PCs mit CAD-Programmen, die nicht durch Linux-Software ersetzt werden können. Diese Grafik-Workstations werden künftig aber nicht die Funktion von regulären Arbeitsplatzrechnern übernehmen. Das traurige Schicksal, dass das Linux-Projekt für sie vorsieht, zeigt sich vielmehr in Amtsstuben, die bereits umgestellt sind:

    "Da steht dann eben dieser Windows-Rechner mit der Tastatur zum Beispiel auf dem Fensterbrett. Oder man muss halt sich bewegen und in einen anderen Raum gehen. Dieser Rechner wird dann halt von mehreren benutzt."

    35 Millionen Euro lässt sich die bayerische Landeshauptstadt den Umstieg kosten. Den größten Posten bilden dabei die Aufwendungen für die Anwenderschulungen. Mittlerweile zeichnet sich ab, dass zumindest das Budget dafür nicht ausgeschöpft zu werden braucht.

    "Also wir haben in der Feinkonzeptphase die Schulungen auf 2,5 Tage im Durchschnitt angelegt gehabt. Und haben jetzt aus unseren Erfahrungen gemerkt, dass wir diesen Durchschnitt auf 1,5 Tage runtersetzen können."

    Und langfristig dürfte die Stadt natürlich erheblich sparen, da es bei Open-Source-Software sehr viel weniger Release-Wechsel gibt und weil Lizenzkosten wegfallen.