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Ukraine
Erneuter Massenprotest in Kiew

Hunderttausende Ukrainer protestieren weiter gegen Präsident Janukowitsch. Am frühen Morgen blockierten sie Regierungsgebäude. Derweil läuft sich der Oppositionspolitiker Klitschko warm - offenbar mit Unterstützung aus Brüssel.

08.12.2013
    Ein Demonstrant vor den Barrikaden in Kiew
    Ein Demonstrant vor den Barrikaden in Kiew (afp / Sergei Supinsky)
    Hunderttausende Ukrainer sind in der Hauptstadt Kiew einem Protestaufruf der Opposition gefolgt. Bei Minusgraden versammelten sie sich auf dem Maidan, dem Unabhängigkeitsplatz. Womöglich ist es der größte Protest seit Beginn der Aktionen vor gut drei Wochen. Wütende Demonstranten stürzten mit Drahtseilen und Eisenstangen eine Statue des Gründers der ehemaligen Sowjetunion, Lenin, um. Anschließend zertrümmerten sie das Denkmal mit Hämmern. Am frühen Montagmorgen blockierte die Opposition nach einem Aufruf des früheren Außenministers Arseni Jazenjuk mehrere Regierungsgebäude mit Barrikaden. Die Demonstranten versperrten Straßen und Gehwege mit Holzstämmen, großen Zelten und Privatautos. "Wir tun dies, damit Präsident Viktor Janukowitsch unsere Forderungen endlich hört", sagte Vitali Klitschko, der gemeinsam mit seinem Bruder Wladimir Oppositionsanhänger auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan) besuchte.
    Die Teilnehmer der ansonsten weitgehend friedlichen Kundgebung wandten sich gegen etwaige Abkommen zwischen Präsident Viktor Janukowitsch und Russland. In Sprechchören forderten sie den Rücktritt Janukowitschs und sofortige Neuwahlen. Regierungsgegner schwenkten EU-Fahnen und sangen die ukrainische Hymne. Sicherheitsbehörden nahmen derweil Ermittlungen gegen die Opposition wegen angeblichen Umsturzversuchs auf.
    Timoschenko meldet sich aus dem Gefängnis zu Wort
    In einem Brief forderte die inhaftierte Oppositionsführerin und Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko die Absetzung Janukowitschs. Das Schreiben wurde von ihrer Tochter verlesen. Timoschenko lehnt Verhandlungen mit der Regierung ab, sofern diese nicht vorgezogene Neuwahlen beinhalteten. Sie verbüßt derzeit eine siebenjährige Haftstrafe wegen Amtsmissbrauchs. Der Westen hält das Urteil gegen die Politikerin für politisch motiviert.
    Gegner des ukrainischen Präsidenten Janukowitsch stürzen mit Drahtseilen eine Lenin-Statue in Kiew um.
    Mit Hilfe von Drahtseilen holen Regierungsgegner eine Lenin-Statue in Kiew vom Sockel. (AFP / Anatoli Boiko)
    "Janukowitsch hat als Präsident die Legitimität verloren", führte Timoschenko aus: "Er ist nicht mehr länger der Präsident unseres Staates, er ist ein Tyrann." Sie appellierte an die Demonstranten, nicht aufzugeben. Auch der Oppositionspolitiker Vitali Klitschko forderte den Abgang Janukowitschs. "Wir werden kämpfen und wir sind zuversichtlich, dass wir gewinnen werden", sagte der Boxweltmeister.
    "Spiegel": Konservative in der EU bringen Klitschko in Stellung
    Klitschko werden Ambitionen für das Amt des Präsidenten nachgesagt. Nach einem "Spiegel"-Bericht wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Gruppe der konservativen Parteien in der EU Klitschko durch gemeinsame Auftritte in der Öffentlichkeit den Rücken stärken und ihn damit offenbar zum Gegenkandidaten von Janukowitsch aufbauen. So erhalte Klitschkos Partei "Udar" derzeit auch logistische Unterstützung von der EVP und der Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU, unter anderem durch Schulungen.
    Der Chef der Oppositionspartei Udar, Vitali Klitschko, redet am 8.12.2013 bei einer Protestkundgebung in Kiew
    Dem Chef der Oppositionspartei Udar, Vitali Klitschko, werden Ambitionen auf das Präsidentenamt nachgesagt. (AFP / Sergei Supinsky)
    Wie unsere Korrespondentin Sabine Adler berichtet, bekommen die Europa-Befürworter derzeit von zahlreichen Gästen Unterstützung, unter anderem von polnischen Abgeordneten und dem Ex-Präsident Georgiens Michail Saakaschwili, dem einstigen Anführer der georgischen Rosen-Revolution. Derweil rief EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso Janukowitsch in einem Telefonat dazu auf, das Gespräch mit seinen politischen Gegnern zu suchen und die Bürgerrechte zu achten. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton will in den kommenden Tagen zu politischen Gesprächen nach Kiew reisen.
    Auslöser der Proteste in der Ukraine war Janukowitschs Kurswechsel in der Europapolitik: Der Präsident hatte ein fast fertiges Abkommen mit der Europäischen Union gestoppt und stattdessen eine Annäherung an Russland angekündigt. Trotz der anhaltenden Proteste hatte Janukowitsch am Freitag in Sotschi seinen russischen Kollegen Wladimir Putin getroffen und damit neue Befürchtungen ausgelöst.
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    Pro-europäische Proteste in Kiew am 8. Dezember 2013. (picture alliance / dpa/ Zurab Kurtsikidze)