Archiv


Ungesundes Zubehör

Bremsbeläge gehören ohne Frage zu den Meisterleistungen der Ingenieurkunst. Sie müssen eine Vollbremsung bei über 100 Stundenkilometer ebenso aushalten wie eine Passfahrt im Hochgebirge, bei denen sie bis zu 500 Grad heiß werden können. Um diese Belastungen zu überstehen, enthielten Bremsbeläge früher Asbest. Weil dieser Stoff krebserregend ist wurde er vor 10 Jahren auch in Bremsbelägen verboten. Andere Stoffe mussten als Ersatz her, unter anderem das Metall Antimon. Doch das war offensichtlich keine so gute Idee. Denn auch Antimon kann die Gesundheit schädigen.

von Sigrid Müller | 14.02.2002
    Beim Tritt aufs Bremspedal müssen die Bremsbeläge einiges aushalten. Welche wichtige Aufgabe das Metall Antimon dabei hat, erklärt Professor Michael Braungart vom EPEA Institut für internationale Umweltforschung:

    Das Antimon-Sulfid, das ist also eine Schwefelverbindung, wird erhitzt beim Bremsen und wandelt sich um und das gibt dann eine bestimmte Schmierung an der Oberfläche, so dass die immer glatt bleibt.

    Ganz ohne Verschleiß geht das allerdings nicht. Bei jedem Tritt auf die Bremse wird ein kleiner Teil des Belages abgerieben. Pro Kilometer, so schätzen Experten sind das 12 bis 18 Milligramm. Übers Jahr kommen in der Bundesrepublik 6000 bis 8000 Tonnen Bremsstaub zusammen. Und da beginnt das Problem:

    Antimon ist bei Chemikern und Toxikologen sehr gefürchtet, weil Antimon, wenn es sich sehr fein verteilt und in die Lunge gelangt, stark krebserzeugend ist.

    Das Hamburger Umweltinstitut hat vor kurzem Staub in Städten untersucht. Ein unerwartet hoher Anteil davon war lungengängiger Feinstaub und in dem wurde Antimon gefunden. Gestritten wird nun in der Fachwelt darüber, wie gesundheitsschädlich das alles tatsächlich ist. Es gibt Wissenschaftler, die keine Gefahr sehen, weil ihrer Meinung nach Antimon aus Bremsstäuben dem menschlichen Körper nicht zugänglich ist. Die Hamburger Umweltforscher sehen das anders. In ihrer Untersuchung kamen sie zu dem Ergebnis, dass über acht Prozent des Antimons im Bremsstaub vom Körper aufgenommen werden können. Besonders gefährlich ist das Ganze, meint Michael Braungart, weil nicht nur Antimonsulfid eingeatmet wird, sondern auch das besonders giftige Antimontrioxid:

    Das Antimonsulfid ist die Ausgangschemikalie. Wenn man das erhitzt, dann verwandelt sich das in Antimontrioxid um, weil das Antimontrioxid die stabilere Chemikalie ist. Das ist so, wie wenn sie ein Stück Kohle erhitzen, dann ist die stabilere Chemikalie das Kohlendioxid, also es wandelt sich um und wird oxidiert dabei.

    Dass beim Bremsen Antimontrioxid entstehen kann, bestreitet auch der Verband der Reibbelagindustrie nicht. Ein gesundheitliche Gefährdung hält man dort allerdings für ausgeschlossen, denn die Mengen seien viel zu gering. Das wollte das Öko-Test-Magazin vor kurzem genauer wissen und hat Bremsstäube untersucht. Dazu mussten die Wissenschaftler im Labor erst mal ein neues Analyseverfahren entwickeln. Bei ihren Tests fanden die Experten dann tatsächlich eine Antimonsubstanz, die sich im Vergleich zum Ausgangsstoff verändert hatte. Chemisch ließ sich der Stoff zwar auch in dieser Analyse nicht genau bestimmen, doch für die Experten war klar, das muss Antimontrioxid sein. Dabei berufen sich die Wissenschaftler auch auf die Forschungsergebnisse eines staatlichen Institutes, erklärt Öko-Tester Peter Hermes:

    Es ist so, dass auch das Bayerische Landesamt für Umweltschutz davon ausgeht, dass Antimontrisulfid beim Bremsvorgang in Antimontrioxid umgewandelt wird, weil es nämlich genau in dieser Form für den gewünschten Schmiereffekt sorgt.

    Fazit des Tests: bis zu zehn Prozent der Antimonverbindungen im Bremsstaub ist wahrscheinlich umgewandeltes Antimontrioxid. Und so wurden von den 29 geprüften Produkten 23 abgewertet weil sie mehr als 1 Prozent Antimon enthielten. Sechs Beläge rutschten sogar in die Kategorie "mangelhaft": in ihnen steckte auch noch giftiges Blei. Doch es gibt auch Bremsbelaghersteller, die fast ohne diese schädlichen Metalle auskommen. Spitzenreiter im Test war die Firma Lucas. Alle drei Beläge dieses Herstellers erhielten die Note "sehr gut", weil sei frei von Antimon waren. Auch einige Autofirmen sind inzwischen sensibilisiert, sie legen bei Neuzulassungen Wert auf Bremsbeläge ohne Antimontrisulfid, denn unproblematische Ersatzstoffe gibt es. Schon seit längerem werden zum Beispiel Kupfersulfide und Keramiksubstanzen in Bremsbelägen eingesetzt.

    Doch was tun, wenn man in Zukunft aufs Bremspedal treten will, ohne die Gesundheit und die Umwelt zu belasten? Das ist nicht einfach, denn auf den Bremsbelägen steht nicht drauf, was sie für Bestandteile enthalten. Einen Tipp hat Öko-Tester Peter Hermes trotzdem:

    Man kann darauf bestehen bei Fahrzeugen, die nicht älter als drei Jahre sind, dass Originalersatzteile verwendet werden. Weil bei denen eher die Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie frei von Antimon und frei von Blei sind.

    Quellen: Öko-Test-Magazin, Heft 1/ 02, 3.53 Euro EPEA Internationale Umweltforschung Feldstr.36, 20357 Hamburg