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Unliebsame Mitbringsel

Sie wird durch den Stich von Sandmücken übertragen und ist nach der Malaria heute die weltweit häufigste Tropenkrankheit: die kutane Leishmaniose, auch Aleppo-Beule genannt. Touristen, die in arabischen Ländern und in Anrainer-Staaten des Mittelmeers Urlaub machen, tragen sie manchmal unbemerkt als "Urlaubsmitbringsel" nach Hause. Doch bislang gab es keine wirksame Behandlung. Mediziner der Hautklinik des Hadassah-Krankenhauses in Jerusalem haben nun zusammen mit ihren Kollegen der Universitätskliniken Düsseldorf eine neue Therapie entwickelt.

Hannelore Becker-Willhardt | 23.09.2003
    Es war viele Wochen nach einem Besuch bei seinen Verwandten in der Türkei, als Julius Genz einen kleinen roten Pickel an seiner Schulter entdeckte.

    Später, wo er dann angefangen hat zu Jucken, habe ich dran gekratzt, war es ungefähr erbsengroß, wie ein Krater, der in der Mitte wie so ein Vulkan reinging also. Später kam dann schon Eiter drauf, der bildete dann mit dem Blut zusammen eine Kruste, das wurde dann schon ein bisschen größer, also ich sag mal, wie ein Eurostück.

    Ein offenes Geschwür, - das sein Hausarzt erst einmal mit einer entzündungshemmenden Salbe behandelte. Weil er davon ausging, dass es sich um einen aufgekratzten und dann vereiterten Pickel handelte. Und nicht um eine Infektion mit Leishmanien: Das sind Parasiten, die durch den Stich einer Sandmücke in die Haut gelangen. Wo sie sich in den nächsten zwei bis zwölf Wochen dann unbemerkt vermehren. Dann schwillt die Haut zu einer Aleppo-Beule an und bricht auf.

    Danach, als das mit der Salbe nicht weggegangen ist, hat er mich erst mal zum Hautarzt geschickt, der hat dann gesagt, dass das wahrscheinlich eine Aleppobeule sein könnte. Um ganz sicher zu gehen, hat er eine Hautprobe entnommen, und mir dann gesagt, dass in der Düsseldorfer Uniklinik, dass die dort mehr Ahnung von hätten.

    Und auch eine Behandlung, die sofort wirkt. Denn bislang wurde das Geschwür der Aleppo-Beule - ohne großen Erfolg - mit Salben gegen Pilzbefall behandelt oder mit wirksamen Medikamenten, die schwere Nebenwirkungen haben und die Organe stark belasten. Möglich ist auch, auf eine spontan eintretende Selbstheilung zu warten. Die setzt aber frühestens nach 9 bis 12 Monaten ein und hinterlässt tiefe Narben.

    Ärzte der Düsseldorfer Hautklinik haben nun herausgefunden, dass eine Licht-Therapie, mit der sie bislang einen Hautkrebs behandeln, auch die Erreger in der Aleppo-Beule in kürzester Zeit abtötet. Und zwar mit einem Wirkstoff, der in die Hautzellen der Aleppo-Beule eindringt und dort erst durch die Bestrahlung mit Rotlicht aktiv wird. Wobei dann auch nur die kranken Zellen zerstört werden. Diese Behandlung wird ambulant durchgeführt, erklärt Dr. Kerstin Gardlo.

    Die Substanz wird in Form einer Salbe aufgetragen, wird mit einem Pflaster abgedeckt, bleibt drei Stunden so bedeckt auf der Haut, anschließend wird die Substanz abgewischt und mit einer Rotlichtlampe bestrahlt. 10 Minuten, 12 Minuten.

    Ein Verfahren, das - je nach Schwere der Erkrankung - vier bis 24-mal wiederholt werden muss. Die Patienten spüren dabei ein starkes Brennen auf der Haut. Deshalb wird die Region vor jeder Behandlung örtlich betäubt, versichert Dr. Gardlo.

    Die Hautveränderung wird durch die Bestrahlung zunächst gereizt, also sie rötet sich, es bildet einen Schorf, eine Kruste, sie kann auch nässen. Und diese Reaktion tritt nach jeder Bestrahlung erneut auf. Aber immer abgeschwächter. Und irgendwann ist die Läsion, die Hautveränderung, komplett flach, und es bleibt lediglich eine dunkle Hautverfärbung übrig.

    Da ist es wichtig, dass die Behandlung so früh wie möglich beginnt, betont Prof. Thomas Ruzicka, Chef der Düsseldorfer Hautklinik.

    Das Geschwür kann ja eine große Ausdehnung erreichen. In dem Moment, wo man einen Patienten sieht, weiß man ja noch nicht, ob sich das noch ausbreiten wird. Es gibt auch Patienten, die sich mit multiplen Geschwüren, weil sie mehrere infizierte Stiche hatten, vorstellen. Also man würde in jedem Fall eine Therapie empfehlen.

    Gerade auch, weil die Sandmücken meistens in die sehr empfindlichen Stellen des Gesichts stechen. Dort richtet ein eitriges Geschwür von der Größe eines Euro-Stücks schon erhebliche Zerstörungen an.

    Wangen, Nase, Ohren sind bevorzugte Regionen, und es kann zu einem entstellenden Zerfall des Gewebes der Haut in diesen Regionen, insbesondere des Gesicht kommen. Und danach kommt es zu massiven Narbenbildungen. Es kann zum Beispiel die ganze Nase zerfallen. Es können die Augenlider zerstört werden und dann narbig abheilen, so dass dann die Patienten lebenslang eine Entstellung, nicht nur eine kosmetische Entstellung, sondern auch eine funktionelle Entstellung, wenn die Nase zerstört ist, behalten.

    Wie kann man sich nun vor einer Infektion mit Leishmanien und damit vor einer Aleppo-Beule schützen? Sandmücken stechen eigentlich nur nachts; sie schaffen es, bis in die Zimmer des dritten Stockwerks zu fliegen und dringen selbst durch die engen Maschen von Moskitonetzen, erklärt Dr. Gardlo.

    Also deswegen kann man empfehlen, in Hotels in oberen Etagen ein Zimmer zu nehmen. Wobei natürlich, durch den Aufzug können dann Mücken in obere Geschosse kommen. Und der zweite Tipp: eben entsprechende mückenabwehrende Mittel auftragen.

    Beitrag als Real-Audio

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