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Uni Bremen wandelte sich von links zu akzeptiert

Als die Universität Bremen 1971 als Reformuni startete, war vor allem die Wirtschaft skeptisch gegenüber den linksgerichteten Ideen. Das wandelte sich über die Jahre. Im Jubiläumsjahr steht sogar die ehemals heilige "Zivilklausel", die die Beteiligung an militärischen Projekten verbietet, zur Diskussion.

Von Christina Selzer | 25.11.2011
    "Ich weiß noch, man konnte keine Wohnung mieten. Die Leute dachten, da kommen gleich die roten Vampirzähnchen raus. Man konnte kaum sagen, man kommt aus Bremen."

    Annelie Keil erinnert sich noch lebhaft an den zweifelhaften Ruf der Uni. Sie gehört zu denjenigen, die von Anfang dabei waren. Mit 31 Jahren kam sie als Professorin für Sozialwissenschaften in die Hansestadt.
    1971 wird die Universität Bremen als Reformuniversität gegründet. Studenten und Lehrende sind gleichberechtigt, es gibt kleine Gruppen statt Massenveranstaltungen, fächerübergreifende Seminare, all das soll im 'Bremer Modell' umgesetzt werden. Der Uni-Campus bleibt lange eine fremde Welt für die Bremer Öffentlichkeit. Den konservativen Wirtschaftsverbänden ist das linke Treiben suspekt, erzählt Annelie Keil:

    "Da war eine Generation, eine Aufbruchgeneration. Galionsfiguren, da hat man die 68er-Aufbruchszeit, die kam in eine Zeit, in der das Land ökonomisch prosperierte. Debatte in den 70er-Jahren, Reform der Medizin, Gesundheitsbewegung kam da auch. Die hatte auch ideologisch Seiten, wir wollten mit dem Kopf durch die Wand.
    Arbeiter müssen doch verstehen, dass sie ausgebeutet werden, viele wollten nicht verstehen, dass man sich sozial verankert."

    Eine Annäherung entsteht erst in den 80er-Jahren. Durch die Natur- und Ingenieurswissenschaften und deren Verbindung zur Industrie verbessert sich das Image so langsam. 1986 wird die Uni in die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG aufgenommen. Dann die 90er-Jahre: Der Technologiepark rund um die Universität entsteht. Der 123 Meter hohe Fallturm, in dem Experimente zur Schwerelosigkeit gemacht werden, das Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie und das Fraunhofer-Institut für angewandte Materialforschung. Im letzten Jahr wurden 90 Millionen Euro an Drittmitteln eingeworben.

    Die Bremer Uni habe sich trotz vieler Widerstände erstaunlich gut geschlagen, sagt der Rektor Wilfried Müller rückblickend. Vielleicht habe ja die Außenseiterrolle starkgemacht:

    "Es ist eine verblüffende Erfolgsgeschichte, damit hätte damals niemand gerechnet. Die Gründe sind kein Geheimnis. In verschiedenen Bereichen ist sie sich treu geblieben ist, indem sie unaufgeregt über Fachgrenzen hinweg kooperiert. Und auf der anderen Seite hat sich die Uni stark verändert: Wir sind stärker in den Naturwissenschaften geworden. Alles zusammen hat eine Mischung gebracht, die erfolgreich war."

    Aus dem linken Reformprojekt ist eine Universität geworden, die bundesweit wahrgenommen und auch von der Wirtschaft akzeptiert wird. Lena Graser vom ASTA erinnert aber daran, dass es auch gute Dinge gab, die erhaltenswert wären:

    "Ich glaube, klar, die alten Zeiten, die Gründungsjahre glorifiziert man alles. Da waren auch nicht alle politisch. Aber heute tut man so, als wäre das alles Staub von gestern. Alles keine Relevanz. Das stimmt nicht. Man kann viele Elemente, demokratisch, das könnte man übernehmen. Es gab viel mehr Ansätze im Projektstudium, dass Studis nicht Konsumenten sind, sondern mitforschen."

    Für Lena Graser ist der 40-jährige Geburtstag somit nicht nur ein Grund zum Feiern. Die Exzellenzinitiative, glaubt sie, kann nicht der einzige Weg zu einer guten Uni sein:

    "Die Uni muss sich ein Profil geben, aber in eine andere Richtung. Auf gute Lehre setzen. Es gibt Projekte, Forschung und Lehren, die ich super finde. Auch damit könnte sich die Uni einen Namen machen, das in die Hochschulrektorenkonferenz hineintragen und so verbreiten. Das wäre ein alternativer Weg."

    An der Universität Bremen weht heute, im Jahr 2011, ein anderer Geist. Man spricht mittlerweile von Exzellenzclustern, von Studienmodulen und Drittmitteln, von Master und Bachelor. Von Forschungsrankings und Stiftungsprofessuren. Ärger gibt es derzeit besonders um eine Stiftungsprofessur, die das Bremer Raumfahrtunternehmen OHB ansiedeln will. OHB entwickelt Satelliten für militärische Zwecke und hat zur Bedingung gemacht, dass die Zivilklausel geändert wird. Das ist eine Selbstverpflichtung der Universität, die jede Beteiligung an Rüstungsforschung ausschließt. Der Rektor hat kein Problem damit, weil es sich seiner Meinung nach um Grundlagenforschung handelt. Für den ASTA-Vorsitzenden Stefan Weger aber wäre eine solche Stiftungsprofessur nicht akzeptabel und zeigt nur den neuen Geist der Uni:

    "Das Problem ist, dass die Uni Bremen mit hohem Anspruch gestartet ist. Es war ein anderer Anspruch, was die Wissenschaft angeht. Und auch die Kritik, die dahinter steht, und die gesellschaftliche Verantwortung war damals andere als heute. Wir haben heute das Problem, dass die Zivilklausel aufgelöst werden soll. Dass man sich an der Exzellenzinitiative so beteiligt. Ziel der ganzen Sache ist es, in den ökonomischen Prozess einzusteigen. Und die Kritik geht dabei verloren und die ganzen alten Ansprüche."

    Wie viel des alten Geistes ist noch in der neuen Uni enthalten, fragen sich die Studierenden des AStA und machen gemeinsam mit mehr als 60 Professoren gegen die Änderung der Zivilklausel mobil. Das, finden sie, sind sie ihrer Uni schuldig.