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Um jeden Preis gegen Janukowitsch

Die ukrainische Opposition hat sich mit der rechtsextremen Partei Swoboda verbündet. Sie wollen im Parlament zusammenzuarbeiten und die nächste Präsidentschaftswahl gemeinsam vorbereiten. Bislang hatten sich die zwei demokratischen Parteien gegen diese Kooperation gewehrt.

Von Sabine Adler | 27.05.2013
    "Noch bevor Tjagnybok Mitglied der Fraktion der Juschtschenko-Partei Unsere Ukraine werden konnte, trat er mit antisemitischen Parolen auf. Er forderte eine Ukraine frei von Juden. Deswegen wurde er umgehend ausgeschlossen."

    Umso erstaunlicher, dass nach den Massendemonstrationen vor einer Woche die Vaterlandspartei von Julia Timoschenko und UDAR von Vitali Klitschko ausgerechnet mit Swoboda vereinbart haben, bei der kommenden Präsidentschaftswahl im zweiten Wahlgang einen gemeinsamen Kandidaten zu unterstützen. Diskreditiert sich damit die demokratische Opposition, ist sie gar infiziert von dem rechtsextremen Gedankengut?

    "Ich denke nicht, sagt der Politologe und Historiker Andrej Portnow, Klitschko hat sogar mehrfach Swoboda kritisiert. Man darf diese Vereinbarung nicht überbewerten. In der Ukraine wird die Gefahr, die von Fremdenfeindlichkeit ausgeht, generell unterschätzt. Die Leute, auch die Politiker, sagen sich, dass Swoboda durchaus unangenehme Dinge vertritt, aber sie finden es wichtiger, Präsident Janukowitsch zu stürzen und dafür die Kräfte zu bündeln."

    Im Westen, in Deutschland reagiere man viel sensibler auf Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz als in den postsowjetischen Ländern. Viel präsenter als diese Gefahr ist die Angst vor den angeblichen neoimperialistischen Bestrebungen Russlands. Präsident Janukowitsch und seiner Partei der Regionen spielt der Schulterschluss der Opposition mit den Rechtsextremen in die Hände, spannt Swoboda sogar für ihre Zwecke ein.

    "Entweder die gesamte Opposition wird als radikal und fremdenfeindlich hingestellt oder aber man bedient sich solcher Figuren, wie des Swoboda-Chefs. Selbst wenn der gegen Janukowitsch bei der nächsten Präsidentschaftswahl anträte, würde er ihm nicht gefährlich werden. Auf diese Weise erreicht man, dass sich die Opposition selbst zerlegt, und die Wählerschaft fragmentiert."

    Vitali Klitschko zieht alle Register, um seine Anhängerschaft hinter sich zu versammeln, wie hier in einem Aufruf per Video. Doch Janukowitsch mit seiner Partei der Regionen ist bislang stärker, konnte weit mehr Bürger auf dem sogenannten Marsch gegen Faschismus mobilisieren. Das hat historische Gründe, erklärt der Geschichtswissenschaftler Andrej Portnow.
    "Im heutigen Russland, der Ukraine oder Weißrussland kommt das Wort Nazismus kaum vor, nur von Faschismus, der sich wiederum keineswegs nur auf die Diktaturen in Nazi-Deutschland, Italien oder Spanien beschränkt, sondern ganz generell alles Schlechte meint. Genau deshalb hat die Regierungspartei für ihre Aktion diese Losung gewählt. Gegen Faschismus. Antifaschismus ist etwas Richtiges gegen das Falsche, Schlechte. Die Leute verbinden mit Antifaschismus aber leider nicht: gegen Diktatur, gegen autoritäre Herrschaft."

    Andererseits habe sich keiner auf dem Antifaschismus-Marsch der Regierung beispielsweise zu Toleranz gegenüber Migranten aufgerufen, oder Antisemitismus verurteilt.

    Innerhalb von Udar und Vaterland war jegliche Kooperation mit der radikalen Swoboda bislang verpönt. Das hat sich geändert. Dass den Oppositionsparteien zwei Jahre vor der Präsidentschaftswahl nichts anderes anzubieten haben, als einen gemeinsamen Kandidaten den zweiten Wahlgang zu unterstützen, zeuge von ihrer programmatischen, intellektuellen Schwäche, so die Kritiker der Verbrüderungsaktion mit den Rechtsextremen.