Die Astronomen sind sich heute einig. Weltweit sind sie alle der Ansicht, dass unser Universum 13,7 Milliarden Jahre alt ist. Auch glauben sie übereinstimmend, dass der Kosmos sich derzeit immer schneller ausdehnt. Mitte der 90er Jahre noch konnte von solch einer Eintracht keine Rede sein. Damals ging es in der Astronomie ein wenig drunter und drüber. Die Ergebnisse der verschiedenen Beobachtungen schienen sich zu widersprechen. Die Methoden zur Altersbestimmung der Sterne etwa waren zu ungenau, und auch die Abschätzung der so genannten Hubble-Konstanten, aus der man das Alter des Universums errechnen kann, waren zu vage. Schließlich belegten die Messungen auch noch, dass das Universum eigentlich viel zu wenig Masse enthielt. Bruno Leibundgut von der Europäischen Südsternwarte ESO.
"Und dann war immer die Frage, wo sind die übrigen 70 Prozent der Masse. Und weil die Hubble-Konstante auch nicht gut genug bestimmt war, war das nie wirklich so ein brennendes Problem, man hat sich da immer so mit Fehlerbalken und so herausreden können. Die Sternentwicklungsleute haben gesagt, jetzt kriegen wir die Alter nicht mehr runter, jetzt haben wir alles versucht, das ist jetzt die bleiben bei zwölf Milliarden Jahren oder so was."
Dann, im Jahr 1998, gelang es einem amerikanischen Forscherteam, dem auch Bruno Leibundgut angehörte, ein Durchbruch. Die Astronomen hatten Supernovae vom Typ 1A vermessen, eine besondere Gruppe von sehr genau bekannten Stern-Explosionen. Gewaltige Leuchtfeuer, die das Team in verschiedenen Entfernungen beobachtete. Am schwierigsten war es, Supernovae zu finden, die sich ganz weit draußen befanden, auf halbem Weg zum Urknall. Denn von ihnen kamen nur sehr wenige Photonen, also Lichtteilchen, bei uns an.
"Ich hab ein Spektrum damals analysiert, da hab ich mir ausgerechnet. In einem gewissen Wellenlängenbereich haben wir in einer Stunde fünf Photonen beobachtet. So was zu analysieren, ist beliebig schwierig, ich habe da zwei Monate dran verbracht, nur an diesem einen Spektrum."
Mit diesen langwierigen Messungen gelang es Leibundgut und Kollegen herauszufinden, wie schnell der Kosmos expandiert. Ausgegangen war das Forscherteam von der damals gängigen Annahme, dass das Universum sich zunächst sehr zügig ausdehnte, um danach immer langsamer zu werden.
"Und da haben wir ein, zwei Jahre gemessen, und wie dann das erste Datenset zusammen kam, da war Adam Riess in Amerika, der hat das zusammengeschrieben, hat gesagt, er findet in der Analyse, dass halt statt einer Abbremsung eine Beschleunigung da wäre. Das war eine E-Mail, die ist rumgegangen, da haben wir gesagt, das kann nicht sein. Da haben wir versucht, den Fehler zu finden. Und nach zwei Monaten haben wir gesagt: Wissen wir auch nicht, jetzt publizieren wir das mal. Es muss halt jemand anderes den Fehler finden."
Bruno Leibundgut, Adam Riess und ihre Kollegen entschieden sich also, einen Fachaufsatz im "Astrophysical Journal" einzureichen. Vor genau zehn Jahren ist er erschienen.
"Und da haben wir gesagt: es sieht so aus wie wenn da eine kosmologische Konstante wäre, also was wir gefunden haben, ist dass die entfernten Supernovae im Vergleich zu den nahen Supernovae zu lichtschwach waren. Und da gibt es verschiedene Möglichkeiten, wieso das der Fall ist. Aber die für uns damals einfachste Möglichkeit war halt, dass die entsprechend weiter entfernt waren, als was die Modelle hergegeben haben. Und deswegen haben wir gesagt: irgendwas muss die Objekte weggestoßen haben – oder besser uns von den Objekten weggestoßen haben."
Das heißt: Das Universum hat sich direkt nach dem Urknall extrem schnell ausgebreitet, dann ist es sozusagen auf die Bremse gegangen, um nun doch wieder aufs Gaspedal zu treten. Bald nach der ersten Publikation von Riess, Leibundgut und Kollegen bestätigte eine zweite unabhängige Arbeitsgruppe um Saul Perlmutter diese Ergebnisse:
"Es war ein sehr starker Wettlauf, wenn Sie mit jemandem von der Gruppe sprechen, behaupten die immer, dass sie vor uns da waren."
Diese dynamische Expansion wird durch Albert Einsteins Formeln zur Relativitätstheorie beschrieben, genauer gesagt durch einen besonderen Term in den Formeln: die so genannte kosmologische Konstante Lambda. Einstein wollte dieses Lambda später wieder loswerden und setzte es gleich Null. Astronomen nach ihm führten Lambda wieder ein, um es später erneut zu verwerfen. Nach den Supernovae-Messungen vor zehn Jahren war Schluss mit diesem Hin- und Her: das Lambda konnte nicht mehr gleich Null sein. Vielmehr stellte sich nun die Frage, was sich hinter Lambda verbarg und ob sich Lambda im Verlauf der Geschichte des Universums ändern könnte. Die Astronomen sprachen plötzlich von der "Dunklen Energie", ein schillernder Begriff, der für das derzeit größte Rätsel der Astronomie steht.
Zwar wissen die Astronomen inzwischen ziemlich genau, woraus das Weltall besteht: zu vier Prozent aus gewöhnlicher, sichtbarer Materie, zu 23 Prozent aber aus noch unbekannten, unsichtbaren Elementarteilchen und zu weiteren 73 Prozent aus der Dunklen Energie. Das Wesen der Dunklen Energie aber kennen sie nicht. Mit immer genaueren Teleskopen schauen sie ins Weltall hinaus. Auf der Suche nach Hinweisen auf diese seltsame, bislang unverständliche Kraft, die das Universum immer weiter und immer schneller auseinander treibt.
Einer, der nach der Dunklen Energie sucht, ist Matthias Bartelmann vom Institut für theoretische Astrophysik der Universität Heidelberg.
Monika Seynsche: Herr Bartelmann, was haben Sie gedacht, als die Publikation erschien?
Matthias Bartelmann: Wir alle waren, glaube ich, damals der Meinung, dass es eine sehr wichtige Entdeckung ist, falls man sie wirklich glauben kann. Es war eine ganze Menge Skepsis dabei, die darauf gründet, dass die Verwendung von Supernovae für diesen kosmologischen Zweck von einer ganzen Reihe vereinfachender Annahmen abhängt. Und wir waren uns, glaube ich, alle nicht so ganz sicher, ob diese Annahmen tatsächlich erfüllt sind. Wir waren allerdings, glaube ich, auch alle der Meinung, dass, wenn das tatsächlich so ist und man diese Annahmen machen kann, die Entdeckung wirklich ganz fundamental wichtig ist.
Seynsche: Jetzt liegt diese Entdeckung zehn Jahre zurück. Aber bis heute weiß man nicht, was genau diese Dunkle Energie ist. Warum hat man das nicht herausgefunden?
Bartelmann: Die Dunkle Energie äußert sich nur auf sehr indirekte Weise in der Kosmologie. Also zunächst einmal ist eine ihrer wichtigen Eigenschaften, dass sie nicht klumpt, das heißt, sie bildet keine Strukturen und nimmt uns damit sehr viele Möglichkeiten, die wir beispielsweise selbst noch bei der Dunklen Materie haben, also Methoden dynamischer Art oder Gravitationslinseneffekte oder solche Dinge, um wirklich direkt die Natur der Dunklen Energie zu ergründen. Was wir bei der Dunklen Energie nur sehen, ist ein einziger, gemittelter Einfluss auf die kosmische Expansionsgeschichte, also auf die Ausdehnungsgeschichte des Universums. Und die ist natürlich sehr, sehr schwer nachzumessen.
Seynsche: Aber woher weiß man denn dann genau, dass die Dunkle Energie 70 Prozent des Universums ausmacht, wenn man sie eigentlich gar nicht messen kann?
Bartelmann: Ja, das ist eigentlich ein sehr indirekter Schluss. Ich glaube, wenn man nur die Supernovae vom Typ 1A hätte, um auf diesen Schluss zu kommen, dann wäre die Skepsis in der großen astronomischen Gemeinde sehr viel größer. Was man tatsächlich aus anderen Messungen, insbesondere des Mikrowellen-Hintergrundes, weiß, ist, dass die Summe der Dichten aller Energiebeiträge im Universum gerade einen bestimmten kritischen Wert ergibt. Das ist ein festes Ergebnis. Und was man dann noch weiß, ist, dass Materie nur zu etwa 30 Prozent dazu beitragen kann. Und der Schluss auf die 70 Prozent Dunkle Energie ist insofern indirekt, als man sagt, ja gut, dann muss der Rest von der Dunklen Energie beigetragen werden. Und das stimmt dann auch überein, oder widerspricht zumindest nicht den Messungen, die anhand der Supernovae vom Typ 1A gemacht worden sind.
Seynsche: Es gibt ja zwei Möglichkeiten, dass diese Dunkle Energie einmal konstant ist oder sie ist variabel. Wie würde sich das denn äußern?
Bartelmann: Man würde Unterschiede in der kosmischen Expansionsgeschichte sehen, das heißt, die Art, wie sich sozusagen der Radius des überschaubaren Universums im Lauf der Zeit verändert hat. Die würde sich ändern mit verschiedenen Formen der Dunklen Energie. Und die Dunkle Energie hätte auch einen Einfluss darauf, wie schnell im Laufe der kosmischen Geschichte kosmische Strukturen angewachsen sind. Also kosmische Strukturen entwickeln sich im Lauf der Zeit, daraus entstehen Galaxien, Galaxienhaufen und so weiter, und die Art, wie das im Lauf der Zeit geschieht, hängt ab von den Eigenschaften der Dunklen Energie. Je nachdem, ob jetzt die Dunkle Energiedichte jetzt tatsächlich konstant ist oder sich zeitlich verändert, würde also die Dynamik der Strukturentwicklung im Universum verschieden verlaufen.
Seynsche: Wofür ist das Ganze denn überhaupt wichtig? Warum müssen wir wissen, was die Dunkle Energie ist?
Bartelmann: Wir stehen in der Kosmologie und in der Astrophysik ja generell vor dem großen Problem, dass wir nur einen ganz kleinen Teil der gesamten Energiedichte beziehungsweise Materiedichte im Universum wirklich sehen können. Das heißt, wir sehen uns mit der peinlichen Situation konfrontiert, dass wir zwar wissen, wie viel Materie und Energie es im Universum insgesamt gibt, dass wir aber bei weit über 90 Prozent nicht wissen, woraus sie eigentlich bestehen. Das heißt, der allergrößte Teil der Energie und der Materie im Universum ist uns unbekannt. Naja, und das ist natürlich eine Situation, die für Astrophysiker und generell für Forscher natürlich nicht akzeptabel ist, wir wollen wissen, was diese weit über 90 Prozent tatsächlich ausmacht.
Seynsche: Würden Sie eine Schätzung abgeben, wann man das wohl wissen könnte oder was man herausfinden muss, um es zu wissen?
Bartelmann: Ja, da muss ich mich auf dünnes Eis begeben. Also zunächst einmal glaube ich, brauchen wir größere Datenmengen in besserer Qualität, um diese Entwicklungsgeschichte kosmologischer Strukturen zu rekonstruieren, die uns dann erlauben würde, Rückschlüsse auf die Dunkle Energie zu ziehen. Selbst wenn uns das gelungen wäre, und ich denke mir, Daten der entsprechenden Qualität werden wir wahrscheinlich innerhalb von etwa fünf Jahren zur Verfügung haben. Selbst wenn es uns dann gelungen sein sollte, herauszufinden, in welcher zeitlichen Entwicklung die kosmischen Strukturen entstanden sind, dann wäre immer noch die große Frage, wie die Dunkle Energie beschaffen sein müsste, die ein solches Expansionsverhalten verursacht hat. Also ich könnte mir vorstellen, dass wir innerhalb von fünf bis zehn Jahren soweit kommen, die Phänomenologie der Dunklen Energie besser zu verstehen, die physikalische Begründung für die Dunkle Energie zu finden, glaube ich, ist eine noch längerfristige Aufgabe.
"Und dann war immer die Frage, wo sind die übrigen 70 Prozent der Masse. Und weil die Hubble-Konstante auch nicht gut genug bestimmt war, war das nie wirklich so ein brennendes Problem, man hat sich da immer so mit Fehlerbalken und so herausreden können. Die Sternentwicklungsleute haben gesagt, jetzt kriegen wir die Alter nicht mehr runter, jetzt haben wir alles versucht, das ist jetzt die bleiben bei zwölf Milliarden Jahren oder so was."
Dann, im Jahr 1998, gelang es einem amerikanischen Forscherteam, dem auch Bruno Leibundgut angehörte, ein Durchbruch. Die Astronomen hatten Supernovae vom Typ 1A vermessen, eine besondere Gruppe von sehr genau bekannten Stern-Explosionen. Gewaltige Leuchtfeuer, die das Team in verschiedenen Entfernungen beobachtete. Am schwierigsten war es, Supernovae zu finden, die sich ganz weit draußen befanden, auf halbem Weg zum Urknall. Denn von ihnen kamen nur sehr wenige Photonen, also Lichtteilchen, bei uns an.
"Ich hab ein Spektrum damals analysiert, da hab ich mir ausgerechnet. In einem gewissen Wellenlängenbereich haben wir in einer Stunde fünf Photonen beobachtet. So was zu analysieren, ist beliebig schwierig, ich habe da zwei Monate dran verbracht, nur an diesem einen Spektrum."
Mit diesen langwierigen Messungen gelang es Leibundgut und Kollegen herauszufinden, wie schnell der Kosmos expandiert. Ausgegangen war das Forscherteam von der damals gängigen Annahme, dass das Universum sich zunächst sehr zügig ausdehnte, um danach immer langsamer zu werden.
"Und da haben wir ein, zwei Jahre gemessen, und wie dann das erste Datenset zusammen kam, da war Adam Riess in Amerika, der hat das zusammengeschrieben, hat gesagt, er findet in der Analyse, dass halt statt einer Abbremsung eine Beschleunigung da wäre. Das war eine E-Mail, die ist rumgegangen, da haben wir gesagt, das kann nicht sein. Da haben wir versucht, den Fehler zu finden. Und nach zwei Monaten haben wir gesagt: Wissen wir auch nicht, jetzt publizieren wir das mal. Es muss halt jemand anderes den Fehler finden."
Bruno Leibundgut, Adam Riess und ihre Kollegen entschieden sich also, einen Fachaufsatz im "Astrophysical Journal" einzureichen. Vor genau zehn Jahren ist er erschienen.
"Und da haben wir gesagt: es sieht so aus wie wenn da eine kosmologische Konstante wäre, also was wir gefunden haben, ist dass die entfernten Supernovae im Vergleich zu den nahen Supernovae zu lichtschwach waren. Und da gibt es verschiedene Möglichkeiten, wieso das der Fall ist. Aber die für uns damals einfachste Möglichkeit war halt, dass die entsprechend weiter entfernt waren, als was die Modelle hergegeben haben. Und deswegen haben wir gesagt: irgendwas muss die Objekte weggestoßen haben – oder besser uns von den Objekten weggestoßen haben."
Das heißt: Das Universum hat sich direkt nach dem Urknall extrem schnell ausgebreitet, dann ist es sozusagen auf die Bremse gegangen, um nun doch wieder aufs Gaspedal zu treten. Bald nach der ersten Publikation von Riess, Leibundgut und Kollegen bestätigte eine zweite unabhängige Arbeitsgruppe um Saul Perlmutter diese Ergebnisse:
"Es war ein sehr starker Wettlauf, wenn Sie mit jemandem von der Gruppe sprechen, behaupten die immer, dass sie vor uns da waren."
Diese dynamische Expansion wird durch Albert Einsteins Formeln zur Relativitätstheorie beschrieben, genauer gesagt durch einen besonderen Term in den Formeln: die so genannte kosmologische Konstante Lambda. Einstein wollte dieses Lambda später wieder loswerden und setzte es gleich Null. Astronomen nach ihm führten Lambda wieder ein, um es später erneut zu verwerfen. Nach den Supernovae-Messungen vor zehn Jahren war Schluss mit diesem Hin- und Her: das Lambda konnte nicht mehr gleich Null sein. Vielmehr stellte sich nun die Frage, was sich hinter Lambda verbarg und ob sich Lambda im Verlauf der Geschichte des Universums ändern könnte. Die Astronomen sprachen plötzlich von der "Dunklen Energie", ein schillernder Begriff, der für das derzeit größte Rätsel der Astronomie steht.
Zwar wissen die Astronomen inzwischen ziemlich genau, woraus das Weltall besteht: zu vier Prozent aus gewöhnlicher, sichtbarer Materie, zu 23 Prozent aber aus noch unbekannten, unsichtbaren Elementarteilchen und zu weiteren 73 Prozent aus der Dunklen Energie. Das Wesen der Dunklen Energie aber kennen sie nicht. Mit immer genaueren Teleskopen schauen sie ins Weltall hinaus. Auf der Suche nach Hinweisen auf diese seltsame, bislang unverständliche Kraft, die das Universum immer weiter und immer schneller auseinander treibt.
Einer, der nach der Dunklen Energie sucht, ist Matthias Bartelmann vom Institut für theoretische Astrophysik der Universität Heidelberg.
Monika Seynsche: Herr Bartelmann, was haben Sie gedacht, als die Publikation erschien?
Matthias Bartelmann: Wir alle waren, glaube ich, damals der Meinung, dass es eine sehr wichtige Entdeckung ist, falls man sie wirklich glauben kann. Es war eine ganze Menge Skepsis dabei, die darauf gründet, dass die Verwendung von Supernovae für diesen kosmologischen Zweck von einer ganzen Reihe vereinfachender Annahmen abhängt. Und wir waren uns, glaube ich, alle nicht so ganz sicher, ob diese Annahmen tatsächlich erfüllt sind. Wir waren allerdings, glaube ich, auch alle der Meinung, dass, wenn das tatsächlich so ist und man diese Annahmen machen kann, die Entdeckung wirklich ganz fundamental wichtig ist.
Seynsche: Jetzt liegt diese Entdeckung zehn Jahre zurück. Aber bis heute weiß man nicht, was genau diese Dunkle Energie ist. Warum hat man das nicht herausgefunden?
Bartelmann: Die Dunkle Energie äußert sich nur auf sehr indirekte Weise in der Kosmologie. Also zunächst einmal ist eine ihrer wichtigen Eigenschaften, dass sie nicht klumpt, das heißt, sie bildet keine Strukturen und nimmt uns damit sehr viele Möglichkeiten, die wir beispielsweise selbst noch bei der Dunklen Materie haben, also Methoden dynamischer Art oder Gravitationslinseneffekte oder solche Dinge, um wirklich direkt die Natur der Dunklen Energie zu ergründen. Was wir bei der Dunklen Energie nur sehen, ist ein einziger, gemittelter Einfluss auf die kosmische Expansionsgeschichte, also auf die Ausdehnungsgeschichte des Universums. Und die ist natürlich sehr, sehr schwer nachzumessen.
Seynsche: Aber woher weiß man denn dann genau, dass die Dunkle Energie 70 Prozent des Universums ausmacht, wenn man sie eigentlich gar nicht messen kann?
Bartelmann: Ja, das ist eigentlich ein sehr indirekter Schluss. Ich glaube, wenn man nur die Supernovae vom Typ 1A hätte, um auf diesen Schluss zu kommen, dann wäre die Skepsis in der großen astronomischen Gemeinde sehr viel größer. Was man tatsächlich aus anderen Messungen, insbesondere des Mikrowellen-Hintergrundes, weiß, ist, dass die Summe der Dichten aller Energiebeiträge im Universum gerade einen bestimmten kritischen Wert ergibt. Das ist ein festes Ergebnis. Und was man dann noch weiß, ist, dass Materie nur zu etwa 30 Prozent dazu beitragen kann. Und der Schluss auf die 70 Prozent Dunkle Energie ist insofern indirekt, als man sagt, ja gut, dann muss der Rest von der Dunklen Energie beigetragen werden. Und das stimmt dann auch überein, oder widerspricht zumindest nicht den Messungen, die anhand der Supernovae vom Typ 1A gemacht worden sind.
Seynsche: Es gibt ja zwei Möglichkeiten, dass diese Dunkle Energie einmal konstant ist oder sie ist variabel. Wie würde sich das denn äußern?
Bartelmann: Man würde Unterschiede in der kosmischen Expansionsgeschichte sehen, das heißt, die Art, wie sich sozusagen der Radius des überschaubaren Universums im Lauf der Zeit verändert hat. Die würde sich ändern mit verschiedenen Formen der Dunklen Energie. Und die Dunkle Energie hätte auch einen Einfluss darauf, wie schnell im Laufe der kosmischen Geschichte kosmische Strukturen angewachsen sind. Also kosmische Strukturen entwickeln sich im Lauf der Zeit, daraus entstehen Galaxien, Galaxienhaufen und so weiter, und die Art, wie das im Lauf der Zeit geschieht, hängt ab von den Eigenschaften der Dunklen Energie. Je nachdem, ob jetzt die Dunkle Energiedichte jetzt tatsächlich konstant ist oder sich zeitlich verändert, würde also die Dynamik der Strukturentwicklung im Universum verschieden verlaufen.
Seynsche: Wofür ist das Ganze denn überhaupt wichtig? Warum müssen wir wissen, was die Dunkle Energie ist?
Bartelmann: Wir stehen in der Kosmologie und in der Astrophysik ja generell vor dem großen Problem, dass wir nur einen ganz kleinen Teil der gesamten Energiedichte beziehungsweise Materiedichte im Universum wirklich sehen können. Das heißt, wir sehen uns mit der peinlichen Situation konfrontiert, dass wir zwar wissen, wie viel Materie und Energie es im Universum insgesamt gibt, dass wir aber bei weit über 90 Prozent nicht wissen, woraus sie eigentlich bestehen. Das heißt, der allergrößte Teil der Energie und der Materie im Universum ist uns unbekannt. Naja, und das ist natürlich eine Situation, die für Astrophysiker und generell für Forscher natürlich nicht akzeptabel ist, wir wollen wissen, was diese weit über 90 Prozent tatsächlich ausmacht.
Seynsche: Würden Sie eine Schätzung abgeben, wann man das wohl wissen könnte oder was man herausfinden muss, um es zu wissen?
Bartelmann: Ja, da muss ich mich auf dünnes Eis begeben. Also zunächst einmal glaube ich, brauchen wir größere Datenmengen in besserer Qualität, um diese Entwicklungsgeschichte kosmologischer Strukturen zu rekonstruieren, die uns dann erlauben würde, Rückschlüsse auf die Dunkle Energie zu ziehen. Selbst wenn uns das gelungen wäre, und ich denke mir, Daten der entsprechenden Qualität werden wir wahrscheinlich innerhalb von etwa fünf Jahren zur Verfügung haben. Selbst wenn es uns dann gelungen sein sollte, herauszufinden, in welcher zeitlichen Entwicklung die kosmischen Strukturen entstanden sind, dann wäre immer noch die große Frage, wie die Dunkle Energie beschaffen sein müsste, die ein solches Expansionsverhalten verursacht hat. Also ich könnte mir vorstellen, dass wir innerhalb von fünf bis zehn Jahren soweit kommen, die Phänomenologie der Dunklen Energie besser zu verstehen, die physikalische Begründung für die Dunkle Energie zu finden, glaube ich, ist eine noch längerfristige Aufgabe.