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"Über Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke"

• Musikbeispiel: Johann Sebastian Bach/Antonio Vivaldi - Allegro aus dem Konzert in F-Dur BWV 978

Von Johannes Jansen |
    Sie hörten Lorenzo Ghielmi mit dem Allegro aus dem Konzert in F-Dur nach Antonio Vivaldi, Bach-Werke-Verzeichnis 978.

    Vivaldi als Lehrmeister des jungen Bach, so hat es uns Johann Nikolaus Forkel überliefert in seinem 1802 im Leipziger Bureau de Musique erschienenen Büchlein "Über Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke". Den Titel dieser ersten selbständigen Bach-Biographie hat sich nun der italienische Cembalist und Hammerklaviervirtuose Lorenzo Ghielmi ausgeborgt für seine neueste CD. Nur den Untertitel hat er weggelassen, der da lautet: "für patriotische Verehrer echter musikalischer Kunst". Es war Forkels Anliegen, die Erinnerung an Bach und das Vermächtnis dieses "Ersten aller deutschen und ausländischen Künstler" tief in der Seele des Volkes zu verankern. Was nach dem Willen des Verfassers eine "National-Angelegenheit" sein sollte, wurde zum Grundstein einer heute nahezu weltumspannenden Bach-Denkmalpflege und Betriebsamkeit.

    Noch vor der Wiederaufführung der Matthäuspassion durch Felix Mendelssohn Bartholdy in Berlin, die gemeinhin als Ausgangspunkt der Bach-Renaissance im 19. Jahrhundert gilt, erschien eine Übersetzung in England und setzte auch dort eine nachhaltige Beschäftigung mit Bach in Gang. Auszüge aus beiden Ausgaben dieses für die Bach-Rezeption so bedeutenden Buches liefert die vorliegende, bibliophil aufgemachte CD. Die Auswahl der Musikstücke orientiert sich dabei an einigen der bekanntesten Bach-Anekdoten, für die Forkel oft die einzige Quelle ist. In die Welt gesetzt hat er sie freilich nicht, nur nacherzählt und hier und da vielleicht ein wenig ausgeschmückt, gestützt auf Berichte der beiden ältesten Bach-Söhne Wilhelm Friedemann und Carl Philipp Emanuel.

    Zu den unsterblichen Legenden gehört auch die vom nicht zustande gekommenen Wettspiel mit Louis Marchand. Der französische Virtuose soll gekniffen haben - was man nur zu gut verstehen kann angesichts eines Kontrahenten, der "wie ein Riese da stand und alles um sich her in Staub treten konnte". So schildert Forkel den damals Zweiunddreißigjährigen: überlebensgroß. Sehr viel nüchterner blickt er auf den jungen Bach als einen "Fingercomponisten", dem es an geistiger und handwerklicher Reife noch gebricht. Ghielmi ordnet diesem Schaffensabschnitt mit einem Augenzwinkern die wohl schon im Erwachsenenalter entstandene a-moll-Fantasia, BWV 922 zu, ein Werk, das in seiner etwas ungehobelt-ausschweifenden Machart Forkels Urteil zu bestätigen scheint.

    • Musikbeispiel: Johann Sebastian Bach - Fantasie a-moll, BWV 922

    Sie hörten die Fantasie a-moll, BWV 922. Der Solist war Lorenzo Ghielmi. Den roten Faden für seine Programmauswahl liefert die Bach-Biographie von Johann Nikolaus Forkel, der natürlich auch die schillerndste Begebenheit in Bachs Leben zu erzählen nicht vergisst: die Potsdam-Visite im Mai 1747. Da Forkels Gewährsmänner wieder Wilhelm Friedemann und Carl Philipp Emanuel heißen, ist anzunehmen, dass der Besuch bei Friedrich dem Großen tatsächlich so wie beschrieben abgelaufen ist: "Der König gab für diesen Abend sein Flötenconcert auf, nöthigte aber den damahls schon so genannten alten Bach, seine in mehrern Zimmern des Schlosses herumstehende Silbermannische Fortepiano zu probiren."


    Titel: "Über Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke"
    Solist: Lorenzo Ghielmi, Cembalo und Clavichord
    Label: Edel/Winter & Winter - Vertrieb: Edel Contraire
    Labelcode: LC 02829
    Bestell-Nr.: CD N 910 105-2