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Ultratriathlon als Lebenselixier

Der "Ironman" auf Hawaii ist der härteste kommerzielle Triathlon-Wettbewerb der Welt. Doch es gibt eine Steigerung: den "Ultraman", die inoffizielle Langstrecken-WM. Die Athleten legen in drei Tagen 515 Kilometer zurück; am letzten Tag einen Doppel-Marathon. In einer Woche feiert der "Ultraman" sein 25. Jubiläum.

Von Olivia Fritz |
    Zehn Kilometer Schwimmen, 421 Kilometer Radfahren und 84 Kilometer Laufen - also ungefähr die Strecke von Hamburg nach Frankfurt - das alles an drei aufeinander folgenden Tagen. Wer hier mit macht, lernt definitiv seine eigenen physischen und psychischen Grenzen kennen. Der größte Reiz jedes Extremsportlers:

    "Ich habe vor der Distanz Respekt. Ist schon eine ganze Menge, was man da vor sich hat. Ich freue mich aber riesig auf den Wettkampf und kann es eigentlich kaum noch erwarten."

    Markus Joswig hat den Ironman schon geschafft, jetzt macht er zum ersten Mal mit beim Ultraman und ist mit 28 Jahren einer der jüngsten. Seit Oktober letzten Jahres bereitet sich der Student auf den härtesten Triathlon der Welt vor. Sein Pensum: 20 Stunden Training pro Woche.

    "Da sind zwei 20 Kilometerläufe dabei und ein 25 Kilometerlauf, da sind drei Schwimmeinheiten dabei von fünf bis zehn Kilometer und da sind Radeinheiten von 150 bis 180 Kilometer dabei."

    Heute steht Schwimmen auf dem Programm. In dem Gevelsberger Hallenbad ist extra eine Bahn abgetrennt worden für Markus Joswig und seinen Begleiter, Ulli Winkelmann. Der 52-Jährige hat schon 15 Ultraman-Rennen hinter sich und zwei davon sogar gewonnen, obwohl es gerade darauf überhaupt nicht ankomme, betont er.

    "Wer ins Rennen geht, um gegen irgendjemanden zu gewinnen, der hat von Anfang an verloren. Die Nummer funktioniert nicht. Wir sind da zwischen 25 und 30 Stunden unterwegs. Das ist was, was man für sich selber macht."

    Man sollte einen Ironman hinter sich haben, am besten wäre auch ein 100-Kilometerlauf, empfiehlt Winkelmann, aber es gibt keine offizielle Qualifikation. Joswig darf mitmachen, weil Winkelmann ihn dazu eingeladen hat. Die Veranstalter verlassen sich auf das Urteilsvermögen Winkelmanns, der sich für seinen Schützling verbürgen muss.

    "Ich kriege Haue, wenn der Kollege nicht ankommt. Ab nächstem Jahr geht das auch nicht mehr, dann muss man sich beim Ultraman in Kanada qualifizieren, sonst kommt man nicht nach Hawaii."

    Insgesamt treten 35 Athleten an, in diesem Jahr sind elf Frauen dabei. Jeder Teilnehmer muss die Strecke mit einem Begleit-Team absolvieren: Im Kanu und im Teamwagen. Die Strecke führt zunächst durch den Pazifik. Zehn Kilometer an der Küste entlang - durch meterhohe Wellen. Je nach Strömung und Wetterlage eine Kraft raubende Angelegenheit.

    "Ich habe da auch schon mal 70 Minuten auf den gleichen Stein unter mir geschaut. Ich bin dann nach fünf Stunden aus dem Wasser gekrabbelt und war tot, musste dann aber noch aufs Rad - das ist Natur."

    Teilweise sind die Extremsportler mehr als einen Kilometer weit entfernt von der Insel draußen im Pazifik, weil es um viele Vorsprünge und Ecken geht, und es dort auch weniger Strömungen gibt als in Landnähe. Allerdings stößt man so weit draußen oft auf gigantische Meeresbewohner:

    "Sechs, sieben Wale habe ich gesehen. Dann habe ich drei Haie gesehen, wobei einer dabei war, den möchte ich nicht wieder sehen. Und Delfine. Sie ziehen dort ihre Kleinen groß, und die kommen dann immer gucken."

    Auch die Radstrecke hat es in sich: Steile Anstiege auf das Vulkanplateau, tolle Aussichten, viel Buntes. Und dann der 84-Kilometerlauf über Lava, bei Temperaturen um 35 Grad und Null Schatten. Zwölf Stunden hat man Zeit pro Tag - sonst wird man disqualifiziert. Zweimal hat es Ulli Winkelmann nicht geschafft: Wegen eines schwereren Sturzes beim Radfahren und einer Salzwasservergiftung. Doch die Insel lässt ihn nicht los.

    "Es ist die einzige Gegend auf der Erde, wo elf von 13 auf der Erde vorkommenden Klimazonen sind. Da sind zwei 4000m-Vukane. Es ist eine geniale Idee, ein Rennen um diese Insel zu machen."

    Jedes Jahr sei es anders, Zeiten könne man nicht vergleichen, sagt der Sport- und Schulsozialpädagoge, dessen Lebensgefährtin auf Hawaii wohnt. Noch einmal will er den Ultraman machen, noch einmal über sich hinauswachsen. Im Rennen wird er nicht auf Markus Joswig Rücksicht nehmen können, jeder ist auf sich allein gestellt.

    Zu gewinnen gibt es ein T-Shirt und ein Erinnerungsgeschenk, das aus Koaholz geschnitzt, die Inselumrundung zeigt. Es sind also nicht die materiellen Werte, um die es Winkelmann und allen anderen geht. Es ist der besondere Reiz, der jeden Extremsportler packt, auch den Ultraman-Neuling Markus Joswig.

    "Einfach im Wettkampf an seine Grenzen gehen. Seine persönlichen Grenzen kennen zu lernen, auszureizen und dann auch darüber hinauszugehen, wenn´s denn dann sein muss."