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Umstritten aber einträglich

Gentechnik. – Eine Feldstudie in Indien belegt erstmals, dass der Einbau eines Resistenzgens gegen tierische Schädlinge für Nutzpflanzen tatsächlich Sinn machen könnte. Ein internationales Forscherteam hat den Ertrag von normaler Baumwolle mit dem einer genmanipulierten Sorte verglichen, der das Gen eines Insektengiftes des Bodenbakteriums "Bacillus thuringiensis" eingesetzt wurde. Diese so genannte Bt-Baumwolle brachte bis zu 80 Prozent mehr Ertrag. In der aktuellen "Science" berichten die Forscher über ihre Studie. Das Interview mit dem Co-Autor Matin Qaim vom Zentrum für Entwicklungsforschung der Universität Bonn führte Ralf Krauter.

    Krauter: Könnte der Einsatz von genmanipulierten Pflanzen in Entwicklungsländern vielversprechender sein, als man bisher gedacht hat?

    Qaim: Auf jeden Fall. Ich denke, dass unsere Studie eine völlig neue Dimension in die Diskussion bringt, weil bisher zwar durchaus großer Nutzen in einigen Entwicklungsländern, insbesondere in China, gezeigt wurde. In keinem anderen Standort gab es bisher aber einen derart hohen Ertragsgewinn durch gentechnisch veränderte Pflanzen, wie wir ihn in Indien in zeigen. In bisherigen Studien in anderen Ländern bewegte man sich so bei fünf bis maximal zehn Prozent, und wir haben jetzt bei Feldversuchen mit Bt-Baumwolle, mit insektenresistente Baumwolle, für das Jahr 2001 einen durchschnittlichen Ertragszuwachs von 80 Prozent gehabt.

    Krauter: Wie sind Sie vorgegangen, um diese Größe zu bestimmen?

    Qaim: Diese Versuche wurden auf den Feldern von Bauern durchgeführt, und von Bauern selbst auch bewerkstelligen. Und zwar hat jeder Bauer, der sich an diesen Versuchen beteiligte, zur Auflage gehabt, dass er drei Feldern nebeneinander mit unterschiedlichen Sorten anbaut, die erste Sorte, die Bt-Sorte, diese gentechnisch veränderte Baumwollsorte, die zweite Sorte mit genau der gleichen Sorte, aber ohne das Bt-Gen, und die dritte Sorte mit einer beliebten lokalen Sorte, die von den Bauern ohnehin in der entsprechenden Region angebaut wird. Und dadurch sind wir natürlich in der Lage, ganz klar zu unterscheiden, was der Effekt der neuen Sorte ohne das Bt-Gen und was wirklich der Effekt der gentechnischen Veränderung ist.

    Krauter: Wie erklärt man sich das erstaunliche Ergebnis?

    Qaim: Ja, wir waren auch überrascht, wirklich einen so hohen Ertragszuwachs zu sehen. Erklären kann man sich das, insbesondere im Vergleich zu früheren Studien in anderen Ländern, im wesentlichen durch zwei Faktoren: Zunächst einmal liegt Indien in den Subtropen, teilweise sogar in den Tropen, und diese warmen und feuchten klimatischen Bedingungen lösen einen sehr, sehr großen Schädlingsdruck aus. Das heißt, Insektenschädlinge vermehren sich gut und sorgen damit auch für einen großen Schaden in der landwirtschaftlichen Nutzung, das ist der eine Faktor. Der anderer Faktor ist aber der, dass in vielen weiterentwickelten Ländern auch viel mehr chemische Pestizide eingesetzt werden. Zum einen sind mehr Pestizide auf dem Markt vorhanden, die Firmen entwickeln einfach mehr Pestizide für diese weiterentwickelten Länder. Natürlich gibt es auch in Indien und in wärmere Ländern Pestizide, aber die sind häufig recht teuer und damit, insbesondere für Kleinbauern, kaum erschwinglich. Zumindest nicht in den Mengen, in denen diese sie benötigen würden.

    Krauter: Der Erfolg dieser Studie müsste in jedem Land der tropische Klimazone umsetzbar sein. Ist er übertragbar auf andere Nutzpflanzen?

    Qaim: Das ist durchaus übertragbar. Ich meine, wir haben Baumwolle genommen, weil das nun die Technologie ist, die dort getestet wurde, und eine der ersten, wie überhaupt auf dem Markt ist, weltweit. Das lässt sich ohne weiteres auch auf Nahrungsmittelpflanzen übertragen. Ich will jetzt nicht unbedingt von den Zahlen, den 80 Prozent Ertragsgewinn reden, aber von der Grundaussage, dass wir hohe Ertragsgewinne erwarten können. Denn der Zusammenhang zwischen Schädlingsbefall und Ertragseinbußen, der ist natürlich bei anderen Pflanzen ganz genau gleichwie bei Baumwolle, das macht keinen großen Unterschied.

    Krauter: Rechnet es sich denn für die Bauern in Indien, das teure Saatgut einzukaufen?

    Qaim: Am Standort Indien für unser Beispiel rechnet sich das durchaus. Durch das Saatgut, so sagen unsere Kalkulationen, können die Bauern ein Einkommen erzielen, das fünfmal über dem liegt, was sie aus konventionellen Sorten erzielen. Also, deswegen rechnet sich das teure Saatgut. Grundsätzlich bleibt aber das Problem, dass private Firmen immer auch ihre Forschungskosten hereinholen wollen. Deswegen argumentieren wir, dass wir auch mehr öffentliche Forschung in dem Bereich brauchen. Ich hoffe sehr, dass wir mit unserer Studie gezeigt haben, dass das Potenzial da ist, damit in Zukunft öffentlich mehr in diesen wichtigen Bereich investiert wird.