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Umweltschonender Umgang mit Chemikalien

Bei Zehntausenden von Produkten werden in der Herstellung Chemikalien eingesetzt, und die dünsten oft mit der Zeit aus, aus Fernsehgeräten, Telefonen oder Plastikschüsseln. Das Umweltbundesamt hat daher jetzt ein neues Hintergrundpapier veröffentlicht über einen möglichst umweltschonenden Umgang mit Chemikalien.

Von Ralph Ahrens |
    Wer das Wort Chemie hört, denkt oft an Dreck und Gift. Doch mit einem neuen Verständnis von Chemikalien muss das nicht so bleiben, meint Andreas Troge, Präsident vom Umweltbundesamt.

    "Nachhaltige Chemie geht nicht nur von den Stoffen aus, die wir haben, die wir dann irgendwo sicherer abscheiden und verwerten oder deponieren. Sondern nachhaltig geht davon aus, die Stoffe, die wir verwenden, selbst für Gesundheit und Umwelt weniger schädlich zu machen."

    Die Industrie soll Substanzen entwickeln und einsetzen, die nicht oder kaum gefährlich sind. Sie soll auch möglichst wenig natürliche Ressourcen verbrauchen. Es gibt also noch viel zu tun. Ein Beispiel: Weichmacher und Flammhemmer aus Plastikgehäusen von Fernsehern, Computern und Handys belasten die menschliche Gesundheit vor allem in Innenräumen.

    "Deshalb hat sich das Umweltbundesamt seit Jahren dafür ausgesprochen, insbesondere Weich-PVC nicht mehr anzuwenden, weil da die Weichmacher drin sind. Das dunstet aus und unser Umwelt-Survey sagt uns, wir finden es immer mehr in unseren Körpern und auch in Kinderkörpern."

    Einige Weichmacher gefährden nach Ansicht von Wissenschaftlern die Fortpflanzung. Auf diese Stoffe sollte verzichtet werden. Von anderen Substanzen lässt sich nicht ausschließen, dass sie gefährlich sind. Auch sie sollten, vor allem, wenn sie sich in Mensch und Umwelt anreichern, nicht mehr eingesetzt werden.

    "Denn wenn wir später erfahren sollten, diese Stoffe machen Schaden, bekommen wir sie aus uns und unserer Mitgeschöpflichkeit ja nicht mehr heraus."

    Die Öko-Design-Richtlinie kann hier nur langfristig helfen. Mit diesem Gesetz legt die EU fest, wie viel Energie eine Glühbirne oder ein Fernseher verbrauchen darf. Das Gesetz erlaubt zwar auch, gefährliche Stoffe, etwa aus einem Computer, zu bannen. Doch zurzeit richtet die Politik ihr Augenmerk einseitig auf den Klimaschutz, also auf energieeffiziente Geräte. Das Umweltbundesamt hofft aber, dass die Unternehmen aus Eigeninteresse gefährliche und umstrittene Substanzen mehr und mehr meiden:

    "Der Anreiz für den Hersteller, environmental sound products – wie es die Briten sagen, oder die Amerikaner – zu entwickeln, liegt darin, später, wegen der Schäden, die in irgendeiner Lebensphase des Produktes entstehen, nicht vorgeführt zu werden. Das ist der entscheidende Punkt. Und da setzt im Grunde auch die nachhaltige Chemie ein. Sie sagt: 'Sorgt heute vor über Eure Entwicklung, damit ihr nicht da landet, wo die amerikanische Automobilindustrie wegen unterlassener Entwicklung gelandet ist'."

    Nicht nur die stoffliche Seite von Verbraucherprodukten kann umweltschonender werden, sondern auch Herstellung und Anwendung von Chemikalien durch die Industrie.
    Zum einen geschieht das fast zwangsläufig. Da – so die Prognose – Öl und Kohle seltener und teurer werden, braucht die Chemieindustrie eine neue Kohlenstoffquelle. Sie wird daher immer mehr Biomasse einsetzen, um etwa Kunststoffe herzustellen. Das Umweltbundesamt begrüßt diese Entwicklung,

    "... weil sie nicht Kohlenstoff ausbuddeln, sondern Kohlenstoff von der Sonne her wachsen lassen. Diesen Vorteil darf man bei aller Kritik an den nachwachsenden Rohstoffen nicht vergessen."

    Die Anbauflächen für Chemiepflanzen würde zwar in Konkurrenz mit den Feldern für Nahrungsmittel und Energiepflanzen stehen, aber es gebe noch viele ungenutzte Biomasse wie Maisstängel, Holzreste oder Gülle. Zum anderen favorisiert das Umweltbundesamt als neues Geschäftsmodell das "Ausleihen" von Chemikalien, das Chemikalienleasing:

    "Wir würden also als Hersteller von Chemikalien die Chemikalien nur noch als Hilfsmittel nehmen, um eine Dienstleistung zu verkaufen. Und das bedeutet, der Hersteller selbst achtet auf den sparsamen Einsatz dieser Chemikalie und versucht sie auch, wenn es geht, zurückzugewinnen."

    Pilotstudien zeigen: Der Einsatz von Chemikalien lässt sich so um 20 bis 60 Prozent senken. Der Trick: Der wirtschaftliche Gewinn steigt dabei durch die möglichst sparsame Verwendung von Chemikalien pro Dienstleistung. Das nützt den Unternehmen, aber auch Mensch und Umwelt.