Dienstag, 16. April 2024

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Umgang mit Flüchtlingen
Menschenrechtler kritisieren die Türkei

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International macht der Türkei schwere Vorwürfe. Flüchtlinge würden von den Behörden festgenommen und vor die Wahl gestellt: Haft oder Abschiebung. Auch die EU steht in der Kritik. Sie soll ihre Kooperation mit dem Land in der Flüchtlingskrise stoppen, verlangt Amnesty. Die türkische Regierung wies die Vorwürfe zurück.

16.12.2015
    Syrische Flüchtlinge stehen vor der verschlossenen Gittertür der Moschee am Istanbuler Busbahnhof am 18.9.2015
    Syrische Flüchtlinge stehen vor der verschlossenen Gittertür der Moschee am Istanbuler Busbahnhof am 18.9.2015 (picture alliance / dpa / Tolga Bozoglu)
    In einem neuen Bericht beruft sich die Menschenrechtsorganisation Amnesty International unter anderem auf die Aussagen von Flüchtlingen und EU-Vertretern. Die Türkei verstoße gegen internationales Recht, kritisierte Asyl-Expertin Wiebke Judith von Amnesty Deutschland: "Die Türkei stellt die Menschen vor eine unmenschliche Wahl: Entweder sie bleiben auf unbestimmte Zeit in Haft, oder sie kehren in ihre Heimatländer Syrien und Irak zurück, wo ihnen Verfolgung, Folter und Tod drohen."
    Kontakt zur Außenwelt abgeschnitten
    Seitdem die EU die Hilfe der Türkei bei der Flüchtlingskrise gesucht habe, habe sich die Situation in dem Land verschlechtert. Hunderte Flüchtlinge seien seit Mitte September an der türkischen Westgrenze festgenommen und in spezielle Einrichtungen gebracht worden. Einige berichteten, dass sie dort mehrere Wochen oder sogar bis zu zwei Monate festgehalten worden seien, ohne eine Begründung dafür genannt bekommen zu haben. Handys seien von den Behörden eingezogen worden, Besuche von Familienangehörigen oder Anwälten verboten.
    Diese besonderen Einrichtungen nennen die Behörden offiziell Rückführungs- und Aufnahmezentren. Aus Sicht von Amnesty sind es Haftanstalten. Zwei befinden sich zum Beispiel im osttürkischen Erzurum und in Osmaniye, im Süden des Landes. Insgesamt plant die Türkei 22 solcher Zentren.
    EU finanzieren Zentren angeblich mit
    Im Zusammenhang mit den Einrichtungen steht auch die EU in der Kritik. Sie finanziere diese mit, so Amnesty. Das sei "schockierend". Nach Angaben der Organisation würden Label an Gegenständen in den Zentren, wie etwa an Betten, Handtüchern und Schränken, eine Finanzierung durch die EU ausweisen.
    Die Außenbeauftragte der EU, Federica Mogherini, sagte, man habe den Amnesty-Bericht zur Kenntnis genommen und sehe ihn sich genau an. Amnesty fordert die EU in ihrem Bericht auf, die Zusammenarbeit mit der Türkei zu stoppen, solange die Menschenrechtsverletzungen anhielten.
    Schwierige Lage der Flüchtlinge
    Die Türkei hat alleine aus Syrien etwa 2,2 Millionen Flüchtlinge aufgenommen und spezielle Lager für sie eingerichtet. Die meisten Schutzsuchenden leben allerdings außerhalb der Lager, und das unter schwierigen Bedingungen. Weil Flüchtlinge keine Arbeitserlaubnis haben, jobben viele schwarz und zu Dumpinglöhnen. Vielfach müssen auch Flüchtlingskinder arbeiten und können nicht zur Schule gehen. Weil ihre Zukunftsaussichten in der Türkei so schlecht sind, wollen viele weiter Richtung Europa ziehen. Das soll sich mit dem türkisch-europäischen Aktionsplan ändern. Die EU zahlt der Türkei unter anderem drei Milliarden Euro, um die Situation der Flüchtlinge im Land zu verbessern. Außerdem soll das Land seine Grenzen besser absichern.