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Ungeliebte Übungsdörfer

Für die britischen Streitkräfte ist er einer ihrer wichtigsten Ausbildungszentren in Deutschland: der Truppenübungsplatz Senne in Ostwestfalen-Lippe. Nun wollen sie das Gebiet für ihre militärischen Zwecke modernisieren und gefährden somit Tiere und Pflanzen. In der Region wächst der Widerstand - nicht nur bei Naturschützern.

Von Matthias Ruffert |
    Solche Schießübungen fanden Umweltschützer noch nie angenehm. Aber sie hatten sich mit den britischen Streitkräften, die in Ostwestfalen-Lippe stationiert sind, arrangiert. Schließlich brachte das Militär durchaus Vorteile für die Natur, wie der Sprecher der Umweltverbände, Fritz Buhr, einräumt:

    "Die Tatsache, dass die Senne militärische Sperrzone war, verhinderte, dass die Anrainergemeinden dort Siedlungstätigkeiten entwickelten. Sie verhinderte auch, dass das Gelände agrarwirtschaftlich genutzt wurde. Alles das hatte zur Folge, dass trotz der militärischen Nutzung die Natur hat erhalten werden können und sich in Teilen sogar positiv entwickelt hat. Es ist unstrittig, dass das Naturreservat der Senne der wertvollste Naturraum in ganz Nordrhein-Westfalen ist."

    In der Senne gibt es mehr 5.000 Tier- und Pflanzenarten, darunter mehr als 1.000, die auf der Roten Listen stehen. Seit Jahren setzen sich Natur- und Umweltverbände dafür ein, dass dort ein Nationalpark entsteht. Doch diese Pläne sehen die Naturschützer massiv bedroht. Die Briten wollen den Übungsplatz ausbauen. Sechs Kampfdörfer sind geplant, Schießstände und ein Höhlenkomplex. Außerdem sollen 47 Kilometer Straße betoniert werden. Darüber ist Buhr besonders besorgt.

    "Denn es ist nachgewiesen, dass Betonstraßen mit einer Breite von sechs bis zehn Metern unüberwindliche Barrieren für viele Organismen bedeuten. Und zwar gerade für die Organismen, die wert gebend europaweit in der Senne sind, Insekten und Amphibien zum Beispiel."

    Buhr und andere Naturschützer lehnen das britische Projekt deshalb entscheiden ab. Das einvernehmliche Nebeneinander ist Vergangenheit. Buhr:

    "Was jetzt passiert soll, ist eine entscheidende Änderung in der Qualität, das hier wird praktisch der Rubikon."

    Die Briten begründen ihre Ausbaupläne damit, dass ihre Soldaten für Einsätze in Afghanistan und dem Irak üben müssten. Dafür sei der Truppenübungsplatz Senne nicht mehr geeignet, er müsse modernisiert werden. Der Pressesprecher der britischen Streitkräfte, Mike Whitehurst:

    "Wir stehen in der Pflicht gegenüber unseren Soldaten, dass sie die bestmögliche Ausbildung bekommen. Wir wünschen durch diese Übungsdörfer realitätsnäher Übungsmöglichkeiten unseren Soldaten zu geben."

    Denn heute seien die Anforderungen für die Soldaten ganz anderes als noch zu Zeiten des Kalten Krieges, erläutert Whitehurst:

    "Es wird viel mit leichten Fahrzeuge gemacht, viel zu Fuß gemacht. Man geht in die Dörfer rein, man kommuniziert mit den Scheich, oder dem Stammesältesten. Und all das muss geübt werden."

    Dafür, dass die Soldaten üben müssen, zeigen die Politiker in den Anrainer-Kommunen durchaus Verständnis. Einige sind aber sehr besorgt, dass es künftig noch mehr Belastungen gibt. etwa der Bürgermeister des Kurortes von Bad Lippspringe, Willi Schmidt:

    "Bei uns ist es regelmäßig, dass die Scheiben wackeln, wenn richtig gerumpst wird in der Senne. Bei uns ist es regelmäßig so, dass bis in die Nacht hinein Gewehrschießen zu hören ist. Es gibt hier eine Fallschirmübungsstätte, wo fast täglich ein Flugzeug über Bad Lippspringe kreist und wir befinden uns hier schließlich in einem Kurort. Da sind Grenzen überschritten, die unerträglich sind."

    Schmidt befürchtet, dass der Lärm nach einem Ausbau weiter zunimmt. Die Briten haben dagegen Gutachten vorgelegt, die von keinen gravierenden Eingriffen in Natur und Umwelt ausgehen. Diese Gutachten können die Kommunen prüfen - allerdings haben sie kein Einspruchsrecht. Denn zuständig ist der Bund, weil es um eine Frage der Landesverteidigung geht. Darüber ist Schmidt erbost:

    "Wir haben Zweifel, ob dieses Verfahren, wo wir einfach nur etwas sagen können oder es auch lassen können, ob das das richtige ist. Wir prüfen derzeit intensiv den Rechtsweg."

    Die Umweltverbände setzten auf den Druck der Bevölkerung. Bislang sammelten sie mehr als 4.000 Unterschriften und baten Prominente um Unterstützung. 88 bekannte Ostwestfalen unterschrieben einen Protestbrief an den britischen Verteidigungsminister, darunter der Pädagoge Hartmut von Hentig, Gründer der Bielefelder Laborschule.