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Tyson Fury
Absturz eines Boxweltmeisters

Als Tyson Fury im vergangenen November Box-Weltmeister im Schwergewicht wurde, schien er am Ziel seiner Träume. Mit 28 Jahren stand ihm eine große Zukunft bevor. Technisch zwar kein Ali, kein Klitschko, aber ein Kämpfer voller Leidenschaft und vor allem: ein Typ. Einer, der dem Boxen in den letzten Jahren gefehlt hatte. Jetzt scheint der Brite tatsächlich vor dem Karriereende zu stehen.

05.10.2016
    Eine Szene aus dem Kampf zwischen Tyson Fury (links) und Wladimir Klitschko am 28.11.15 in Düsseldorf; Fury wird neuer Weltmeister im Schwergewicht
    Tyson Fury (links) und Wladimir Klitschko (AFP / PATRIK STOLLARZ)
    Kalkül oder wirklich durchgeknallt? Da konnte man sich bei Tyson Fury nie so richtig sicher sein. Mal haut der britische Schwergewichts-Weltmeister homophobe Äußerungen raus, mal ist er sexistisch, mal antisemitisch. Seine Gegner beleidigt er sowieso. So wie seinen Lieblingsfeind, Wladimir Klitschko, den er im vergangenen Herbst durch einen Punktsieg entthront hatte:
    "Ich hasse Wladimir Klitschko dafür, was der dem deutschen Volk angetan hat. Er langweilt euch seit 15 Jahren. Deswegen. Kommt schon, ihr wollt doch klatschen… Glaubt, was der Champ sagt. Die Leute in Deutschland sind doch müde. Die wollen ein neues Gesicht, die wollen jemanden, der geradeaus ist, kontrovers und farbenfroh!"
    Klingt also nach Kalkül, was Fury da auf der Pressekonferenz im April von sich gab. Damals noch im Glauben, der Rückkampf gegen Klitschko würde im Sommer stattfinden. Der wurde aber kurzfristig wegen einer angeblichen Knöchelverletzung des Briten abgesagt. Später kam jedoch heraus, dass Fury wegen Dopings vorläufig gesperrt war.
    Was nicht überraschend ist. Aus seiner Sympathie für Dopingmittel hatte er nie ein Hehl gemacht, forderte sogar deren Legalisierung. Nach einem neuerlichen positiven Befund, diesmal auf Kokain, Ende September kam es jetzt zur Eskalation: Erst ein Post von einem Kokainfoto, dann ein Tweet, in dem er seinen Rücktritt ankündigt: "Boxen ist das Traurigste, was ich je gemacht habe", schrieb er da "Ich bin der Größte, und ich bin im Ruhestand". Die Pöbeleien, die folgten, verschweigen wir hier. Und er hasse Boxen inzwischen. Immer noch Kalkül, hätte man meinen können, schließlich hatte er schon öfter sein Karriereende verkündet. Drei Stunden dauerte es diesmal bis zum Dementi, wieder über Twitter: "Hahaha. Ihr denkt, ihr werdet mich so schnell los? Ich bleibe".
    Doch diesmal ist die Situation ernster: Der 28-Jährige hat in einem jetzt veröffentlichten Interview mit dem Magazin Rolling Stone eingeräumt, er habe in den vergangenen Monaten täglich Alkohol getrunken und jede Menge Kokain geschnupft. Er habe seit Mai nicht mehr trainiert, sei manisch depressiv, und er hoffe nur, dass ihn jemand töte, bevor er sich selbst töte. Box-Kollege Billy Joe Saunders hat noch am Dienstag mit Fury gesprochen und bestätigte gegenüber dem Box-Portal Fighthype.com sichtlich besorgt seine Eindrücke:
    "Er ist mental in einer sehr, sehr schlechten Verfassung. Ich habe ihn noch nie so am Boden gesehen in seinem gesamten Leben. Die Öffentlichkeit, die Medien sollten sich mal ein wenig zurückhalten. Er wird die Hilfe bekommen, die er braucht."
    Im Interview mit dem Rolling Stone schildert Tyson Fury immerhin, dass er seit einigen Tagen nüchtern sei. Alkohol und Drogen seien für ihn die einzige Möglichkeit gewesen, mit seinen psychischen Problemen klarzukommen.