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TV-Serie "Masters of Sex"
Sehenswerte Sexualforschung

William Masters und Virginia Johnson waren mit ihrer bahnbrechenden Forschung in den prüden 50er-Jahren maßgeblich an der sexuellen Revolution beteiligt. Basierend auf ihrem Leben und ihrer Arbeit hat der US-Kabelsender Showtime die Serie "Masters of Sex" entwickelt. Kritiker sind begeistert.

Von Hendrik Efert | 30.01.2014
    "Der Mann, den wir heute Abend ehren wollen, ist ein Visionär, im wahrsten Sinne des Wortes. Dank seiner stetigen Innovationen in der Geburtshilfe wurde er schnell zu einer Koryphäe auf diesem Gebiet. Ladies and Gentlemen, Doktor William Masters!"
    Wir befinden uns in St. Louis im US-Bundesstaat Missouri, inmitten der prüden 50er-Jahre. William Masters ist ein angesehener Gynäkologe am hiesigen Universitätsklinikum, und es gab ihn wirklich: geboren 1915, gestorben ist er 2001. Sozialverhalten war seine Stärke nicht:
    "Ich bin, äh, ein Mann der Wissenschaft, deshalb überlasse ich meinem Freund Provost Scully heute Abend gerne das Reden. Bedauerlicherweise muss ich jetzt gehen. Es tut mir leid, aber die Arbeit ruft."
    "Selbst Bill Masters hat noch nicht das Baby erfunden, das garantiert während der normalen Geschäftszeiten zur Welt kommt!"
    Das, wofür Masters geschätzt und geehrt wird, interessiert ihn schon längst nicht mehr. Ihm geht es um Sex. Genauer gesagt, um das Verhalten des Körpers beim Sex. Das gefällt wiederum seiner Universität so gar nicht, und auch nicht der Mehrheit der damaligen Gesellschaft. Der US-Pay-TV-Kanal Showtime hat seine grundlegenden Arbeiten auf dem Gebiet der Sexualforschung nun in eine Serie gegossen: "Masters of Sex". Genauer gesagt seine und die Arbeit seiner späteren Frau Virginia Johnson. In ihrem Labor studieren sie im Laufe der Jahre insgesamt mehrere Hundert Probanden beim Masturbieren oder beim gemeinsamen Sex.
    Johnson: "Sobald ihr soweit seid, werde ich die Kabel befestigen."
    Probandin: "Während wir da liegen? Nackig?"
    Proband: "Hallo, freut mich sehr. Ich bin äh anonym."
    Probandin: "Welch’ Zufall, ich habe den gleichen Namen wie Sie!"
    Johnson: "Es gibt im Grunde keine Regeln, was Ihr tun könnt und was nicht. Ihr müsst eigentlich nur die vier Phasen durchlaufen, damit wir die Reaktionen beobachten können."
    Perfekt für eine epische Fernsehserie
    Der Stoff basiert auf wahren Begebenheiten und bietet sich perfekt an für eine epische Fernsehserie - und das in vielerlei Hinsicht: Die vier Phasen des sexuellen Reaktionszyklus, eines der grundlegenden Forschungsergebnisse von Masters und Johnson, bilden eine wunderbare Dramaturgie – für jede Folge, für jede Staffel, und, ja, sogar für die ganze Serie:
    Johnson: "Zuerst kommt die Erregungsphase."
    Proband: "Das geht schon mal ganz gut. He he he."
    Johnson: "Dann die Plateauphase. Das ist in der Regel der Geschlechtsverkehr. Kann aber auch mehr Vorspiel bedeuten. Dann der Orgasmus. Was das ist, ist wohl allen Beteiligten bekannt. Und zum Schluss die Rückbildungsphase."
    Dieses Schema ist auch die Basis dafür, wie die Beziehung zwischen William Masters und Virginia Johnson dargestellt wird - er verheiratet, sie zweimal geschieden:
    Masters: "Wir sollten die Versuche miteinander durchführen. Ich habe sorgfältig darüber nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass dies der beste Weg ist, die Langlebigkeit des Projekts zu garantieren.
    Johnson: "Darf ich übers Wochenende darüber nachdenken?"
    Masters: "Natürlich."
    Natürlich entsteht daraus eine komplizierte Liebesbeziehung. Die strikte Trennung zwischen Sex und Liebe, Körper und Geist, Wissenschaft und Leben funktioniert nicht. Schwierig für die beiden - perfekt fürs Fernsehen. Nicht nur der Sex zwischen Masters und Johnson, sondern auch der zwischen anderen Probanden wird explizit gezeigt - an nackter, erregter Haut mangelt es der Serie nicht. Showtime präsentiert ein sexualisiertes Thema, ohne sich der Flachheit hinzugeben: Gezeigt wird relevanter Inhalt, akademisch wie politisch.
    "Masters of Sex" ist wohl der langersehnte Neuzugang in der Hall of Fame der besten amerikanischen Dramaserien aller Zeiten: Die Serie ist toll erzählt, wunderbar ausgestattet und die Schauspieler allesamt genial, allen voran Michael Sheen als William Masters und Lizzy Caplan als Virginia Johnson. Doch nicht nur das: Erfinderin und Produzentin der Serie Michelle Ashford hat aus der zugrunde liegenden Buchvorlage ein Ensemble-Drama gestrickt, das eben auch von anderen Charakteren erzählt. Dadurch ist schon innerhalb der ersten Staffel ein eigenes Universum entstanden und so auch ein Bildnis der Zeit.
    "Das ist eine Studie über Sex. Über Dinge, die man immer schon vermutet hat, die aber nie wissenschaftlich bewiesen wurden. Bahnbrechend."