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Ukrainekonflikt
Kiew verhängt Warenblockade für Rebellengebiete

Trotz zahlreicher militärischer Auseinandersetzungen haben prorussische Seperatisten und die Ukraine bisher regen Handel getrieben. Damit ist nun offiziell Schluss: Der Nationale Rat für Sicherheit und Verteidigung hat die vollständige Blockade des Warenverkehrs beschlossen.

Von Florian Kellermann | 16.03.2017
    Die Regierung in Kiew hat den Transport von Gütern in die Rebellengebiete gestoppt.
    Kiew hat den Transport von Gütern in die Rebellengebiete gestoppt. (dpa/ picture alliance/ Sergey Averin)
    Soll die Ukraine mit den prorussischen Separatisten Handel treiben? Diese Frage hat das Land in den vergangenen Wochen vor allem beschäftigt. Denn einige Front-Veteranen haben die Eisenbahnstrecken blockiert. Die ehemaligen Soldaten verhinderten so, dass Steinkohle aus dem Donezbecken zu den ukrainischen Kraftwerken und Stahlfabriken geliefert wurde. Ihr Argument: Die Ukraine dürfe die Separatisten nicht finanzieren, denn so finanziere sie ihre Feinde.
    Staatspräsident Petro Poroschenko kritisierte diese Blockade gestern in einer Ansprache noch einmal deutlich:
    "Die Blockade hat in den vergangenen anderthalb Monaten die Perspektive, diese Regionen zurück in die Ukraine zu führen, noch weiter von uns entfernt. Unser Einfluss auf der anderen Seite der Frontlinie ist nicht gewachsen, sondern geschrumpft. Die russische Propaganda hatte es noch leichter, dort bei unseren Landsleuten Angst vor der Ukraine zu schüren."
    Tausende Menschen könnten ihren Arbeitsplatz verlieren
    Dann aber vollzog Poroschenko eine erstaunliche Volte. Er verkündete, dass nun der ukrainische Staat ganz offiziell den Warenverkehr mit den Separatistengebieten abbrechen werde. Die Ukraine habe keine andere Wahl, wegen der russischen Reaktion auf die Blockade der Front-Veteranen:
    "Russland hat die Pässe der sogenannten Volksrepubliken anerkannt. Außerdem haben die Separatisten ukrainische Unternehmen konfisziert und besetzt. Die entwendeten Unternehmen sind mehrere Milliarden US-Dollar wert. Ein Teil der ukrainischen Eigentümer haben daraufhin die Produktion eingestellt. Die das nicht gemacht haben, brauchen gar nicht zu hoffen, dass sie ihre Waren in der Ukraine oder in sonst einem Land der Welt verkaufen können."
    In den Separatistengebieten werden durch die Blockade tausende Menschen auf Dauer ihren Arbeitsplatz verlieren, vor allem Bergarbeiter. Aber auch die Ukraine wird die Folgen spüren: Wegen der fehlenden Steinkohle mussten bereits mehrere Fabriken ihre Tore schließen, darunter Koksereien und Stahlwerke. Zu einem Energieengpass wird es nach Ansicht von Experten jedoch nicht kommen, wegen der vergleichsweise milden Temperaturen.
    Den Hauptgrund für die Maßnahme von Präsident Poroschenko sehen Beobachter darin, dass er den ehemaligen Frontsoldaten, die die wilden Blockaden veranstaltet hatten, den Wind aus den Segeln nehmen will. Denn der Konflikt zwischen ihnen und dem Staat wurde immer bedrohlicher. In der Nacht zu gestern nahm die Polizei einige der Aktivisten fest. Der Politologe Wadim Karasjow:
    "Die Regierung stellt das Gewaltmonopol des Staates wieder her. Sie beseitigt die Anarchie, die durch die wilde Blockade entstanden ist. Wenn sie die Blockierer festgenommen und den Handel mit den Separatistengebieten einfach wieder aufgenommen hätte, hätte das zu massiven patriotisch motivierten Protesten geführt. Wir würden in einer ernsthaften innenpolitischen Krise stecken."
    Kritik aus Russland
    Dass die Blockade nun offizielle ukrainische Politik ist, markiert einen tiefen Einschnitt. Auch viele Parteien im Parlament hatten das gefordert - und gehen noch einen Schritt weiter. Der Abgeordnete Anton Heraschtschenko von der Partei "Volksfront":
    "Wir sollten auch die Wirtschaftsbeziehungen zu Russland nach und nach einschränken. Russische Firmen sind nach wie vor in der Ukraine aktiv, auch in strategisch sensiblen Bereichen wie dem Energiesektor. Und wir sind immer noch vom russischen Gas und vom russischen Öl abhängig. 90 Prozent des Benzins, das bei uns verkauft wird, stammt aus russischem Öl."
    Aber es gibt auch scharfe Kritiker. Die Blockade der Wirtschaftsbeziehungen sei der erste Schritt, auf die Separatistengebiete zu verzichten, erklärte etwa der Abgeordnete Mustafa Najem von Poroschenkos Fraktion im Parlament.
    Auch Russland reagierte mit Kritik. Das Außenministerium in Moskau warnte davor, in den Separatistengebieten drohe eine humanitäre Katastrophe.