Eine Teilnahme am operativen Verlagsgeschäft hat Siegfried Unseld, sofern wir seinen öffentlichen Bekundungen mehr trauen als Gerüchten über Vermächtnisse auf dem Sterbebett, für seine Frau nie vorgesehen. Deren Beförderung zu Geschäftsführerin mit Sprecherstatus ist darum, sportlich gesprochen, regelwidrig. Es ist auch noch gar nicht so lange her, dass Suhrkamps Presseabteilung jedem Neugierigen versicherte, Ulla Berkéwicz sei mit ganzem Herzen Autorin und am Verlagsgeschäft nicht interessiert. Offenbar war das eine Fama, denn heute lautet die Version, das Leben an der Seite Siegfried Unselds habe Frau Berkéwicz seit zehn Jahren auf die Verlegerei vorbereitet.
Noch sind die Kompetenzen in der zur Quadriga erweiterten Geschäftsführung nicht spezifiziert. Dass aber Ulla Berkéwiczs Einstieg auf Kosten von Günter Berg geht, liegt auf der Hand. Eine symbolische Demonstration der Kräfteverhältnisse bot die Gedenkveranstaltung für Siegfried Unseld vergangene Woche in der Paulskirche, wo der Verlagsleiter keinen Redebeitrag liefern durfte. Ob dieser Demontage spricht der Berliner «Tagesspiegel» heute schrill vom «Krieg» bei Suhrkamp, der von der kalten in die heisse Phase getreten sei. Ein Machtkampf zwischen den Anhängern von Berg und Berkéwicz ziehe sich durch alle Einrichtungen des Verlags. Autoren berichten von Mobbing, von unglücklichen Mitarbeitern. Sicher ist: Verliesse Berg das Haus, würden die zentrifugalen Kräfte enorm zunehmen. Martin Walsers jüngste Interview-Äusserungen weisen bereits in diese Richtung.
Eigentlich schlüge jetzt die Stunde des Stiftungsrates. Aber Habermas & Co. sind uneins. Lauter Protest gegen den Umbau der Geschäftsführung ist von ihnen nicht zu erwarten. Natürlich kann man das Votum von Siegfried Unseld für Günter Berg beiseite schieben. Suhrkamp war ein Patriarchat, warum sollte dieser Verlag,der der Autorität so nachtrauert, es jetzt nicht mit einem Matriarchat versuchen? Die neue Chefin habe Charisma, sagen ihre Fans. Ja sicher, doch es könnte das falsche sein.