Unter der hölzernen Fußgängerbrücke rauscht die Ringbahn im Minutentakt vorbei. Von hier aus kann man sie schon erahnen - zwischen den herbstlich leuchtenden Baumspitzen des Volksparks Humboldthain – die berüchtigte Nordwand des "Bunkers". Wir sind im Berliner Ortsteil Gesundbrunnen. Hier wurden die Reste eines ehemaligen Flakturms als Kletteranlage erhalten.
Jasper Heilmann und Yoshua Horn stehen am Fuße der imposanten 15 Meter hohen Nordwand des Humboldtbunkers und bereiten ihre erste Route des Tages vor. Während Yoshua das Seil auf Knoten untersucht, bindet Jasper sich ins Seil ein:
"Wir machen jetzt den Reinhard-Karl-Gedächtnisweg, den machen wir immer so zum Aufwärmen weil wir ihn auswendig kennen, und dann passieren keine Überraschungen."
Die Route, die Jasper Heilmann gewählt hat, ist eine von rund 70 Routen am Bunker und mit dem Schwierigkeitsgrad 7- ausgewiesen. Laut der offiziellen Bewertungsskala der UIAA, einer Vereinigung internationaler Alpinistenverbände, beginnt in diesem Grad "außergewöhnlich schweres Klettern", zur Zeit endet die Skala bei 12- und die besten Kletterer der Welt schaffen es bis in den oberen 11. Schwierigkeitsgrad. Von unten aus gesehen, ist die Bunkerwand glatt – aber Jasper arbeitet sich in wenigen Minuten an in Beton geschlagenen Löchern, Leisten oder Kanten hoch.
Manche der Griffe sind Fingerlöcher, einst Einschusslöcher aus Kriegszeiten, an einigen Kanten kann man noch erkennen, dass hier vielleicht mal eine Tür gewesen sein muss. Die glatte Wand ist zudem mit Spritzbeton überzogen, der Struktur schafft. Dank einer genauen Beschreibung im Berliner Kletterführer "Dickes B" wissen Kletterer, die hierher kommen ganz genau, wie eine Route verläuft, wo die Crux, also die schwierigste Stelle liegt, oder wo sich Bohrhaken für das Anbringen der Zwischensicherungen befinden. In den ersten Tagen des Bunkerkletterns war das nicht so, bestätigt Georg Seifarth, der für die Berliner Sektion des Alpenvereins als Anlagenwart für den Humboldtbunker verantwortlich ist:
"Der wurde in den 80er Jahren entdeckt und sah damals noch anders aus. Da hingen überall Armierungseisen herum und es war eher das, was man heute Abenteuerkletterei bezeichnen würde. Recht gefährlich und auch verboten, übrigens. Das Klettern an der Anlage war verboten in den frühen Tagen der Sportkletterei hier in Berlin und dann wurden Wege erstbegangen von ziemlich guten, schwer kletternden Berlinern und eigentlich erst mit Beginn der 90er Jahre wurde es legalisiert und es gab Verträge und letztendlich ist daraus eine der imposantesten Sportkletteranlagen im Norden entstanden."
Dass die Nordwand des Bunkers so erhalten geblieben und noch immer zugänglich ist, hat sie dem Zufall zu verdanken. Ganz konnte der Flakturm nach dem Krieg nicht gesprengt werden, und ganz mit Trümmern überschütten – wie den Rest der Bunkeranlage – konnte man den nördlichen Teil auch nicht, da die Bahnschienen in unmittelbarer Nähe verlaufen. Es ist nicht nur ein außergewöhnlicher Ort zum Klettern, sondern auch außergewöhnlich schwer, so Georg Seifarth:
"Die leichtesten Routen am Bunker liegen im oberen 6. Grad und sind sehr gewöhnungsbedürftig. Sie sind wahrscheinlich relativ gesehen sogar schwerer als die schwereren Routen am Bunker, weil die sehr speziell sind. Die großen Griffe sind alles Sloper - sehr rutschiger, polierter Beton. Sloper sind Aufliegergriffe, die man eigentlich nur durch das Auflegen der Finger belasten kann - das heißt, nichts wirklich zum festhalten. Die schwereren Routen am Bunker sind kleingriffig, mit kleinen Leisten und verlangen vor allem eine sehr, sehr gute Fußtechnik. Das ist das, was den Bunker ausmacht und das ist auch das, was die Leute, die dort oft klettern, dementsprechend lernen."
An diesem Tag am Bunker klettern auch Bernd Roppel und Christoph Willumeit hier. Sie wärmen sich an der ältesten und klassischen Route, dem "Normalweg" im 6. Grad auf – Christoph steigt zügig vor, während Bernd sichert:
"Wenn du einmal die Woche hier bist oder zwei mal, dann musst du dir jede Route erarbeiten oder du kriegst was gesagt, da ist ein Griff, da ein Tritt, dreh dich mal so ein, und wenn man es dann weiß, wird es relativ einfach, aber für viele, die neu hier herkommen, die finden es sehr schwer."
Technisch besser werden ist ein Grund, zum Bunker zu kommen. Für viele bietet Beton auch ein Gefühl von echtem Fels. Dieses Gefühl vermitteln auch andere, vom Alpenverein verwaltete künstliche Kletteranlagen. Da gibt es zum Beispiel die zwölf Meter hoche Kirchbachspitze in Schöneberg, oder den Wuhletal-Wächter in Marzahn.
"…und die erste künstliche Kletteranlage, also den ersten künstlichen Kletterturm mit Beton gebaut - überhaupt in Deutschland - der sich im Grunewald befindet, der Teufelsturm, der für viele Berliner Kletterer die erste Gelegenheit war, irgendwo im Grundkurs Klettern überhaupt zu lernen."
Ob am Bunker oder an den künstlich geschaffenen Felstürmen: Am Berliner Beton muss man das Klettern und Absichern beherrschen.
Lernen kann man am Berliner "Fels" aber genau das, was man auch draußen in den Bergen können muss: die eigenen Fähigkeiten einschätzen können.
Zudem, so der Autor des Berliner Kletterführers "Dickes B", Gerald Krug, ist Beton-Kletterei auch aus anderen Gründen reizvoll:
"Es ist natürlich so, dass Beton ganz andere, ganz spezielle Kletterprobleme bietet, die es in der Natur gar nicht gibt. Zum Beispiel 90-Grad-Winkel. Am Beton gibt es 90-Grad-Kanten und 90-Grad Verschneidungen, also Innenwinkel, die man in dieser Klarheit in der Natur gar nicht findet."
Das Interesse an der Kletterei in Berlin und Brandenburg ist ungebrochen, daher bringt Krug im Dezember die zweite Auflage des Berliner Kletterführers heraus. Doppelt so dick wie die erste Ausgabe von 2005. Bereits im alten Führer enthalten ist auch der "Kegel" ein ehemaliger Hochbunker in Berlin Friedrichshain, den vier Freunde zum Kletterturm mit stolzen 18 Metern höhe umgewandelt haben.
Im Winter wird der Kegel zudem mit Eis versehen und bietet die einzigartige Möglichkeit, in der Stadt und von oben gesichert das Eisklettern mit Steigeisen und Pickel zu probieren.
Die Berliner Kletterer mögen ihre Bunker, wie die Sachsen ihre Felsnadeln. Georg Seifarth vom Alpenverein nimmt an:
"Wenn ich nicht Berliner wäre, und irgendwo im Gebirge klettere, dass ich Probleme hätte mir vorzustellen, dass es Spaß machen kann. Ich würde auch am Bunker klettern gehen, wenn das alles wäre was ich mache, weil das einfach Spaß macht und man merkt auch dass es ein richtig gutes Training ist. Wenn man im Frühjahr oder im Herbst dann am Mittelmeer klettern geht und sieht, dass man jedes Jahr besser klettert und schwerer klettern kann und sieht, dass man das dem Bunker zu verdanken hat."
Jasper Heilmann und Yoshua Horn stehen am Fuße der imposanten 15 Meter hohen Nordwand des Humboldtbunkers und bereiten ihre erste Route des Tages vor. Während Yoshua das Seil auf Knoten untersucht, bindet Jasper sich ins Seil ein:
"Wir machen jetzt den Reinhard-Karl-Gedächtnisweg, den machen wir immer so zum Aufwärmen weil wir ihn auswendig kennen, und dann passieren keine Überraschungen."
Die Route, die Jasper Heilmann gewählt hat, ist eine von rund 70 Routen am Bunker und mit dem Schwierigkeitsgrad 7- ausgewiesen. Laut der offiziellen Bewertungsskala der UIAA, einer Vereinigung internationaler Alpinistenverbände, beginnt in diesem Grad "außergewöhnlich schweres Klettern", zur Zeit endet die Skala bei 12- und die besten Kletterer der Welt schaffen es bis in den oberen 11. Schwierigkeitsgrad. Von unten aus gesehen, ist die Bunkerwand glatt – aber Jasper arbeitet sich in wenigen Minuten an in Beton geschlagenen Löchern, Leisten oder Kanten hoch.
Manche der Griffe sind Fingerlöcher, einst Einschusslöcher aus Kriegszeiten, an einigen Kanten kann man noch erkennen, dass hier vielleicht mal eine Tür gewesen sein muss. Die glatte Wand ist zudem mit Spritzbeton überzogen, der Struktur schafft. Dank einer genauen Beschreibung im Berliner Kletterführer "Dickes B" wissen Kletterer, die hierher kommen ganz genau, wie eine Route verläuft, wo die Crux, also die schwierigste Stelle liegt, oder wo sich Bohrhaken für das Anbringen der Zwischensicherungen befinden. In den ersten Tagen des Bunkerkletterns war das nicht so, bestätigt Georg Seifarth, der für die Berliner Sektion des Alpenvereins als Anlagenwart für den Humboldtbunker verantwortlich ist:
"Der wurde in den 80er Jahren entdeckt und sah damals noch anders aus. Da hingen überall Armierungseisen herum und es war eher das, was man heute Abenteuerkletterei bezeichnen würde. Recht gefährlich und auch verboten, übrigens. Das Klettern an der Anlage war verboten in den frühen Tagen der Sportkletterei hier in Berlin und dann wurden Wege erstbegangen von ziemlich guten, schwer kletternden Berlinern und eigentlich erst mit Beginn der 90er Jahre wurde es legalisiert und es gab Verträge und letztendlich ist daraus eine der imposantesten Sportkletteranlagen im Norden entstanden."
Dass die Nordwand des Bunkers so erhalten geblieben und noch immer zugänglich ist, hat sie dem Zufall zu verdanken. Ganz konnte der Flakturm nach dem Krieg nicht gesprengt werden, und ganz mit Trümmern überschütten – wie den Rest der Bunkeranlage – konnte man den nördlichen Teil auch nicht, da die Bahnschienen in unmittelbarer Nähe verlaufen. Es ist nicht nur ein außergewöhnlicher Ort zum Klettern, sondern auch außergewöhnlich schwer, so Georg Seifarth:
"Die leichtesten Routen am Bunker liegen im oberen 6. Grad und sind sehr gewöhnungsbedürftig. Sie sind wahrscheinlich relativ gesehen sogar schwerer als die schwereren Routen am Bunker, weil die sehr speziell sind. Die großen Griffe sind alles Sloper - sehr rutschiger, polierter Beton. Sloper sind Aufliegergriffe, die man eigentlich nur durch das Auflegen der Finger belasten kann - das heißt, nichts wirklich zum festhalten. Die schwereren Routen am Bunker sind kleingriffig, mit kleinen Leisten und verlangen vor allem eine sehr, sehr gute Fußtechnik. Das ist das, was den Bunker ausmacht und das ist auch das, was die Leute, die dort oft klettern, dementsprechend lernen."
An diesem Tag am Bunker klettern auch Bernd Roppel und Christoph Willumeit hier. Sie wärmen sich an der ältesten und klassischen Route, dem "Normalweg" im 6. Grad auf – Christoph steigt zügig vor, während Bernd sichert:
"Wenn du einmal die Woche hier bist oder zwei mal, dann musst du dir jede Route erarbeiten oder du kriegst was gesagt, da ist ein Griff, da ein Tritt, dreh dich mal so ein, und wenn man es dann weiß, wird es relativ einfach, aber für viele, die neu hier herkommen, die finden es sehr schwer."
Technisch besser werden ist ein Grund, zum Bunker zu kommen. Für viele bietet Beton auch ein Gefühl von echtem Fels. Dieses Gefühl vermitteln auch andere, vom Alpenverein verwaltete künstliche Kletteranlagen. Da gibt es zum Beispiel die zwölf Meter hoche Kirchbachspitze in Schöneberg, oder den Wuhletal-Wächter in Marzahn.
"…und die erste künstliche Kletteranlage, also den ersten künstlichen Kletterturm mit Beton gebaut - überhaupt in Deutschland - der sich im Grunewald befindet, der Teufelsturm, der für viele Berliner Kletterer die erste Gelegenheit war, irgendwo im Grundkurs Klettern überhaupt zu lernen."
Ob am Bunker oder an den künstlich geschaffenen Felstürmen: Am Berliner Beton muss man das Klettern und Absichern beherrschen.
Lernen kann man am Berliner "Fels" aber genau das, was man auch draußen in den Bergen können muss: die eigenen Fähigkeiten einschätzen können.
Zudem, so der Autor des Berliner Kletterführers "Dickes B", Gerald Krug, ist Beton-Kletterei auch aus anderen Gründen reizvoll:
"Es ist natürlich so, dass Beton ganz andere, ganz spezielle Kletterprobleme bietet, die es in der Natur gar nicht gibt. Zum Beispiel 90-Grad-Winkel. Am Beton gibt es 90-Grad-Kanten und 90-Grad Verschneidungen, also Innenwinkel, die man in dieser Klarheit in der Natur gar nicht findet."
Das Interesse an der Kletterei in Berlin und Brandenburg ist ungebrochen, daher bringt Krug im Dezember die zweite Auflage des Berliner Kletterführers heraus. Doppelt so dick wie die erste Ausgabe von 2005. Bereits im alten Führer enthalten ist auch der "Kegel" ein ehemaliger Hochbunker in Berlin Friedrichshain, den vier Freunde zum Kletterturm mit stolzen 18 Metern höhe umgewandelt haben.
Im Winter wird der Kegel zudem mit Eis versehen und bietet die einzigartige Möglichkeit, in der Stadt und von oben gesichert das Eisklettern mit Steigeisen und Pickel zu probieren.
Die Berliner Kletterer mögen ihre Bunker, wie die Sachsen ihre Felsnadeln. Georg Seifarth vom Alpenverein nimmt an:
"Wenn ich nicht Berliner wäre, und irgendwo im Gebirge klettere, dass ich Probleme hätte mir vorzustellen, dass es Spaß machen kann. Ich würde auch am Bunker klettern gehen, wenn das alles wäre was ich mache, weil das einfach Spaß macht und man merkt auch dass es ein richtig gutes Training ist. Wenn man im Frühjahr oder im Herbst dann am Mittelmeer klettern geht und sieht, dass man jedes Jahr besser klettert und schwerer klettern kann und sieht, dass man das dem Bunker zu verdanken hat."