Auch wenn er in deutschen Landen längst in Rente ist - Stefan Derrick ist seit Jahrzehnten ein Exportschlager made in Germany und läuft quasi weltweit. Seinen Erfolg konnten weder der Eiserne Vorhang in Europa noch die erheblichen Sprachunterschiede in Japan aufhalten. Ein Krimi, dessen Bekanntheitsgrad aber auch beigetragen hat zum schlechten Ruf deutscher TV-Produktionen weltweit und zu deren Verkaufsschwierigkeiten: Was aus Deutschland kommt, frönt der Tristesse und dem Weltschmerz, ist zu ernst, nachdenklich und traurig. So heißt es im Ausland. Gegenbeispiele gibt es in der Tat nicht viele, eigentlich nur eins - Wetten, dass..?
Abgesehen von der Idee Frank Elstners und von den Freitagskrimis tun sich Formate von ARD und ZDF schwer auf dem Weltmarkt. Auch die Amerikaner haben mittlerweile erkannt, dass Europas TV-Anstalten längst keine sichere Bank mehr sind für ihre Produkte. Auf der jüngsten Fernsehmesse in Cannes waren die Warner-Brother-Studios mit ihren aktuellen Produktionen erst gar nicht angereist und hatte sich Metro-Goldwyn-Mayer dem Stand von NBC zugesellt. Deutschland ist nunmehr stolz auf seine eigenen Produkte.
Aber auch vermeintliche Eigenproduktionen sind oftmals importierte Formate. Wer wird Millionär? kommt aus England, Big Brother hingegen aus Holland. Dennoch: Wenn die Grundidee stimmt, werden die Formate eingekauft, deutsch adaptiert - und sichern so den Programmnachschub.
Die Kriterien sind im wesentlichen natürlich die Angebote, das Preis-Leistungs-Verhältnis, die Qualität und die Professionalität in der Zusammenarbeit. Es ist auch schon vorgekommen, dass wir uns mit Firmen zunächst arrangiert haben, deren Standards nicht den unseren entsprachen, d.h.. diese Zusammenarbeit ist dann relativ schnell beendet worden.
Wolfgang Vietze, der Fernsehdirektor des Mitteldeutschen Rundfunks. Für den MDR, den Rest der ARD, für das ZDF wie für die Privaten gilt ein weiteres Kriterium: Was eingekauft und nicht selbst produziert wird, muss sich wiederholen und somit rechnen lassen. Martin Berthoud, Leiter der Programmplanung beim Zweiten Deutschen Fernsehen:
Sie müssen wiederholbar sein, aber sie müssen wiederholbar sein auch aus diesen inhaltlichen Gründen. Wenn Sie etwas haben und produzieren - solche Fälle gibt es auch -, was die Zuschauer bereits nach kurzer Zeit nicht mehr interessiert, weil es schlecht gemacht ist, dann können Sie das nicht mehr wiederholen. Dann werden Sie nämlich bei der Zweit- und Drittausstrahlung merken, dass Ihnen die Zuschauer weglaufen. Dafür gibt's viele Beispiele bei uns.
Das wären dann Sendungen, die sich weder wiederholen noch ins Ausland verkaufen lassen. Gegenbeispiele: Die Verfilmung der Tagebücher von Victor Klemperer oder auch Der Laden - zwei typisch deutsche, weil ernste Produktionen, die zudem sehr stark auf ein deutsches Publikum zugeschnitten waren und deswegen keine Exportchancen hatten. Aber: Sie sind ebenso typisch öffentlich-rechtlich, weil sie mehr als den Augenblick bedienen , so Martin Berthoud, was sich daran zeige, "dass wir vor allem in den fiktionalen Programmen Themen aufgreifen, Probleme aufgreifen, die mit der Lebenswirklichkeit der Zuschauer zu tun haben, die ihnen - ich sage das jetzt einmal im Aufgreifen einer Formulierung aus einem mediensoziologischen Zusammenhang - ein bisschen von der Zeit zurückgeben, die sie dem Fernsehen widmen, und die von daher auch nach 3 oder 4 Jahren auch noch einmal so interessant anzuschauen sind, dass man hier eben von Repertoirecharakter und besonderen Programmqualitäten sowohl im Thema als auch von der Inszenierung und Darstellung reden kann."
Auch SAT.1 überlegt sich, wie oft Fernsehfilme eingesetzt werden können, erst recht, wenn sie teuer produziert und aufwendig hergestellt waren. Vera Brühne und Wambo wollten im Frühjahr nur zwischen elf und vierzehn Prozent der SAT.1-Zielgruppe sehen, die zwischen vierzehn und 49 Jahren liegt. Dennoch will Geschäftsführer Martin Hoffmann sowohl an eigenproduzierten Filmen wie der anvisierten Zuschauerschaft festhalten.
Das Wesentliche ist, dass wir von der Werbewirtschaft - und wir leben als kommerzielles TV-Unternehmen von unseren Werbebuchungen - nur und ausschließlich 14-bis 49jährige bezahlt bekommen. Also, die Kontakte, die wir für die werbetreibende Wirtschaft in dieser Zielgruppe herstellen, die bekommen wir bezahlt. Gegenwärtig müssen wir und wollen wir unser Geld dort verdienen, wo es der Markt vorgibt, und das ist die Zielgruppe 14-49. Deswegen sind wir mit der grundsätzlichen Programmausrichtung, die eine Vielfalt und alle Altersstrukturen abdeckt, zufrieden, fokussieren uns allerdings aufgrund dieser wirtschaftlichen Überlegungen gegenwärtig auf die Altersgruppe 14 bis 49.
Zahlreiche und komplizierte Überlegungen also, die heute angestellt werden, wenn Deutschlands Sender selbst Filme und Serien herstellen bzw. sie in Auftrag geben und produzieren lassen. Bis vor einigen Jahren war dies noch einfacher, da waren vor allem Serien aus den USA gefragt. Was heute die urdeutschen Produkte Lindenstraße, Das Erbe der Guldenburgs oder die zahlreichen Soaps im Vorabendprogramm sind, waren in der 80er Jahren Straßenfeger à la Dallas und Denver , die ihre Spuren in der deutschen Fernsehlandschaft hinterlassen haben.
Was haben wir im deutschen Fernsehen gelernt? Sicherlich, dass der Erfolg serieller Programme nicht zuletzt auch mit ihrem langlaufenden Charakter zusammenhängt. Zweitens, dass TV ein Geschichtenerzähler ist, d.h. jede Serie muss in ihrer einzelne Folge eben auch eine Geschichte haben, die sich dann fortsetzt, um die Neugier, um das Dabeibleiben zu locken; dass wir überhaupt erst einmal angefangen haben, unsere serielle Welt nicht in 6 oder 13 Folgen aufzuteilen, sondern 24, 48, ja 100 Folgen zu produzieren - das ist u.a. auch aus dem Vorbildcharakter dieser Sendungen entstanden.
ZDF-Intendant Dieter Stolte über die Lehren aus Öl und Cowboys, made in America. Doch Dallas war gestern - heute soll es deutsch sein, bitteschön, und - wenn möglich - auch noch lustig. Denn Comedy ist ebenfalls in und mittlerweile fast ein sicheres Format.
Da ist die Produktionsfirma Brainpool jahrelang mit diesem Format hausieren gegangen, doch kein Sender in deutschen Landen wollte es haben. Mittlerweile läuft TV total fast täglich, ist nach Frankreich und Großbritannien verkauft worden und hat durch TV, TV bei RTL II seinen Nachahmer gefunden. Bei ARD und ZDF, da hat Brainpool noch nie Glück gehabt. Jürgen Grabosch, der Vorstandsvorsitzende:
Erstaunlicherweise findet doch viel innovatives und neues Programm bei den privaten Sendern statt, von Harald Schmidt über RTL Samstag Nacht über Stefan Raab bis hin zu Ingo Appelt. Ich bin immer wieder verwundert darüber, dass im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, das ja noch eine Vielzahl an Dritten Programmen hat, in denen man ohne diesen kommerziellen Druck, alles direkt durch Werbeeinnahmen refinanzieren zu müssen, doch wirklich einmal mutiger sein könnte, und finde das eigentlich auch eine Aufgabe der Öffentlich-Rechtlichen, Talente und neue Formate zu fördern. Da würde ich mir wünschen, dass mehr von dem Gebührengeld in diese Richtung geht, denn in die altbewährte Volksmusik.
Nur: Wenn das Format floppt, dann sind eben diese Gebührengelder weg. Bei den Privaten sind es einerseits die Werbeeinnahmen, die den Zuschauer nicht so teuer zu stehen kommen, bei deren Ausbleiben aber am Ende das ganze Unternehmen gefährdet ist. Auch Die Wochenshow ist jetzt von Brainpool nach Lettland verkauft worden. Umgekehrt hat Die Quiz-Show den Weg ins deutsche Wohnzimmer gefunden, genauso wie Was bin ich? - beide von Pearson TV lizensiert. Dabei kam das Heitere Beruferaten ursprünglich aus den USA, wurde dort bis 1974 unter dem Titel What's my Line? produziert - und im letzten Jahr von dem amerikanischen Network CBS wieder ins Programm genommen. Genauso wie in Deutschland, wo Kabel 1 diese eigentliche alte Idee ebenfalls im letzten Jahr wiederentdeckt hatte.
Fünfundvierzig Jahre nach der ersten und elf Jahre nach der letzen Ausgabe von Was bin ich? klang die Neuauflage eigentlich ganz vertraut.
Die Musik ist ein wenig jünger geworden, das Rateteam ebenfalls. Aber auch zwischen den beiden Leben von Was bin ich? ist im deutschen Fernsehen versucht worden, mit ziemlich genau dem gleichen Format Quote und damit zum Teil auch Werbeeinnahmen zu erzielen, den Programmnachschub also relativ preisgünstig und unkreativ bereitzustellen und dabei doch einen Gewinn einzustreichen. Die Ergebnisse waren ernüchternd. Weder Ex-Ratefuchs Guido Baumann mit Heiter weiter bei SAT.1 noch ARD-Urgestein Joachim Fuchsberger mit Ja oder Nein?! konnten sich lange halten. Doch der jetzige Erfolg des Original-Formats zur Hauptsendezeit auf Kabel 1 zeigt, dass man an alten Ideen nicht herumspielen sollte. Entweder ein Sender hievt ein neues Format ins Programm - oder macht ein altes dann auch konsequent nach. In der Version von Pearson TV versucht nun eine neue Mannschaft ein Revival der Original-Sendung, bei der nun wirklich optisch, akustisch und inhaltlich alles so ist wie damals - wie gesagt, abgesehen von den Gesichtern und Stimmen, hier die des Gastgebers.
Es würde wahnsinnig viel kaputtmachen, wenn man jetzt mit Elektronik anfängt. Also, die Klappkarten elektronisch, der Gong wird von der Regie eingespielt, das Schwein kommt virtuell und schwebt unten quer über den Bildschirm und ist durchsichtig und hat in sich 5-Mark-Stücke oder so 'was. Ist eine kleine Spielerei. Lassen Sie uns den Gong bitte, lass uns das Schweinderl und lassen Sie uns die Klappkarten, die wahrscheinlich ständig hängen bleibt. Bei den Proben ist sie ständig hängen geblieben. Irgendwo, die 9 und die 10 - wenn man's zu schwungvoll macht, dann bleibt die Karte hängen. Blieb aber bei Lembke schon hängen.
Björn Hergen Schimpf über die bewusste Entscheidung des Senders und der Produktionsfirma, auf altbewährte Sendeinhalte nicht zu verzichten. Dazu gehört übrigens auch der Gewinn, denn mehr als fünfzig Mark und einen warmen Händedruck des Moderators gibt es bei Was bin ich? nach wie vor nicht abzuräumen.
Man kann es mit Sicherheit nicht vergleichen mit Jauch oder mit 21 von Meiser oder Wer wird Millionär? oder wie auch immer ... - Millionär wird man ja jetzt sehr schnell überall - und dieser Sendung ... Ich glaube, der Reiz hier drin ist - genau wie damals auch - die alte Geschichte: Der Zuschauer weiß mehr als die vier prominenten Köpfe da vorne. Nämlich er kennt den Beruf, oder er rät mit. Aber die meisten gucken ja doch mal: 'Was ist der denn wirklich von Beruf?' Und daraus entsteht ja die Spannung, dass die völlig normale Sachen fragen, die im Kontext zu dem tatsächlichen Beruf des Menschen dann als lustig 'rüberkommen. Das ist der Charme, der damals war. Heute spricht man vielleicht ein bisschen schneller, heute geht's 'mal bei denen durcheinander, aber im Prinzip ist es das gleiche Ding wie damals.
Warum also am Konzept - oder eben am finanziellen Gewinn - eines erfolgreichen Formats herumspielen; fünfzig Mark sind ja auch Geld. Norbert Blüm, einst Bundesarbeitsminister, heute Ratefuchs.
Die Summen, die als Preis da ausgesetzt werden, die müssen jedes Spiel kaputtmachen. Wenn ich um 10 Millionen spielen würde - ich wäre mit Sicherheit nicht locker. Das ist eine Form von Existenzkampf. Und ein Spiel muss was von Freiheit haben, muss ein Ausstieg aus dem Alltag sein. Und insofern verdirbt diese Art von Geldmacherei im Spiel die Spielfreude, macht das Spiel kaputt.
Auch wenn die Gewinnsummen anderer Fernsehquizshows wesentlich höher liegen und damit nicht mehr dem bescheidenen Kabel-1-Niveau entsprechen, zeige der Erfolg anderer Quizformate jedoch, dass die Gameshow prinzipiell wieder primetimefähig geworden sei, unabhängig von der Höhe des Gewinns, so der Geschäftsführer des Münchner Senders, Nicholas Paalzow. Deswegen läuft Was bin ich? auch bewußt um 20:15 und soll damit auch andere ebenfalls von Kabel 1 übernommene Formate wie das Glücksrad und Geh' auf's Ganze! ergänzen.
Ich bin überzeugt davon, dass Was bin ich? in dieses Konzept passt, weil Was bin ich? den gleichen zeitlosen Anspruch wie beispielsweise. das Glücksrad. Was bin ich? ist 34 Jahre in Deutschland gelaufen, und Sie finden kaum eine Sendung, die eine größere Marken-Bekanntheit hat als Was bin ich? Und insofern passt es sehr gut in dieses Konzept rein.
Das Konzept aber, ein Team von vielleicht vier Leuten den Beruf eines Studiogastes raten zu lassen, ist also weder neu noch besonders einfallsreich. Hätte man darauf also nicht selbst kommen können? Was ist sinnvoller - kaufen oder erfinden, Dr. Peter Lück, Anwalt der ProSiebenSAT.1 Media AG?
Wir übernehmen häufig erfolgreiche Formate aus dem Ausland, weil diese Formate bereits eingeführt sind, im Ausland erfolgreich, weil sie bei den Werbekunden eben bekannt sind und weil gewisse Kinderkrankheiten, die Formate am Anfang immer haben, bereits beseitigt worden sind. Im Gegenzug gibt es auch Formate, bei denen wir einfach nicht einsehen, dass wir sie nicht auch selbst produzieren können, weil sie auch ein sehr geringes Maß an Eigenkreativität haben, bspw. wenn man Leute auf eine Insel tut, um sie dort zu beobachten, was sie eben tun. Das ist eine Sache, die können wir auch selbst tun, und da brauchen wir kein erfolgreiches ausländisches Format.
Und selbst wenn ein solches Format im Ausland gut laufen sollte, ist dies noch keine Erfolgsgarantie für den deutschen Markt. Beispiel: Gottschalks Haus-Party auf SAT.1, die zwar nicht direkt ein Flop war, aber doch weit hinter den Erwartungen zurückblieb. Auch ein Zugpferd ersten Ranges à la Thomas Gottschalk also kann eine Sendung nicht ziehen, wenn das Format nicht stimmt. Konsequenz im Hause Kirch: Weg vom Einkaufen; Selbermachen ist wieder in.
Der Trend geht natürlich dahin, dass in zunehmenden Maße die fremden Produzenten uns Produkte anbieten, die bei Erfolg eben sehr, sehr teuer werden. Und das will man versuchen zu vermeiden. Wenn ein Produkt halt eben einen gewissen Erfolgsquotienten hat, wie bspw. bei Raab, Die Wochenshow, dann wird es sehr, sehr schwer, den Moderator und den Produzenten für eine Folgestaffel zu vernünftigen wirtschaftlichen Bedingungen zu verpflichten. Und das will man versuchen, zu vermeiden.
Und so soll denn Kirch Media Entertainment für die Programme der Kirch-Gruppe Neues billiger machen. Insourcing statt Outsourcing. Die neue SAT.1-Show Quizfire ist eines der ersten Produkte der KME. Der Erfolg lässt hier noch zu wünschen übrig, die Werbepreise der Sendung, die werktags zwischen 17 Uhr und 17:30 Uhr ausgestrahlt wird, mussten bereits gesenkt werden, das Konzept geändert, der Moderator ausgetauscht. Die KME will ihre Formate aber allen Anstalten anbieten, genauso wie Pearson TV, die - obschon es zur RTL Group gehört - zu zwei Dritteln für andere Sender arbeitet - darunter auch die Öffentlich-Rechtlichen. Denn es kann ja immer sein, dass das eigene Haus sie nicht will...
Das geht bei uns nach dem Marktprinzip: Wenn diese Formate erfolgreich sind oder erfolgversprechend sind, dann werden wir sie nehmen, wenn sie zu attraktiven Bedingungen sind. Wenn andere, freie Produzenten uns bessere Produkte zu besseren Preisen anbieten, werden wir uns dafür entscheiden.
Denn natürlich regiert auch innerhalb der Sendeanstalten, ob öffentlich-rechtlicher oder privater Natur, ein Wettbewerb der Ideen, aber auch der kostengünstigsten und gewinnträchtigsten Realisierung. Umsatz für die Glotze lohnt sich eben nur, wenn unter dem Strich schwarze Zahlen stehen - unabhängig davon, ob bei dem Export eines Formats dem Rest der Welt ein regelrechter Kulturschock zugemutet wird, wie beispielsweise besagter Oberinspektor Stefan Derrick im japanischen Fernsehen.
Abgesehen von der Idee Frank Elstners und von den Freitagskrimis tun sich Formate von ARD und ZDF schwer auf dem Weltmarkt. Auch die Amerikaner haben mittlerweile erkannt, dass Europas TV-Anstalten längst keine sichere Bank mehr sind für ihre Produkte. Auf der jüngsten Fernsehmesse in Cannes waren die Warner-Brother-Studios mit ihren aktuellen Produktionen erst gar nicht angereist und hatte sich Metro-Goldwyn-Mayer dem Stand von NBC zugesellt. Deutschland ist nunmehr stolz auf seine eigenen Produkte.
Aber auch vermeintliche Eigenproduktionen sind oftmals importierte Formate. Wer wird Millionär? kommt aus England, Big Brother hingegen aus Holland. Dennoch: Wenn die Grundidee stimmt, werden die Formate eingekauft, deutsch adaptiert - und sichern so den Programmnachschub.
Die Kriterien sind im wesentlichen natürlich die Angebote, das Preis-Leistungs-Verhältnis, die Qualität und die Professionalität in der Zusammenarbeit. Es ist auch schon vorgekommen, dass wir uns mit Firmen zunächst arrangiert haben, deren Standards nicht den unseren entsprachen, d.h.. diese Zusammenarbeit ist dann relativ schnell beendet worden.
Wolfgang Vietze, der Fernsehdirektor des Mitteldeutschen Rundfunks. Für den MDR, den Rest der ARD, für das ZDF wie für die Privaten gilt ein weiteres Kriterium: Was eingekauft und nicht selbst produziert wird, muss sich wiederholen und somit rechnen lassen. Martin Berthoud, Leiter der Programmplanung beim Zweiten Deutschen Fernsehen:
Sie müssen wiederholbar sein, aber sie müssen wiederholbar sein auch aus diesen inhaltlichen Gründen. Wenn Sie etwas haben und produzieren - solche Fälle gibt es auch -, was die Zuschauer bereits nach kurzer Zeit nicht mehr interessiert, weil es schlecht gemacht ist, dann können Sie das nicht mehr wiederholen. Dann werden Sie nämlich bei der Zweit- und Drittausstrahlung merken, dass Ihnen die Zuschauer weglaufen. Dafür gibt's viele Beispiele bei uns.
Das wären dann Sendungen, die sich weder wiederholen noch ins Ausland verkaufen lassen. Gegenbeispiele: Die Verfilmung der Tagebücher von Victor Klemperer oder auch Der Laden - zwei typisch deutsche, weil ernste Produktionen, die zudem sehr stark auf ein deutsches Publikum zugeschnitten waren und deswegen keine Exportchancen hatten. Aber: Sie sind ebenso typisch öffentlich-rechtlich, weil sie mehr als den Augenblick bedienen , so Martin Berthoud, was sich daran zeige, "dass wir vor allem in den fiktionalen Programmen Themen aufgreifen, Probleme aufgreifen, die mit der Lebenswirklichkeit der Zuschauer zu tun haben, die ihnen - ich sage das jetzt einmal im Aufgreifen einer Formulierung aus einem mediensoziologischen Zusammenhang - ein bisschen von der Zeit zurückgeben, die sie dem Fernsehen widmen, und die von daher auch nach 3 oder 4 Jahren auch noch einmal so interessant anzuschauen sind, dass man hier eben von Repertoirecharakter und besonderen Programmqualitäten sowohl im Thema als auch von der Inszenierung und Darstellung reden kann."
Auch SAT.1 überlegt sich, wie oft Fernsehfilme eingesetzt werden können, erst recht, wenn sie teuer produziert und aufwendig hergestellt waren. Vera Brühne und Wambo wollten im Frühjahr nur zwischen elf und vierzehn Prozent der SAT.1-Zielgruppe sehen, die zwischen vierzehn und 49 Jahren liegt. Dennoch will Geschäftsführer Martin Hoffmann sowohl an eigenproduzierten Filmen wie der anvisierten Zuschauerschaft festhalten.
Das Wesentliche ist, dass wir von der Werbewirtschaft - und wir leben als kommerzielles TV-Unternehmen von unseren Werbebuchungen - nur und ausschließlich 14-bis 49jährige bezahlt bekommen. Also, die Kontakte, die wir für die werbetreibende Wirtschaft in dieser Zielgruppe herstellen, die bekommen wir bezahlt. Gegenwärtig müssen wir und wollen wir unser Geld dort verdienen, wo es der Markt vorgibt, und das ist die Zielgruppe 14-49. Deswegen sind wir mit der grundsätzlichen Programmausrichtung, die eine Vielfalt und alle Altersstrukturen abdeckt, zufrieden, fokussieren uns allerdings aufgrund dieser wirtschaftlichen Überlegungen gegenwärtig auf die Altersgruppe 14 bis 49.
Zahlreiche und komplizierte Überlegungen also, die heute angestellt werden, wenn Deutschlands Sender selbst Filme und Serien herstellen bzw. sie in Auftrag geben und produzieren lassen. Bis vor einigen Jahren war dies noch einfacher, da waren vor allem Serien aus den USA gefragt. Was heute die urdeutschen Produkte Lindenstraße, Das Erbe der Guldenburgs oder die zahlreichen Soaps im Vorabendprogramm sind, waren in der 80er Jahren Straßenfeger à la Dallas und Denver , die ihre Spuren in der deutschen Fernsehlandschaft hinterlassen haben.
Was haben wir im deutschen Fernsehen gelernt? Sicherlich, dass der Erfolg serieller Programme nicht zuletzt auch mit ihrem langlaufenden Charakter zusammenhängt. Zweitens, dass TV ein Geschichtenerzähler ist, d.h. jede Serie muss in ihrer einzelne Folge eben auch eine Geschichte haben, die sich dann fortsetzt, um die Neugier, um das Dabeibleiben zu locken; dass wir überhaupt erst einmal angefangen haben, unsere serielle Welt nicht in 6 oder 13 Folgen aufzuteilen, sondern 24, 48, ja 100 Folgen zu produzieren - das ist u.a. auch aus dem Vorbildcharakter dieser Sendungen entstanden.
ZDF-Intendant Dieter Stolte über die Lehren aus Öl und Cowboys, made in America. Doch Dallas war gestern - heute soll es deutsch sein, bitteschön, und - wenn möglich - auch noch lustig. Denn Comedy ist ebenfalls in und mittlerweile fast ein sicheres Format.
Da ist die Produktionsfirma Brainpool jahrelang mit diesem Format hausieren gegangen, doch kein Sender in deutschen Landen wollte es haben. Mittlerweile läuft TV total fast täglich, ist nach Frankreich und Großbritannien verkauft worden und hat durch TV, TV bei RTL II seinen Nachahmer gefunden. Bei ARD und ZDF, da hat Brainpool noch nie Glück gehabt. Jürgen Grabosch, der Vorstandsvorsitzende:
Erstaunlicherweise findet doch viel innovatives und neues Programm bei den privaten Sendern statt, von Harald Schmidt über RTL Samstag Nacht über Stefan Raab bis hin zu Ingo Appelt. Ich bin immer wieder verwundert darüber, dass im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, das ja noch eine Vielzahl an Dritten Programmen hat, in denen man ohne diesen kommerziellen Druck, alles direkt durch Werbeeinnahmen refinanzieren zu müssen, doch wirklich einmal mutiger sein könnte, und finde das eigentlich auch eine Aufgabe der Öffentlich-Rechtlichen, Talente und neue Formate zu fördern. Da würde ich mir wünschen, dass mehr von dem Gebührengeld in diese Richtung geht, denn in die altbewährte Volksmusik.
Nur: Wenn das Format floppt, dann sind eben diese Gebührengelder weg. Bei den Privaten sind es einerseits die Werbeeinnahmen, die den Zuschauer nicht so teuer zu stehen kommen, bei deren Ausbleiben aber am Ende das ganze Unternehmen gefährdet ist. Auch Die Wochenshow ist jetzt von Brainpool nach Lettland verkauft worden. Umgekehrt hat Die Quiz-Show den Weg ins deutsche Wohnzimmer gefunden, genauso wie Was bin ich? - beide von Pearson TV lizensiert. Dabei kam das Heitere Beruferaten ursprünglich aus den USA, wurde dort bis 1974 unter dem Titel What's my Line? produziert - und im letzten Jahr von dem amerikanischen Network CBS wieder ins Programm genommen. Genauso wie in Deutschland, wo Kabel 1 diese eigentliche alte Idee ebenfalls im letzten Jahr wiederentdeckt hatte.
Fünfundvierzig Jahre nach der ersten und elf Jahre nach der letzen Ausgabe von Was bin ich? klang die Neuauflage eigentlich ganz vertraut.
Die Musik ist ein wenig jünger geworden, das Rateteam ebenfalls. Aber auch zwischen den beiden Leben von Was bin ich? ist im deutschen Fernsehen versucht worden, mit ziemlich genau dem gleichen Format Quote und damit zum Teil auch Werbeeinnahmen zu erzielen, den Programmnachschub also relativ preisgünstig und unkreativ bereitzustellen und dabei doch einen Gewinn einzustreichen. Die Ergebnisse waren ernüchternd. Weder Ex-Ratefuchs Guido Baumann mit Heiter weiter bei SAT.1 noch ARD-Urgestein Joachim Fuchsberger mit Ja oder Nein?! konnten sich lange halten. Doch der jetzige Erfolg des Original-Formats zur Hauptsendezeit auf Kabel 1 zeigt, dass man an alten Ideen nicht herumspielen sollte. Entweder ein Sender hievt ein neues Format ins Programm - oder macht ein altes dann auch konsequent nach. In der Version von Pearson TV versucht nun eine neue Mannschaft ein Revival der Original-Sendung, bei der nun wirklich optisch, akustisch und inhaltlich alles so ist wie damals - wie gesagt, abgesehen von den Gesichtern und Stimmen, hier die des Gastgebers.
Es würde wahnsinnig viel kaputtmachen, wenn man jetzt mit Elektronik anfängt. Also, die Klappkarten elektronisch, der Gong wird von der Regie eingespielt, das Schwein kommt virtuell und schwebt unten quer über den Bildschirm und ist durchsichtig und hat in sich 5-Mark-Stücke oder so 'was. Ist eine kleine Spielerei. Lassen Sie uns den Gong bitte, lass uns das Schweinderl und lassen Sie uns die Klappkarten, die wahrscheinlich ständig hängen bleibt. Bei den Proben ist sie ständig hängen geblieben. Irgendwo, die 9 und die 10 - wenn man's zu schwungvoll macht, dann bleibt die Karte hängen. Blieb aber bei Lembke schon hängen.
Björn Hergen Schimpf über die bewusste Entscheidung des Senders und der Produktionsfirma, auf altbewährte Sendeinhalte nicht zu verzichten. Dazu gehört übrigens auch der Gewinn, denn mehr als fünfzig Mark und einen warmen Händedruck des Moderators gibt es bei Was bin ich? nach wie vor nicht abzuräumen.
Man kann es mit Sicherheit nicht vergleichen mit Jauch oder mit 21 von Meiser oder Wer wird Millionär? oder wie auch immer ... - Millionär wird man ja jetzt sehr schnell überall - und dieser Sendung ... Ich glaube, der Reiz hier drin ist - genau wie damals auch - die alte Geschichte: Der Zuschauer weiß mehr als die vier prominenten Köpfe da vorne. Nämlich er kennt den Beruf, oder er rät mit. Aber die meisten gucken ja doch mal: 'Was ist der denn wirklich von Beruf?' Und daraus entsteht ja die Spannung, dass die völlig normale Sachen fragen, die im Kontext zu dem tatsächlichen Beruf des Menschen dann als lustig 'rüberkommen. Das ist der Charme, der damals war. Heute spricht man vielleicht ein bisschen schneller, heute geht's 'mal bei denen durcheinander, aber im Prinzip ist es das gleiche Ding wie damals.
Warum also am Konzept - oder eben am finanziellen Gewinn - eines erfolgreichen Formats herumspielen; fünfzig Mark sind ja auch Geld. Norbert Blüm, einst Bundesarbeitsminister, heute Ratefuchs.
Die Summen, die als Preis da ausgesetzt werden, die müssen jedes Spiel kaputtmachen. Wenn ich um 10 Millionen spielen würde - ich wäre mit Sicherheit nicht locker. Das ist eine Form von Existenzkampf. Und ein Spiel muss was von Freiheit haben, muss ein Ausstieg aus dem Alltag sein. Und insofern verdirbt diese Art von Geldmacherei im Spiel die Spielfreude, macht das Spiel kaputt.
Auch wenn die Gewinnsummen anderer Fernsehquizshows wesentlich höher liegen und damit nicht mehr dem bescheidenen Kabel-1-Niveau entsprechen, zeige der Erfolg anderer Quizformate jedoch, dass die Gameshow prinzipiell wieder primetimefähig geworden sei, unabhängig von der Höhe des Gewinns, so der Geschäftsführer des Münchner Senders, Nicholas Paalzow. Deswegen läuft Was bin ich? auch bewußt um 20:15 und soll damit auch andere ebenfalls von Kabel 1 übernommene Formate wie das Glücksrad und Geh' auf's Ganze! ergänzen.
Ich bin überzeugt davon, dass Was bin ich? in dieses Konzept passt, weil Was bin ich? den gleichen zeitlosen Anspruch wie beispielsweise. das Glücksrad. Was bin ich? ist 34 Jahre in Deutschland gelaufen, und Sie finden kaum eine Sendung, die eine größere Marken-Bekanntheit hat als Was bin ich? Und insofern passt es sehr gut in dieses Konzept rein.
Das Konzept aber, ein Team von vielleicht vier Leuten den Beruf eines Studiogastes raten zu lassen, ist also weder neu noch besonders einfallsreich. Hätte man darauf also nicht selbst kommen können? Was ist sinnvoller - kaufen oder erfinden, Dr. Peter Lück, Anwalt der ProSiebenSAT.1 Media AG?
Wir übernehmen häufig erfolgreiche Formate aus dem Ausland, weil diese Formate bereits eingeführt sind, im Ausland erfolgreich, weil sie bei den Werbekunden eben bekannt sind und weil gewisse Kinderkrankheiten, die Formate am Anfang immer haben, bereits beseitigt worden sind. Im Gegenzug gibt es auch Formate, bei denen wir einfach nicht einsehen, dass wir sie nicht auch selbst produzieren können, weil sie auch ein sehr geringes Maß an Eigenkreativität haben, bspw. wenn man Leute auf eine Insel tut, um sie dort zu beobachten, was sie eben tun. Das ist eine Sache, die können wir auch selbst tun, und da brauchen wir kein erfolgreiches ausländisches Format.
Und selbst wenn ein solches Format im Ausland gut laufen sollte, ist dies noch keine Erfolgsgarantie für den deutschen Markt. Beispiel: Gottschalks Haus-Party auf SAT.1, die zwar nicht direkt ein Flop war, aber doch weit hinter den Erwartungen zurückblieb. Auch ein Zugpferd ersten Ranges à la Thomas Gottschalk also kann eine Sendung nicht ziehen, wenn das Format nicht stimmt. Konsequenz im Hause Kirch: Weg vom Einkaufen; Selbermachen ist wieder in.
Der Trend geht natürlich dahin, dass in zunehmenden Maße die fremden Produzenten uns Produkte anbieten, die bei Erfolg eben sehr, sehr teuer werden. Und das will man versuchen zu vermeiden. Wenn ein Produkt halt eben einen gewissen Erfolgsquotienten hat, wie bspw. bei Raab, Die Wochenshow, dann wird es sehr, sehr schwer, den Moderator und den Produzenten für eine Folgestaffel zu vernünftigen wirtschaftlichen Bedingungen zu verpflichten. Und das will man versuchen, zu vermeiden.
Und so soll denn Kirch Media Entertainment für die Programme der Kirch-Gruppe Neues billiger machen. Insourcing statt Outsourcing. Die neue SAT.1-Show Quizfire ist eines der ersten Produkte der KME. Der Erfolg lässt hier noch zu wünschen übrig, die Werbepreise der Sendung, die werktags zwischen 17 Uhr und 17:30 Uhr ausgestrahlt wird, mussten bereits gesenkt werden, das Konzept geändert, der Moderator ausgetauscht. Die KME will ihre Formate aber allen Anstalten anbieten, genauso wie Pearson TV, die - obschon es zur RTL Group gehört - zu zwei Dritteln für andere Sender arbeitet - darunter auch die Öffentlich-Rechtlichen. Denn es kann ja immer sein, dass das eigene Haus sie nicht will...
Das geht bei uns nach dem Marktprinzip: Wenn diese Formate erfolgreich sind oder erfolgversprechend sind, dann werden wir sie nehmen, wenn sie zu attraktiven Bedingungen sind. Wenn andere, freie Produzenten uns bessere Produkte zu besseren Preisen anbieten, werden wir uns dafür entscheiden.
Denn natürlich regiert auch innerhalb der Sendeanstalten, ob öffentlich-rechtlicher oder privater Natur, ein Wettbewerb der Ideen, aber auch der kostengünstigsten und gewinnträchtigsten Realisierung. Umsatz für die Glotze lohnt sich eben nur, wenn unter dem Strich schwarze Zahlen stehen - unabhängig davon, ob bei dem Export eines Formats dem Rest der Welt ein regelrechter Kulturschock zugemutet wird, wie beispielsweise besagter Oberinspektor Stefan Derrick im japanischen Fernsehen.