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Unter Beobachtung der EU

Acht Monate nach der Machtübernahme von Präsident Janukowitsch ticken die Uhren in der Ukraine wieder anders. Der Regierungsstil ist autoritärer, der Geheimdienst machtvoller und demokratische Standards werden mehr und mehr abgebaut. In diesem Klima haben nun die Kommunalwahlen stattgefunden.

Von Christina Nagel | 01.11.2010
    Es war, als ob in der Ukraine nicht eine Kommunalwahl, sondern zwei Wahlen stattgefunden hätten. Von der einen wurde behauptet, sie sei ruhig und organisiert verlaufen, die andere wurde als chaotisch und unfair beschrieben.

    Knapp 34 Millionen Ukrainer waren am Sonntag aufgerufen, Bürgermeister, Stadt- und Gemeinderatsvertreter zu wählen. Viele aber verzichteten auf ihr Recht oder machten den Stimmzettel ungültig. So wie dieser Mann, der seinen Glauben an die Politiker verloren hat:

    "Ehrlich gesagt, ich rechne mit nichts mehr. Ich habe für niemanden gestimmt."

    Die regierende Partei der Regionen des pro-russischen Präsidenten Janukowitsch bemühte sich, ein anderes Bild zu zeigen. Von aufrechten Wählern und engagierten Wahlhelfern. Der Ministerpräsident der Autonomen Republik Krim, Wassilij Dsharty, erklärte mit Inbrunst :

    "Ich denke, dass die Wahlen fair, transparent und demokratisch durchgeführt werden."

    Eine Haltung, die auch von der Zentralen Wahlbehörde propagiert wurde. Wenn überhaupt könne man nur von kleineren Unregelmäßigkeiten sprechen, erklärte der Leiter Wladimir Schapowal. Und denen werde man natürlich nachgehen:

    "Wir haben, Gott sei Dank, ein Organ - die Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine, die sich mit solchen Dingen beschäftigt."

    Die Ermittler würden klären, wo es tatsächliche Wahlrechtsverletzungen gegeben habe und wo absichtlich Falschmeldungen in die Welt gesetzt worden seien. Ein Seitenhieb in Richtung der Opposition, die bereits im Vorfeld massive Behinderungen und Fälschungsversuche moniert hatte.

    Die Opposition – von den Ultrarechten bis hin zu den westlich-orientierten Parteien – sind sich sicher, dass die Partei der Regionen alles getan hat, um auch die kommunalen Machtstrukturen unter ihre Kontrolle zu bringen. Mykola Tomenko von der Oppositionspartei "Vaterland" sprach von gravierenden Verstößen:

    "Zum ersten Mal seit unserer Unabhängigkeit waren die örtlichen Behörden nicht in der Lage, die einfachsten organisatorischen Dinge in den Griff zu bekommen. Zum ersten Mal in der Geschichte haben - je nach Gebiet - 20 bis 30 Prozent der Wahllokale nicht rechtzeitig geöffnet. Und dass so viele Stimmzettel gedruckt wurden, gab es meiner Meinung nach noch nie seit Beginn der Kiewer Rus'. "

    Wahlbeobachter der unabhängigen Bürger-Organisation Opor hatten gemeldet, dass in der Stadt Altschewsk im Gebiet Lugansk 6000 zusätzliche Stimmzettel gefunden wurden. In einer Tuberkulose-Klinik standen nach Angaben von Beobachtern 90 Patienten – sage und schreibe - 4361 Stimmzetteln zur Verfügung.

    Mitglieder der Wahlkommission in der Hafenstadt Cherson sollen noch vor Öffnung der Wahllokale ein Protokoll mit den Ergebnissen der Kommunalwahl entdeckt haben. Demnach wurde der amtierende Bürgermeister mit 30 Prozent der Stimmen in seinem Amt bestätigt.

    Von gravierenden Problemen sprachen auch internationale Beobachter. Nikita Petrow, Wahlbeobachter im Gebiet Dnepropetrowsk, erklärte gegenüber dem ukrainischen Fernsehen:

    "Es gab Urnen, die nicht versiegelt waren. Das heißt, man kann sie praktisch jederzeit öffnen und wieder verschließen. In allen Wahllokalen fehlten Plomben. Man versiegelt die Urnen nach eigenem Gutdünken."

    Noch ist offen, wann das amtliche Endergebnis bekannt gegeben wird. Fest steht aber bereits, dass die Opposition die Wahl in dieser Form nicht anerkennen wird.