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Universität Bremen bleibt zivil

Um die Stiftungsprofessur einer Rüstungsfirma zu ermöglichen, wollte die Universität Bremen die "Zivilklausel" ändern, die den friedlichen Nutzen von Wissenschaft sichert. Nach langer Debatte bleibt die Klausel nun unberührt.

Von Christina Selzer | 25.01.2012
    "Seit 1986 hat die Uni schon eine Zivilklausel, als eine von wenigen in Deutschland. Sie sichert den friedlichen Nutzen von Wissenschaft. Und wir kämpfen für ihren Erhalt."

    Der Streit der schon mehr als ein Jahr dauert, entzündete sich an einer Stiftungsprofessur, die das erfolgreiche Bremer Raumfahrtunternehmen OHB ansiedeln will. OHB entwickelt unter anderem Satelliten für militärische Zwecke.
    Der Streit eskalierte im Sommer, als der OHB-Chef zur Bedingung für die Professur machte, dass die Zivilklausel geändert wird.


    Rund 100 Studierende haben sich heute Vormittag vor der Universität Bremen versammelt. Sie haben Plakate dabei, auf denen steht: "Für eine friedliche Uni" und "Keine Kriegsuni". Es geht um die sogenannte Zivilklausel, erklärt Sören Böhrnsen vom ASTA:

    "Seit 1986 hat die Uni schon eine Zivilklausel, als eine von wenigen in Deutschland. Sie sichert den friedlichen Nutzen von Wissenschaft. Und wir kämpfen für ihren Erhalt."

    Der Streit der schon mehr als ein Jahr dauert, entzündete sich an einer Stiftungsprofessur, die das erfolgreiche Bremer Raumfahrtunternehmen OHB ansiedeln will. OHB entwickelt unter anderem Satelliten für militärische Zwecke.
    Der Streit eskalierte im Sommer, als der OHB-Chef zur Bedingung für die Professur machte, dass die Zivilklausel geändert wird.

    Die Gegner waren entsetzt, sprachen von Erpressung: Eine Universität, die ihren Freiheitsanspruch ernst nimmt, darf sich nicht auf solche Forderungen eingehen, lautete das Hauptargument. Vor allem, wenn es um Rüstungsfragen geht, bleibt die Uni sich nicht treu, wenn sie die Zivilklausel aufweicht, kritisiert auch Stefan Weger vom ASTA:

    "Wir haben heute das Problem, dass die Zivilklausel aufgelöst werden soll. Dass man sich an der Exzellenzinitiative so beteiligt. Ziel der ganzen Sache ist es, in den ökonomischen Prozess einzusteigen, und die Kritik geht dabei verloren und die ganzen alten Ansprüche."

    Bei der Stiftungsprofessur geht es zum mindestens 1,65 Millionen Euro. Diesen Betrag will das Unternehmen in den nächsten zehn Jahren in den Lehrstuhl stecken.

    Mit Trillerpfeifen und Plakaten stürmen die Demonstranten den Tagungsraum, in dem der Akademische Senat tagt. Das höchste akademische Gremium könnte beschließen, so fürchten die Demonstranten, dass die Zivilklausel geändert wird, um der Firma OHB entgegenzukommen.

    Der Rektor lädt sie zu einer Debatte über das Thema ein. Nun folgt eine lange Diskussion über die Positionen, ein Ringen um Formulierungen. Und am Ende steht fest: Die Klausel bleibt unberührt. Eine Entscheidung, mit der alle leben können.

    Offenbar auch das Unternehmen OHB. Nach Aussage von Rektor Wilfried Müller will das OHB das Angebot in jedem Fall aufrechterhalten, eine Stiftungsprofessur einzurichten. Die Aufregung darum kann er nicht verstehen, weil es sich seiner Meinung nach nicht um Rüstungsforschung, sondern um Grundlagenforschung zur Quantentheorie und Relativitätstheorie handelt.

    "Weil man sich ja die Verträge ansehen kann, da ist Grundlagenforschung. Ich finde es wird ideologisch zu heiß gegessen. OHB ist ein ehrenwertes Unternehmen, auf das Bremen stolz sein kann."

    Die Frage des Einflusses von Stiftungsprofessuren bleibt allerdings. Vor einem Jahr hatten in Bremen 63 Hochschullehrer und Wissenschaftler in einer gemeinsamen Erklärung ihre Sorge um die Freiheit der Forschung und Lehre zum Ausdruck gebracht. In der zunehmenden Zahl von Stiftungsprofessuren sehen sie einen Grund für die Außensteuerung der Universität.