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Umweltpolitik in Österreich

Österreich, ehemals ein Umweltmusterland in Europa, ist von der Bildfläche verschwunden. Warb man vor dem EU-Beitritt noch damit, dass man es den Europäern schon zeigen werde, zeigt die Europäische Union es jetzt den Österreichern: Insgesamt 36 Verfahren wegen mangelhafter oder fehlender Umsetzung von Umweltrichtlinien hat die Kommission gegen die Alpenrepublik angestrebt.

von Klaus Faber |
    Das alles mag damit zu tun haben, dass es seit der Machtübernahme der Mitte-Rechts-Regierung gar kein Umweltministerium mehr gibt: es wurde kurzerhand dem fast zehnmal größeren Landwirtschaftsressort zugeschlagen. Ein Umweltanhängsel an einer gut organisierten Agrar-Interessensvertretung, das ist Umweltpolitik auf österreichisch.

    Dienstag Nachmittag im Getränkesupermarkt der Ottakringer Brauerei im 16. Wiener Gemeindebezirk. Hier gibt es alles zu Kaufen, was trinkbar ist. Bier- und Mineralwasserkistentürme stapeln sich bis zur Decke.

    Das Klimpern von Glasflaschen wird hier aber seit knapp zwei Jahren immer seltener: Neben den Mineralwasserkisten stapeln sich Paletten mit Plastik-Wegwerf-Flaschen. Ein schon übliches Bild in Europa, ein Novum in Österreich. Und der Plastikstapel wird auch zunehmend gekauft, erzählt der Geschäftsleiter:

    die anderen haben noch viel höhere Marktanteile

    Gleich gegenüber des Getränkehandels liegt das Büro des WWF Österreich. Stefan Moidl ist jener Mann, der der Regierung auf die Finger sieht:

    die Umweltpolitik ist abhanden gekommen

    In den letzten zwei Jahren ging der Anteil der Mineralwasser-Pfandflaschen von 93 Prozent auf 46 Prozent zurück, erzählt Moidl, und zwar aufgrund einer neuen Verpackungsverordnung: Die alte Verordnung setzte Sammelziele, die jede Branche zu erreichen hatte. Als die Industrie diese Sammelziele verfehlte, setzte es nicht zusätzliche Maßnahmen, sondern man setzte kurzerhand die Ziele herunter.

    Falsche Signale: nicht "Einhalten der Bestimmungen", sondern "lobbyieren, dass sie fallen". Diejenigen, die sie eingehalten haben, sind bestraft worden.

    Im Zuge des EU-Beitritts wurde noch vom Umweltvorreiter Österreich gesprochen, und Länder wie Dänemark oder Schweden freuten sich schon auf Unterstützung in Brüssel. Aber kaum drinnen, hat sich die Mitte-Rechts-Regierung beinahe schon wieder abgemeldet: Nicht nur in Brüssel, wo gegen den einstigen Umweltmusterknaben mittlerweile 36 Verfahren wegen mangelhafter Umsetzung von Richtlinien laufen, auch im eigenen Land. Seitdem wird eine ganze Liste von Umweltzielen nach unten nivelliert: Massentierhaltung, Gewerbeordnung, Umweltverträglichkeitsprüfung, Wasserrecht und viele Gesetze mehr wurden oder werden aufgeweicht. Besonders peinlich: Das Kyoto-Klimaziel verfehlt Österreich um Häuser.

    Glawischnig: Umweltpolitik verdient den Namen nicht

    Die grüne Umweltsprecherin Eva Glawischnig hat einen besonderen Grund für dieses Urteil: Sie war Unterstützerin eines der erfolgreichsten Volksbegehren der Geschichte, dem Gentechnik-Volksbegehren. 1,2 Millionen Menschen, knapp 20 Prozent aller Wahlberechtigten, haben 1997 für ein vollständiges Gentechnikverbot unterschrieben, passiert ist seitdem kaum etwas. Im Gegenteil: Vor kurzem haben die Grünen den zuständigen freiheitlichen Minister sogar beim Staatsanwalt angezeigt:

    haben gegen Haupt geklagt, weil wir den Verdacht haben, dass er von gentechnisch verunreinigtem Saatgut schon lange gewusst hat und es verabsäumt hat, den gesetzmäßigen Zustand wiederherzustellen.

    Der Hintergrund: Die Saatgutfirma Pioneer hatte mehrere Chargen gentechnisch kontaminierten Mais in Österreich verkauft, und das ist in Österreich verboten. Minister Haupt brauchte mehrere Tage, um zu reagieren, und er tat dies mit Empfehlungen an die Bauern, den Mais bei staatlicher Unterstützung unterzupflügen. Zu spät, und zu wenig, sagen die Grünen. Ging nicht anders, sagt Minister Haupt:

    Verordnung enthält keine Strafbestimmungen

    Glawischnig: Ich empfehle ihm Verfassungsrecht Teil 1. Er alleine ist zuständig für die Umsetzung des Gesetzes, es gab einen Präzedenzfall, wo es ging

    Das alles passiert nicht einfach so, sondern ist Programm: Im Regierungsübereinkommen wurde nämlich im Kapitel "Wirtschaftsstandort Österreich" vereinbart, dass keine über EU-Mindestanforderungen hinausgehende Regelungen eingeführt werden. Eines muss man der österreichischen Regierung lassen: Diese Richtlinie setzt sie um.