Archiv


Unikurs gegen Familienkrach

Krach in der Familie ist für alle Beteiligten - zumal für Kinder - keine schöne Sache. Weitreichende Auswirkungen haben solche Streitigkeiten allerdings in Familienunternehmen - in Italien immerhin rund 50 Prozent aller Unternehmen. Die angesehene Mailänder Privatuniversität Bocconi bietet spezielle Kurse zur Konfliktlösung in Familieunternehmen an.

Von Thomas Migge |
    "Dieser Kurs ist sich sicherlich ungewöhnlich und einmalig. Aber in einem Land wie Italien sehr angebracht. Meine eigene Familie hat sich über die richtige Unternehmensführung zerstritten. Mit dem Ergebnis, dass das Unternehmen darunter litt, denn wenn es keine zentrale Führung gibt, leidet die Unternehmenspolitik und somit das Geschäft. Deshalb ist für mich dieser Kurs von großem Interesse."

    Marta will nicht, dass ihr Nachname, der in Italien recht bekannt ist, genannt wird. Die junge Frau ist eine der Erbinnen eines großen Haushaltswarenunternehmens, das in den letzten Monaten wegen familieninterner Auseinandersetzungen in die Medien geraten ist. Marta besucht deshalb einen Kurs an der Mailänder Privatuniversität Bocconi - die vielleicht angesehenste Privatuni Italiens - in dem es ausschließlich um die komplexen Probleme innerhalb von Familienunternehmen geht. Professor Guido Corbetta, Experte für Unternehmensstrategien in Familienunternehmen, leitet den Kurs:

    "Das ist schon ein wichtiges Thema, vor allem in einem Land wie Italien, in dem rund 50 Prozent aller Unternehmen in Familienhand sind. Das sind meistens keine Aktienunternehmen oder sonstige Gesellschaften. Da haben Familien alles in ihrer Hand. Aber auch wenn es Aktienunternehmen sind, wie das Autohaus FIAT der Familie Agnelli, kann es zu großen Problemen kommen, die, rechtzeitig erkannt und analysiert, gravierende Fehlentscheidungen verhindern helfen können. Ein Thema, das man nicht außer Acht lassen sollte."

    Eine der Agnelli-Töchter beansprucht einen Teil des immensen Erbes von Fiat-Chef Gianni Agnelli, der ihr, so behauptet sie, widerrechtlich vorenthalten worden sei. Der um dieses Erbe ausgebrochene Familienkrieg schadet seit Wochen den Kursen der Fiat-Aktien, mit hohen Verlusten für das Unternehmen. Der von Professor Corbetta geführte Kurs an der Bocconi versucht solchen Familienkriegen in Unternehmen vorzubeugen. Mit Hilfe Seminaren und Einzelgesprächen, die von Unternehmensberatern, Wirtschaftswissenschaftlern, Firmenhistorikern und auch Psychologen geführt werden.

    Das Interesse an dem Kurs ist groß, versichert Professor Corbetta, denn in vielen Unternehmen haben die Youngster ganz andere Ideen als ihre Väter, was zu schlimmen Konflikten führen kann. An dem Kurs nehmen pro Semester rund 100 Studierende teil. Fast ausschließlich Kinder aus Unternehmersfamilien, die auf strikte Anonymität bedacht sind, um durch ihre Teilnahme (...) nicht in die Medien zu geraten.
    Guido Corbetta:

    "Bei diesem Thema geht es vor allem um das Unternehmen. Anhand des Studiums besonders dramatischer Auseinandersetzungen in Unternehmersfamilien begreifen die Studierenden, dass man Privates von Wirtschaftlichem trennen lernen muss, wie man sich, auch mit Hilfe eines Psychologen, darüber klar wird, wo die Probleme liegen, um wieder in Ruhe weiter seiner Arbeit nachgehen zu können."

    In Italien ist - wie auch in Deutschland - immer weniger Nachwuchs daran interessiert, die Familienunternehmen zu führen. Ist das der Fall, müssen externe Manager in den Betrieb aufgenommen werden. Das führt in Italien immer wieder zu Konflikten zwischen den "Neuen" von außen und familieninternen Strukturen, die bis dato die Unternehmensführung bestimmt haben.

    Deshalb nehmen an dem Kurs an der Bocconi auch Studierende teil, die sich darauf spezialisieren wollen, später einmal in einem Familienunternehmen zu arbeiten. Wie zum Beispiel Maria Mariottini:

    "Im Sommer mache ich regelmäßig ein Praktikum in einem Familienunternehmen. Das wird von der Bocconi organisiert. Dort mache ich meine ersten Erfahrungen. Glauben Sie mir: da stößt man schon auf Ablehnung, denn auch wenn viele Unternehmer darunter leiden, dass ihre Kinder den Betrieb nicht weiterführen wollen, so sind sie doch nicht unbedingt dazu bereit, jemanden Fremden zu akzeptieren."

    Die sechsmontigen Kurse an der Bocconi kosten pro Teilnehmer 3.600 Euro. Nimmt mehr als eine Person der gleichen Unternehmesfamilie daran teil, gibt es einen Preisnachlass von 10 Prozent.