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Ukraine-Wahl
Deutlicher Sieg pro Europa

Nach der Parlamentswahl in der Ukraine zeichnet sich ein knappes Ergebnis ab. Die Gruppierungen von Präsident Petro Poroschenko und von Ministerpräsident Arseni Jazenjuk liegen gleichauf. Beide feiern ihren Erfolg als Unterstützung für einen prowestlichen Kurs des Landes. Im Osten aber wurde kaum oder gar nicht gewählt.

27.10.2014
    Wahlhelfer in Kramatorsk beginnen nach der ukrainischen Parlamentswahl mit der Auszählung der Stimmen.
    Wahlhelfer in Kramatorsk beginnen nach der ukrainischen Parlamentswahl mit der Auszählung der Stimmen. (AFP / Genya Savilov)
    Nach Auszählung von fast der Hälfte der Stimmbezirke lag Janzenjuks gemäßigt nationalistische Volksfront mit 21,6 Prozent nur 0,1 Prozentpunkte vor dem Block Poroschenko. Vor der Wahl war noch mit einem Sieg von Poroschenkos Bündnis gerechnet worden. Es wird erwartet, dass die beiden Parteien gemeinsam mit anderen reformorientieren Gruppierungen eine breite proeuropäische Koalition bilden werden.
    Überraschend stark schnitt die ebenfalls proeuropäische Bewegung Samopomitsch des Bürgermeisters von Lemberg ab. Sie kam mit rund 11 Prozent auf den dritten Platz.
    Poroschenko wertete das Ergebnis schon am Wahlabend als "machtvolle" Demonstration für eine enge EU-Anbindung der Ukraine und stellte eine zügige Regierungsbildung in Aussicht. "Eine Verfassungsmehrheit - mehr als drei Viertel der Wähler - haben kraftvoll und unumkehrbar einen europäischen Kurs für die Ukraine unterstützt", hieß es in einer Erklärung auf Poroschenkos Webseite. "Jede Verzögerung bei Reformen würde den sicheren Tod bedeuten. Deshalb erwarte ich die rasche Bildung einer Koalition." Poroschenko hatte angekündigt, bereits heute mit Gesprächen über die Regierungsbildung zu beginnen.
    Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko feiert nach der Parlamentswahl den Sieg der pro-westlichen Parteien.
    Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko feiert nach der Parlamentswahl den Sieg der pro-westlichen Parteien. (dpa / picture-alliance / Sergey Dolzhenko)
    Die prorussische Partei von Ex-Präsident Viktor Janukowitsch schaffte es laut Teilergebnissen mit fast zehn Prozent ebenfalls ins Parlament. Zwei weiteren Parteien gelang Prognosen zufolge der Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde:
    • die populistische Radikale Partei von Oleg Liaschko und
    • die Partei der lange inhaftierten Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko
    Russland erkennt Ukraine-Wahl an
    Die russische Regierung hat die Parlamentswahl in der Ukraine anerkannt, kritisierte aber einen "schmutzigen und harten Wahlkampf". Die Führung in Kiew könne sich mit der Machtkonstellation nun "ernsthaft um die Lösung der Kernprobleme der Gesellschaft kümmern", sagte der russische Vize-Außenminister Grigori Karassin der Agentur Interfax. Die prorussischen Separatisten in der umkämpften Ostukraine kritisierten die Abstimmung als "Farce".
    "Die Ukraine geht nach Europa", sagte der polnische Außenminister Grzegorz Schetyna. "Sicher wird es Probleme geben, denn das ist eine neue Ära ukrainischer Wirklichkeit", meinte Schetyna angesichts notwendiger Reformen in Verwaltung und Wirtschaft. "Ich denke, das ist eine große Chance." Vor allem die Ergebnisse in der West-Ukraine mit einer Wahlbeteiligung von mehr als 70 Prozent unterstreichen nach Ansicht von Schetyna den Willen der Ukrainer, den Weg der Annäherung an Europa fortzusetzen.
    Ein ukrainischer Soldat sitzt an einem Checkpoint in der Region Lugansk in der Ostukraine
    Parlamentswahlen in der Ukraine - im umkämpften Osten fiel die Wahlbeteiligung gering aus. (dpa/picture alliance/epa/Roman Pilipey)
    Geringe Wahlbeteiligung im Osten
    Aus dem Osten des Landes wird es kaum Rückenwind für den Wahlsieger geben. Dort gebe es eine weit verbreitete Entfremdung von der Regierung in Kiew, sagte der Europarat-Wahlbeobachter Andrej Hunko (Die Linke) im Deutschlandfunk. Durch das starke Abschneiden der "aggressiver auftretenden" Volksfront von Interims-Ministerpräsident Arseni Jazenjuk stünden "die Zeichen eher wieder auf Eskalation".
    In weiten Teilen der Gebiete Donezk und Lugansk hatten die Aufständischen die Abstimmung nicht zugelassen. 27 der 450 Sitze im Parlament bleiben unbesetzt, weil die Wahlkreise in den östlichen Rebellengebieten und auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim liegen. In den sogenannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk wollen die prorussischen Gegner der Kiewer Regierung die Bürger am kommenden Sonntag separat wählen lassen, um ihre Macht zu legitimieren. Diese Wahl wird international nicht anerkannt - der Kreml hat sich bisher nicht positioniert.
    In Donezk waren am Tag nach der Wahl Schüsse und Explosion zu hören, berichtet die Stadtverwaltung auf ihrer Webseite. Korrespondenten berichten von heftigem Beschuss durch Raketen in der Nähe des örtlichen Flughafens. Seit Anfang September gilt eine Waffenruhe zwischen der ukrainischen Armee und prorussischen Separatisten.
    (sdö/bor)