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Umwelt kennt keine Ländergrenzen

Vorgänge in der Umwelt sind hoch komplex, und sie halten sich nicht an Grenzen zwischen Städten, Bundesländern oder gar Nationalstaaten. Umso kritischer sehen Umweltverbände seit längerem die Föderalismusreform. Die soll am Freitag in Bundestag und Bundesrat eingebracht werden.

Von Dieter Nürnberger |
    Auch nach der Entscheidung des Bundeskabinetts, der Ministerpräsidenten und der Fraktionen von Union und SPD wollen Umweltverbände und -politiker noch nicht klein beigeben. Denn man könne doch nicht sehenden Auges in ein Desaster rennen, sagen jene Kritiker, die bei der Föderalismusreform vor allem die künftigen Kompetenzregelungen im Umweltbereich in Frage stellen. Seitdem im November 2005 die Reformvorschläge bekannt wurden, laufen Fachpolitiker Sturm gegen die Neuausrichtung. Auf dem Papier schien die Sache zunächst klar zu sein, das Umweltrecht sollte erstmals komplett beim Bund angesiedelt werden. Doch ein Blick in die Details offenbarte, dass die Länder in wichtigen Bereichen künftig Abweichungsrechte geltend machen können. Bewirkt hat die Kritik wenig, es soll nun lediglich eine dreijährige Schonfrist geben. Auch dies sei ein absurder Kompromiss, sagt Cornelia Ziehm, Expertin der Deutschen-Umwelthilfe.

    "Und zwar ist es so, dass die Länder wahrscheinlich erst ab 2009 oder 2010 von diesen Abweichungsrechten Gebrauch machen können. Wozu das Ganze? Die große Koalition hat ja beschlossen, man will ein Umweltgesetzbuch schaffen. Das steht so auch im Koalitionsvertrag. Das will man jetzt auch durchführen, und zwar ohne große Störungen, also durch mögliche Abweichungsrechte der Länder. Das sähe dann so aus: Bis 2009 macht man ein Umweltgesetzbuch, dann stellt man es ins Regal, und danach können die Länder munter davon abweichen. Ein solches Umweltgesetzbuch wäre dann praktisch obsolet."

    Kritik kam und kommt von vielen Fachpolitikern und Experten. So sieht der die Bundesregierung beratende Sachverständigenrat für Umweltfragen keine Systematik in der künftigen Kompetenzverteilung. Der Naturschutzbund Deutschland kritisiert, dass weiterhin 16 verschiedene Naturschutz- oder auch Wassergesetze wahrscheinlich sind - für Investoren, die in Deutschland investieren wollen, eine Zumutung. Und das Umweltbundesamt warnt nun vor einem Wettlauf der Bundesländer um die niedrigsten ökologischen Standards. Dabei sollte die Staatsreform eigentlich alles einfacher und übersichtlicher machen. Ziel verfehlt, diese Einschätzung formulierte heute Morgen Petra Bierwirth im Deutschlandfunk, die SPD-Abgeordnete ist Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.

    "Also da gibt es zum Beispiel ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes in einigen Bereichen, eine konkurrierende Gesetzgebung ohne Erforderlichkeitsklausel, eine konkurrierende Gesetzgebung mit Erforderlichkeitsklausel, Abweichungsrecht für Länder in bestimmten Bereichen. Hier gibt es aber wieder Ausnahmen, wo es keine Abweichungsregelungen geben wird. Und es gibt eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder. Und hier sagen wir auch klar und deutlich, dass das für uns eine Verschlimmbesserung des derzeitigen Umweltrechtes ist. Und wir sehen auch nicht unser Ziel erreicht, mal ein einheitliches Umweltgesetzbuch auf den Weg zu bringen."
    Allenfalls ein paar Klarstellungen habe es noch in den vergangenen Wochen gegeben, doch sei man von mehr Transparenz und mehr Rechtssicherheit weit entfernt, sagt die Expertin der Umwelthilfe, Cornelia Ziehm.

    "Das einzige, was unserer Auffassung entgegenkommt, ist eine Klarstellung in der Gesetzesbegründung im Hinblick auf das Gewässerschutzrecht. Da ist nun klar gestellt worden, dass auch das Einleiten und Einbringen von Stoffen in Gewässer nicht der Abweichung der Länder unterliegt. Das ist gut und auch notwendig, letztlich wäre dies auch nicht mit dem Europarecht vereinbar gewesen. Von daher sehen wir hier, dass der Gesetzgeber erkannt hat, dass die Vorschläge vom November stark verbesserungsbedürftig waren."

    Man hofft nun auf den kommenden Freitag, wenn Bundestag und Bundesrat in erster und zweiter Lesung entscheiden wollen. So will die SPD-Politikerin Petra Bierwirth zwar nicht das ganze Paket wieder aufschnüren, aber Nachbesserungen beim Umweltrecht schon durchsetzen. Und sie setzt auf Abweichler in den Regierungsfraktionen, denn von den Fachpolitikern habe so gut wie niemand diese Reform beim Umweltrecht gewollt.