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Umweltverschmutzung in Ecuador
Ein Ölmulti und der Kampf um Gerechtigkeit

Jahrzehntelang förderte der Texaco-Konzern im Amazonasgebiet Öl - und leitete die giftigen Nebenprodukte einfach in Gewässer und Böden ein. Die Umweltverschmutzung blieb bisher ungesühnt. Doch die Betroffenen geben nicht auf.

Von Jessica Zeller | 02.08.2018
    Angestellte der staatlichen Ölfirma Petroecuador versuchen ein ölverseuchtes Gebiet des Amazonas zu reinigen.
    Angestellte der staatlichen Ölfirma Petroecuador versuchen ein ölverseuchtes Gebiet des Amazonas zu reinigen (AFP / RODRIGO BUENDIA)
    Lago Agrio - eine Kleinstadt im ecuadorianischen Amazonas-Gebiet, rund sieben Busstunden von der Hauptstadt Quito entfernt. Umweltaktivist Donald Moncayo schlägt mit seiner Machete Pflanzen und Gestrüpp nieder, die hier üppig wachsen. "Wir befinden uns auf dem Gelände des Ölfelds Lago Agrio 1. Die erste Probebohrung fand am 17. Februar 1967 statt. Zeitungsberichten zufolge ist das Öl damals 170 Meter hochgesprungen und alle Anwesenden haben darin gebadet."
    An dieser Stelle, wo das US-Unternehmen Texaco fast drei Jahrzehnte gewinnbringend Öl abbaute, befindet sich bis heute eines von über 800 Erdbecken im Amazonasgebiet. In sie wurden giftige Abfallstoffe der Förderung, also Reste von Schweröl und Chemikalien, einfach verfrachtet. "Diese Becken hatten jeweils ein Ablaufrohr, das immer dann genutzt wurde, wenn das Becken drohte vollzulaufen. Damit wurden die Rückstände dann direkt in umliegende Flüsse oder Bäche geleitet. Schutzmaßnahmen für das Becken gab es keine. Die Giftstoffe gingen direkt in die Erde. Das Unternehmen wollte einfach Geld sparen."
    Chevron war in den Provinzen Orellana und Sucumbios auf rund 4.500 Quadratkilometern tätig. Die Folge: Auf einer Fläche, die doppelt so groß, wie das Saarland ist, finden sich bis heute verseuchte Böden und Gewässer. Die Böden sind bereits in geringer Tiefe belastet, führt Moncayo vor: "Ich bohre ein kleines Loch und entferne die saubere Erde, die auf das Becken gekippt wurde. Normalerweise ist das Öl hier in über 2.000 Meter Tiefe verborgen. Aber Texaco hinterließ es uns auf weniger als 70 Zentimetern." Becken einfach zuzuschütten, so wie es Texaco nach dem Ende seiner Tätigkeit in Ecuador gemacht hat, sei keine Säuberung. "Und dass sie dafür geradestehen müssen, leuchtet eigentlich ein", sagt Sarah Lincoln, Juristin und Referentin für Wirtschaft und Menschenrechte beim evangelischen Entwicklungsdienst "Brot für die Welt".
    Der Rechtsnachvolger wird verurteilt - zahlt aber nicht
    Im Jahr 2001 übernahm der Öl-Multi Chevron Texaco. Rechtsnachfolger Chevron wurde dann 2011 vor einem ecuadorianischen Gericht zu einer Entschädigungszahlung von 9,5 Milliarden Dollar an die Betroffenen verurteilt. Der ecuadorianische Klägeranwalt Pablo Fajardo: "Die Umweltverschmutzung und die Verantwortung des Unternehmens zu beweisen war ja nicht sonderlich schwer. Wo man auch hinsieht, sind ja die Folgen sichtbar. Dazu gibt es unzählige Zeugen."
    Sarah Lincoln: "Der Skandal an dem Fall ist ja, was danach passiert ist. Tatsächlich hat ja Chevron die größte Schmutzkampagne gefahren - zumindest von der ich gehört habe - und alles in Bewegung gesetzt, damit dieses Urteil nicht durchgesetzt werden kann, damit die Kläger diskreditiert werden, die Klägeranwälte diskreditiert werden." Bis heute haben die von der Ölverseuchung Betroffenen keinen Cent gesehen. Aus Ecuador hat der Konzern alle Vermögenswerte abgezogen. In den USA zog Chevron dann gegen die Kläger und ihre Anwälte vor Gericht. Sie seien Teil einer korrupten, mafiösen Vereinigung.
    Gegenüber dem Deutschlandfunk begründet Chevron-Kommunikationsberater James Craig diese Klage in einer E-Mail so: "Der Prozess in Ecuador wurde durch zahlreiche Rechtswidrigkeiten und Unregelmäßigkeiten entstellt, die die Anwälte der Kläger begingen. Das beinhaltete, dass Beweise gefälscht, Gutachter und Richter bestochen und das Urteil vorgeschrieben wurde. Beweise für dieses Fehlverhalten wurden 2011 in einer von Chevron in New York eingereichten Klage präsentiert." Diese sogenannte RICO-Klage war vor den US-Gerichten erfolgreich.
    Das juristische Gezerre geht weiter
    Juristin Sarah Lincoln hat dennoch ihre Zweifel. "Nach Durchsicht der verschiedenen Unterlagen kann man - denke ich - sehr darüber streiten, ob an diesen Vorwürfen wirklich was dran ist. Und sie sind auch nur durch einen einzigen Zeugen belegt, der im Nachhinein zugegeben hat, dass viele seiner Aussagen nicht der Wahrheit entsprachen. Unter anderem hat er das in einem internationalen Schiedsgerichtsverfahren ausgesagt."
    Seitdem streiten die ecuadorianischen Betroffenen in anderen Ländern, in denen Chevron aktiv ist, für ihr Recht. In Argentinien kam es 2012 sogar zu einer Verurteilung des Konzerns - doch dann kippte der Oberste Gerichtshof in Buenos Aires im letzten Moment das Einfrieren des Unternehmensvermögens. Wenige Tage später sagte der Öl-Multi der Regierung des südamerikanischen Landes eine Milliardeninvestition zu.
    Aktuell streiten die Kläger in Kanada. Dort entschieden die Richter Ende Mai, Chevrons kanadisches Tochterunternehmen sei nicht für die vom Mutterkonzern verursachten Schäden verantwortlich. Der ecuadorianische Klägeranwalt Pablo Fajardo: "Wir haben 25 Jahre gekämpft. Und wir werden jetzt nicht aufgeben. Wir machen weiter, bis Chevron endlich zahlt und wir die Schäden, die angerichtet wurden, wieder reparieren können." Die Ecuadorianer gehen in Ottawa in die Revision vor dem Obersten Gerichtshof.