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Ungewolltes Tuning für Wildreis

Biologie. - In Wien treffen sich nach sechs Jahren Abstinenz Biologen aus aller Welt zum 17. Internationalen Botanischen Kongress. Ein wichtiges Thema dabei sind genmanipulierte Nutzpflanzen. US-Forscher untersuchen in Vietnam, ob und wie sich Laborzöglinge mit Wildsorten vertragen.

19.07.2005
    Kleine genetische Veränderungen an Nutzpflanzen versprechen größere Schädlingsresistenz, höhere Erträge und damit mehr Gewinn. Kritiker befürchten indes, die zusätzlichen Gene könnten in die freie Wildbahn gelangen und auf andere Pflanzensorten und Arten überspringen - mit ungeahnten Auswirkungen auf die Umwelt. Auf dem 17. Internationalen Botanischen Kongress 2005, der zurzeit in Wien stattfindet, berichtet die US-Biologin Alison Snow von Feldversuchen dazu in Vietnam:

    "Wir arbeiten im Süden Vietnams, im Mekong-Delta. Das ist eine riesige Ebene mit allen Formen von Reisanbau. Die Leute benutzen Herbizide und andere Chemikalien. Aber viel wird immer noch von Hand gemacht."

    In der ersten Phase ihres Projektes sammelte die Wissenschaftlerin von der Ohio-State-University während mehrerer Reisen vor allem lokale Wildreissorten sowie Kulturreis, um einen Überblick zu gewinnen. Der wilde Reis ist den vietnamesischen Reisbauern ein steter Dorn im Auge, denn er wandert nahezu unvermeidlich in die Felder ein und mindert die Ernten erheblich. Ihre Hoffnungen ruhen daher auf genetisch modifizierten Sorten, mit deren Hilfe der penetrante Verwandte aus dem Dschungel in die Flucht geschlagen werden soll. Kritiker befürchten aber, die fremden Gene des transgenen Superreises könnten quasi den Besitzer wechseln, auf Wildsorten überspringen und so die lokale Flora nachhaltig verändern.

    "Deshalb prüfen wir, ob Gene vom Kulturreis auf wilden Reis überwechseln und ob sie dort stabil bleiben. Nach bisherigen Ergebnissen sieht es ganz danach aus. Wir haben das bislang nicht mit transgenen Pflanzen untersucht, sondern mit Auskreuzungen aus dem konventionellen Kulturreis. Wir konnten so nachweisen, dass einige typische Kulturreis-Gene auf den wilden Reis übersprangen."

    Demnach muss also davon ausgegangen werden, dass auch Fremdgene von transgenem Reis auf den wilden Verwandten und so quasi in die "Freiheit" gelangen. Dabei entscheiden die Eigenschaften, die die zusätzlichen Gene verleihen, welche Folgen das haben könnte. Lernt der Wildreis auf diese Weise beispielsweise, Pflanzenschutzmitteln zu widerstehen, könnte er erst recht zur Plage der Bauern werden.

    "Dann lässt der wilde Reis sich nur noch schwer unter Kontrolle halten. Solche resistenten Reissorten werden bereits in den USA entwickelt, aber ihr Anbau ist derzeit nicht geplant. Gelangt ein solches Gen aber in Wildpflanzen, dann wären sie stark im Vorteil gegenüber anderen Pflanzen - während diese zugrunde gingen, bliebe der Reis am leben."

    Damit wäre den vietnamesischen Bauern wenig geholfen. Aber ohnehin sollen transgene Reissorten angebaut werden, die gegen tierische Schädlinge widerstandsfähig sind. Zwar können auch diese Eigenschaften in die Wildnis gelangen, doch die Folgen wären weniger dramatisch. Der klare Verlierer wäre dann aber der traditionelle Kulturreis, der dann leichte Beute für Schädlinge wäre, die sich an aufgepeppten Wild- und Laborreissorten die Zähne ausbissen.

    [Quelle: Michael Lange]