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Überzeugter sächsischer Liberaler

Seit 1994 ist er Bürgermeister von Deutschneudorf. Seinem Heimatort im Erzgebirge. Kein typisches Pflaster für FDP-Wähler, sollte man meinen. Doch Heinz-Peter Haustein hat es dazu gemacht: Bei der Gemeinderatswahl 2009 gingen 100 Prozent der Stimmen an seine Partei.

Von Stefan Maas | 17.01.2013
    Die Mitglieder des Haushaltsausschusses schauen den Besucher direkt an. Alle. Denn das breite Panorama-Bild, das die "Haushälter" von sich machen ließen, hängt genau gegenüber der Tür in Heinz-Peter Hausteins Abgeordnetenbüro. Der FDP Politiker ist selbst Mitglied. Ein leidenschaftliches:

    "Der Haushaltsausschuss ist schon der interessanteste. Da wollen schon die meisten Leute auch rein. Da sitzen wir mit Abstand auch die meisten Stunden. Mit Abstand. Auch nachts. Nachsitzungen. Die längste Sitzung war von früh um acht bis nachts um vier."

    Wird er später im Auto auf dem Weg zum Ausschuss erzählen.
    Zunächst aber empfängt der Bundestagsabgeordnete aus Sachsen seinen Besuch in seinem Büro Unter den Linden – in Hemd und Schlips - und auf Socken. Das ist ungewöhnlich, aber bequem. Die Schuhe hat er neben seinen Schreibtisch gestellt. Der 58-Jährige sitzt am Kaffeetischchen, leicht nach vorne gebeugt, die Arme auf die Oberschenkel gestützt. Um seinem Gast ein wenig entgegenzukommen.

    "Die FDP ist mein Lebensinhalt. Das ist das Liberale, das Freisein."

    Dieses Frei sein hat ihm in der DDR gefehlt.

    "Ich war letzte Woche mit dem Haushaltsausschuss auf Kuba. Da kam das alles wieder hoch in mir. Dieses Bespitzeln. Dieses, dieses Gefangensein in dem Land. Diese Mangelwirtschaft."

    Das sollte nie wieder so sein. Auch dafür steht die FDP. Und so packte der Mann mit dem festen Händedruck mit an. Seit 1994 ist er Bürgermeister von Deutschneudorf. Seinem Heimatort im Erzgebirge, nicht weit weg von der tschechischen Grenze. Kein typisches Pflaster für FDP-Wähler, sollte man meinen. Doch Heinz-Peter Haustein hat es dazu gemacht. Der Elektroingenieur ist mit seiner Fahrstuhl-Firma der größte Arbeitgeber vor Ort, Hauptlöschmeister bei der Freiwilligen Feuerwehr, Mitglied im örtlichen Sportverein und im Posaunenchor. Und - obwohl er schon seit 2005 im Bundestag sitzt - noch immer Bürgermeister. Wiedergewählt 2006 mit über 99 Prozent.

    "Meine Leute wollten das so. Die haben gesagt, wenn du nach Berlin willst, wir wählen dich alle, dann musst du bitte Bürgermeister bleiben."

    Ehrenamtlich. Versteht sich. Und seine gute Arbeit vor Ort hat sich bezahlt gemacht. Bei der Gemeinderatswahl 2009. Da gingen hundert Prozent der Stimmen an die FDP. Die anderen Parteien traten gar nicht erst an.
    In Berlin ist Haustein hingegen nur einer von vielen – einer von vier sächsischen Liberalen. Und muss zuhause immer wieder
    erklären, warum die FDP in dieser Regierung untergeht. Nur das Schlechte hängenbleibt, während die Kanzlerin Traumwerte in den Umfragen hat. Das liegt an Merkel, sagt Haustein und beginnt, die Kanzlerin zu loben als Fels in der Brandung. Und seine Partei' In der Großen Koalition habe es die SPD als Merkels Koalitionspartner auch erwischt, meint er fast entschuldigend. Und doch habe die FDP ihr Thema verloren: Ein einfacheres Steuersystem. Das sei unter die Räder der Eurokrise geraten:

    "Und das ist ein bissel ein Problem der FDP jetzt, dass wir jahrelang nur dieses Thema hatten. Und nun, wenn man so die Augen zumacht, jemand nicht sofort einfällt, was er mit der FDP verknüpft."

    Zur Zukunft des Parteichefs Philipp Rösler befragt, an dessen Stuhl gerade alle zu sägen scheinen, verdreht der leidenschaftliche Fußballer Haustein die Augen:

    "Also, jeder sägt, stimmt ja gar nicht. Es gibt hier und da mal ein paar Äußerungen, die sagen, wenn wir weiterhin nicht aus dem Tal rauskommen, dann brauchen wir einen anderen Trainer. Das ist doch normal. Das muss sich stabilisieren. Maximal bis zu diesem Parteitag im Mai. Dann müssen wir uns entscheiden."

    Das für den Trainer entscheidende Spiel findet am Sonntag in Niedersachsen statt. Sieg oder Niederlage in seinem eigenen Landesverband ist entscheidend für die Karriere von Philipp Rösler. Laut neuesten Umfragen sieht es so aus, als könnte es die FDP knapp in den Landtag schaffen. Haustein gibt sich gelassen:

    "Und da warten wir einfach mal, wie es so kommt. Ich denke, durch diesen Schub, den wir jetzt am Wochenende bekommen. Also, meine Prognose – und ich bin da zutiefst überzeugt, heißt: Die Regierung mit Herrn McAllister und mit der FDP geht da oben weiter. Also, wir bekommen sechs, sieben Prozent. Und vierzig bekommen unsere Freunde der CDU. Und dann haben wir das Ding wieder im Kasten."

    Der Liberale schätzt seinen Parteichef, auch wenn der, wie er sagt, nicht der Mann für den großen Auftritt sei. Doch Haustein denkt optimistisch. Nicht nur für Niedersachsen, auch für den Bund: Schwarz-Gelb wird nach der Wahl im Herbst weitermachen können, ist er sicher. Wunschdenken? Haustein ist es gewohnt, belächelt zu werden. Seit Jahren sucht er das legendäre Bernsteinzimmer. Bislang vergebens, aber Aufgeben kommt für ihn nicht infrage: Im Gegenteil. Er hat aus der Suche für seine Politik gelernt:

    "Ich bin damals in den Wahlkampf gezogen mit diesen alten Tugenden der Bergleute. Das ist Hoffnung, Beharrlichkeit und Gottvertrauen. Das ist auch heute mein Wahlspruch. Und so gehe ich auch ran. Das geht nicht immer alles so schnell. Man darf nicht gleich aufgeben."

    Ein kurzer Blick auf die Uhr. Zehn vor zwei. Zeit, sich aufzumachen. Punkt zwei beginnt der Haushaltsausschuss.

    Vor dem Sitzungssaal stehen schon die Kollegen. Gelegenheit für einen kleinen Plausch. Dann geht es los. Was steht auf der Agenda'

    "26 Tagesordnungspunkte. Also alles wie immer."