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Umweltjournalist zum Tod von Paul Crutzen
"Ein Jahrhundertwissenschaftler in der Tradition von Charles Darwin"

Paul Crutzen erforschte das Ozonloch und schuf den Denkrahmen für das Anthropozän. Ein Begriff für unsere Erdepoche, in der der Mensch und seine Verantwortung im Zentrum stehen. "Er war unglaublich besorgt, diese Sorge hat ihn angetrieben", sagte der Umweltjournalist Christian Schwägerl im Dlf.

Christian Schwägerl im Gespräch mit Michael Köhler |
Der niederländische Meteorologe Paul Crutzen beim Geocycles Symposium 2012 an der Fachhochschule Mainz (FH). Er war von 1980 bis 2000 Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz und erhielt 1995 für seine Arbeiten im Gebiet der Atmosphärenchemie den Nobelpreis für Chemie.
Chemie-Nobelpreisträger Paul Crutzen 2012 in Mainz (imago stock&people/Sämmer)
Als der Atmosphärenchemiker, Mainzer Max-Planck-Direktor (1980-2000) und Nobelpreisträger Paul Crutzen im Alter von 87 starb, war das vielen Agenturen und Zeitungen nur eine Meldung wert. Dabei hat dieser weitsichtige Mann einen Begriff etabliert, der im Museumsbetrieb, in Feuilletons nicht wegzudenken ist. Er sprach von einer neuen Erdepoche, in der wir uns befinden: dem Anthropozän.
"Anthropozän steht letztlich für die Erkenntnis, dass das, was wir mit der Erde machen, so tiefgreifend ist, dass man quasi ein neues Kapitel im Buch der Erdgeschichte aufschlagen muss", erklärt der Umweltjournalist und Wissenschaftspublizist Christian Schwägerl den Begriff, der formal noch nicht abgesichert ist, sich also weiterhin einem wissenschaftlichen Prüfprozess unterziehen muss. Im Jahr 2010 hat Schwägerl ein Buch mit dem Titel "Menschenzeit - Zerstören oder gestalten? Die entscheidende Epoche unseres Planeten" geschrieben. Das Buch baut auf die Forderung Crutzens auf, unser Erdzeitalter vom "Holozän" in "Anthropozän" umzubenennen.

Leben im Zeitalter der Beschleunigung

Die Vorstellung des Anthropozäns ist dabei nicht so etwas wie eine alarmistische Vokabel, sondern sie versucht, einen "Denkrahmen" zu schaffen; eine Hypothese, die davon ausgeht, dass wir in einem Zeitalter der Beschleunigung leben. Crutzens Sorge um die Verantwortung des Menschen für eine begrenzte Welt habe ihn um- und angetrieben, so Schwägerl. "Gleichzeitig hat er auch versucht, mit dem Anthropozän einen Denkrahmen zu bieten, der auch für die Kulturschaffenden, für die Künstler, für Literaten, für die ganze Gesellschaft zeigt: Wir haben Verantwortung." Und wenn diese Verantwortung nicht verspielt, sondern eingelöst werde, könnte die Vorstellung des Anthropozäns "auch etwas Gutes werden", ist der Umweltjournalist überzeugt: "Es ist nicht die Lösung aller Umweltprobleme oder so eine Art Apokalypse-Mechanismus, sondern es ist eine Art neuer Denkrahmen, der Kultur und Natur zusammenführt."
"Wir sind in der Verantwortung, wir können uns nicht klein reden", so Schwägerl weiter. "Wir leben in einem geschlossenen System, das wir nach 500 Jahren Kolonialismus auch wirklich bis an seine Grenzen belastet haben." Tatsächlich sei Crutzen ein "Jahrhundertwissenschaftler in der Tradition von Alexander von Humboldt und Charles Darwin" gewesen.