Draußen auf der Straße rollen die zwei weißen Panzerfahrzeuge und Jeeps auf die breite Avenue Lumumba, deren Name an den ersten Ministerpräsidenten des Kongos erinnert. Er war der Sieger der bisher einzigen freien Wahlen 1960. Ein Jahr später beseitigten die Belgier mit amerikanischer Hilfe den mit sozialistischen Ideen sympathisierenden Unabhängigkeitskämpfer. Heute blickt Lumumba in Stein gehauen auf den chaotischen Verkehr. An einer Kreuzung biegt der Tross ab auf eine Lehmstraße in ein armes Wohnviertel.
"Alle Menschen hier verkaufen irgendetwas - Shampoo oder Zigaretten, man kann alles auf der Straße finden","
meint Unteroffizier Paulo Inardi, der seit neun Monaten im Land ist, und zeigt auf Holzverschläge und bunt bemalte Häuserwänder: "Cartes Pré-Payees" - die Telefonkarten für die erstaunlich vielen Mobil-Telefone werden angeboten und Internet-Nutzung. Ein Mann zerrt zwei Schweine an den Hinterbeinen zum Markt. Unter einem Meer von bunten Sonnenschirmen verkaufen Frauen Maniok. Als die Patrouille hält, schlendert eine Gruppe junger Männer neugierig heran. Jeder hier wisse von den Wahlen und wolle seine Stimme abgeben - auch wenn viele schlecht informiert seien, erzählen sie. Einer runzelt besorgt die Stirn:
""Wir haben viel zu hohe Erwartungen. Vor allem wissen wir nicht, wie diejenigen reagieren, die nach den Wahlen nicht mehr an der Macht sind. Wir brauchen eine Regierung, die das Herz am richtigen Fleck hat und die sich um die Menschen kümmert."
Hier erfahren die Blauhelme alles von den Problemen im täglichen Überlebenskampf in den Slums bis hin zur Bedeutung kongolesischer Handzeichen. Der 20jährige Gibe Lachar stellt sich zwischen die Panzer-Fahrzeuge. Der zierliche Kongolese studiert an der Universität Kinshasa und will etwas wissen:
"Es gibt einige Leute, die sagen, wir hätten so viele Bodenschätze und wir seien eigentlich so reich. Aber den Leuten geht es schlecht! Es profitieren nur andere Länder von unserem Reichtum! Ich möchte, dass Ihr mir erklärt, warum!"
Die UN-Soldaten klettern zurück auf die Jeeps und bleiben die Antwort schuldig. Genauso wenn sie gefragt werden, warum sie bei einem Massaker, das 2003 vor ihrem Quartier im nordöstlichen Bunia statt fand, nicht eingegriffen haben. Ein Schandfleck der UN-Geschichte im Kongo, und nicht der einzige. Auf dem Rückweg zur Hauptstraße werfen zwei junge schlanke Frauen vor einem schlichten Restaurant den Soldaten Kusshände zu. Ihre Haare sind in langen, dünnen Zöpfen geflochten:
Künstliche Haare seien das, amüsiert sich Inardi. Mehr Kontakt zur Bevölkerung als auf den täglichen Patrouillen ist seit einem Sex-Skandal verboten. MONUC-Soldaten sollen sich 2004 mit minderjährigen Mädchen eingelassen haben. Ein Proteststurm auf das Hauptquartier der MONUC in Kinshasa war die Folge. Am Straßenrand kucken jetzt kleine Kinder mit großen Augen auf die Patrouille und rufen aufgeregt:
"Sie schreien MONUC, MONUC."
Major Maurente klatscht im Vorbeifahren ein paar ausgestreckte Hände ab. "Mbote" heißt "Hallo". Am Flughafen ist die Route zu Ende. Der Weg zurück führt am Nebeneingang des "Kinshasa International Airport" vorbei. Hier fliegen Regierungsangehörige ab und deshalb wachen Soldaten der republikanischen Garde von Präsident Kabila über das Territorium. Die Männer in grüner Uniform und weinroten Barett-Mützen salutieren vor den Blauhelmen. Sie sind einer der unberechenbaren Faktoren nach der Wahl. Denn der Präsident hat seine Privat-Armee noch immer nicht in die nationale Armee integrieren lassen, die mit Hilfe der Europäischen Union mühsam aufgebaut wird.
In einer renovierten kleinen Villa am Stadtrand sitzt General Pierre Joana, Chef der EUSEC - einer Mission der EU, die ehemalige Rebellen entwaffnet oder sie der Armee zuführt. In speziellen Zentren überall im Land haben mehr als 100.000 Milizen freiwillig ihre Waffen abgeben. Wer sich für ein ziviles Leben entscheidet, bekomme dafür ein Jahr lang finanzielle Unterstützung, erklärt Joana. Der smarte Franzose macht sich keine Illusionen. Er schätzt, dass viele, die ein Gewehr abgeben, noch mindestens ein zweites zuhause haben.
"Waffen sind hier einfacher zu finden als Coca-Cola. Sie stammen von den Konflikten aus den Nachbarländern, sie kommen aus Ost-Europa - von überall her. Hier gibt es viele Bodenschätze, also gibt es auch viele Waffen."
Kopfzerbrechen machen Joana die vielen Deserteure der Armee, die sich wieder Milizen anschließen und die Bevölkerung terrorisieren. Der Hauptgrund: die schlechte Bezahlung.
"Ein Soldat bekam bisher zehn Dollar im Monat - davon kann man sich, auch im Kongo, salopp gesagt, drei Bier und zehn Dosen Sardinen kaufen. Wir haben mit europäischen Spezialisten eine bessere Kontrolle in das System gebracht. Die Soldaten sollen jetzt 25 Dollar bekommen. Ein hungriger Soldat ist eben gefährlicher als einer mit einem vollen Magen."
Erfolgreicher waren bisher die UN- und EU-Initiativen, die fast 40.000 Polizisten ausgebildet haben. Die neuen Einheiten gelten als diszipliniert und effektiv. Im Schulungsinstitut haben sich etwa 500 Männer und Frauen in blauen Uniformen versammelt, um feierlich in den Dienst entlassen zu werden. Noch ein paar ermahnenden Worte der Ausbilder und UN-Vertreter, dann können sie gehen. Zweifellos sind sie stolz:
"Ich habe die Ausbildung gemacht, um dem Land zu dienen." "Wir werden für die Sicherheit der kongolesischen Bürger sorgen. Wir sind sehr dankbar für das, was wir während der Ausbildung hier gelernt haben."
Zurück in der westlichen MONUC-Basis gibt es am Abend traditionelles uruguayisches Essen. Während am Tisch der jungen Soldaten der Alkohol die Stimmung anheizt, ist es bei den Älteren am Nebentisch stiller. Ein Arzt ist zu Besuch - von der Einheit aus Guatemala. Die ist im Osten stationiert - der drahtige Mann mit schwarzem Schnauzbart betreut im Moment zwei verletzte Soldaten in einem Krankenhaus der Hauptstadt. Er hat schon mehrmals erfahren, wie Blauhelme in den Krisenregionen in einen Hinterhalt geraten sind. Über die Toten will er nicht sprechen. Im Hintergrund paradiert eine UN-Kompanie aus Ghana und Hauptmann Ignacio Fantoni, der sich die Sorge über die wachsenden Spannungen in den kommenden Wochen nicht anmerken lassen will, fasst zusammen, was alle hier hoffen:
"Ich denke, wenn die EU-Truppen hier sind, dann wird den Rebellenführern klar werden, dass wir hier einen Friedens-Prozess angefangen haben, der sich nicht mehr rückgängig zu machen ist, und dass es katastrophale Konsequenzen für sie haben wird, wenn sie das versuchen sollten."
"Alle Menschen hier verkaufen irgendetwas - Shampoo oder Zigaretten, man kann alles auf der Straße finden","
meint Unteroffizier Paulo Inardi, der seit neun Monaten im Land ist, und zeigt auf Holzverschläge und bunt bemalte Häuserwänder: "Cartes Pré-Payees" - die Telefonkarten für die erstaunlich vielen Mobil-Telefone werden angeboten und Internet-Nutzung. Ein Mann zerrt zwei Schweine an den Hinterbeinen zum Markt. Unter einem Meer von bunten Sonnenschirmen verkaufen Frauen Maniok. Als die Patrouille hält, schlendert eine Gruppe junger Männer neugierig heran. Jeder hier wisse von den Wahlen und wolle seine Stimme abgeben - auch wenn viele schlecht informiert seien, erzählen sie. Einer runzelt besorgt die Stirn:
""Wir haben viel zu hohe Erwartungen. Vor allem wissen wir nicht, wie diejenigen reagieren, die nach den Wahlen nicht mehr an der Macht sind. Wir brauchen eine Regierung, die das Herz am richtigen Fleck hat und die sich um die Menschen kümmert."
Hier erfahren die Blauhelme alles von den Problemen im täglichen Überlebenskampf in den Slums bis hin zur Bedeutung kongolesischer Handzeichen. Der 20jährige Gibe Lachar stellt sich zwischen die Panzer-Fahrzeuge. Der zierliche Kongolese studiert an der Universität Kinshasa und will etwas wissen:
"Es gibt einige Leute, die sagen, wir hätten so viele Bodenschätze und wir seien eigentlich so reich. Aber den Leuten geht es schlecht! Es profitieren nur andere Länder von unserem Reichtum! Ich möchte, dass Ihr mir erklärt, warum!"
Die UN-Soldaten klettern zurück auf die Jeeps und bleiben die Antwort schuldig. Genauso wenn sie gefragt werden, warum sie bei einem Massaker, das 2003 vor ihrem Quartier im nordöstlichen Bunia statt fand, nicht eingegriffen haben. Ein Schandfleck der UN-Geschichte im Kongo, und nicht der einzige. Auf dem Rückweg zur Hauptstraße werfen zwei junge schlanke Frauen vor einem schlichten Restaurant den Soldaten Kusshände zu. Ihre Haare sind in langen, dünnen Zöpfen geflochten:
Künstliche Haare seien das, amüsiert sich Inardi. Mehr Kontakt zur Bevölkerung als auf den täglichen Patrouillen ist seit einem Sex-Skandal verboten. MONUC-Soldaten sollen sich 2004 mit minderjährigen Mädchen eingelassen haben. Ein Proteststurm auf das Hauptquartier der MONUC in Kinshasa war die Folge. Am Straßenrand kucken jetzt kleine Kinder mit großen Augen auf die Patrouille und rufen aufgeregt:
"Sie schreien MONUC, MONUC."
Major Maurente klatscht im Vorbeifahren ein paar ausgestreckte Hände ab. "Mbote" heißt "Hallo". Am Flughafen ist die Route zu Ende. Der Weg zurück führt am Nebeneingang des "Kinshasa International Airport" vorbei. Hier fliegen Regierungsangehörige ab und deshalb wachen Soldaten der republikanischen Garde von Präsident Kabila über das Territorium. Die Männer in grüner Uniform und weinroten Barett-Mützen salutieren vor den Blauhelmen. Sie sind einer der unberechenbaren Faktoren nach der Wahl. Denn der Präsident hat seine Privat-Armee noch immer nicht in die nationale Armee integrieren lassen, die mit Hilfe der Europäischen Union mühsam aufgebaut wird.
In einer renovierten kleinen Villa am Stadtrand sitzt General Pierre Joana, Chef der EUSEC - einer Mission der EU, die ehemalige Rebellen entwaffnet oder sie der Armee zuführt. In speziellen Zentren überall im Land haben mehr als 100.000 Milizen freiwillig ihre Waffen abgeben. Wer sich für ein ziviles Leben entscheidet, bekomme dafür ein Jahr lang finanzielle Unterstützung, erklärt Joana. Der smarte Franzose macht sich keine Illusionen. Er schätzt, dass viele, die ein Gewehr abgeben, noch mindestens ein zweites zuhause haben.
"Waffen sind hier einfacher zu finden als Coca-Cola. Sie stammen von den Konflikten aus den Nachbarländern, sie kommen aus Ost-Europa - von überall her. Hier gibt es viele Bodenschätze, also gibt es auch viele Waffen."
Kopfzerbrechen machen Joana die vielen Deserteure der Armee, die sich wieder Milizen anschließen und die Bevölkerung terrorisieren. Der Hauptgrund: die schlechte Bezahlung.
"Ein Soldat bekam bisher zehn Dollar im Monat - davon kann man sich, auch im Kongo, salopp gesagt, drei Bier und zehn Dosen Sardinen kaufen. Wir haben mit europäischen Spezialisten eine bessere Kontrolle in das System gebracht. Die Soldaten sollen jetzt 25 Dollar bekommen. Ein hungriger Soldat ist eben gefährlicher als einer mit einem vollen Magen."
Erfolgreicher waren bisher die UN- und EU-Initiativen, die fast 40.000 Polizisten ausgebildet haben. Die neuen Einheiten gelten als diszipliniert und effektiv. Im Schulungsinstitut haben sich etwa 500 Männer und Frauen in blauen Uniformen versammelt, um feierlich in den Dienst entlassen zu werden. Noch ein paar ermahnenden Worte der Ausbilder und UN-Vertreter, dann können sie gehen. Zweifellos sind sie stolz:
"Ich habe die Ausbildung gemacht, um dem Land zu dienen." "Wir werden für die Sicherheit der kongolesischen Bürger sorgen. Wir sind sehr dankbar für das, was wir während der Ausbildung hier gelernt haben."
Zurück in der westlichen MONUC-Basis gibt es am Abend traditionelles uruguayisches Essen. Während am Tisch der jungen Soldaten der Alkohol die Stimmung anheizt, ist es bei den Älteren am Nebentisch stiller. Ein Arzt ist zu Besuch - von der Einheit aus Guatemala. Die ist im Osten stationiert - der drahtige Mann mit schwarzem Schnauzbart betreut im Moment zwei verletzte Soldaten in einem Krankenhaus der Hauptstadt. Er hat schon mehrmals erfahren, wie Blauhelme in den Krisenregionen in einen Hinterhalt geraten sind. Über die Toten will er nicht sprechen. Im Hintergrund paradiert eine UN-Kompanie aus Ghana und Hauptmann Ignacio Fantoni, der sich die Sorge über die wachsenden Spannungen in den kommenden Wochen nicht anmerken lassen will, fasst zusammen, was alle hier hoffen:
"Ich denke, wenn die EU-Truppen hier sind, dann wird den Rebellenführern klar werden, dass wir hier einen Friedens-Prozess angefangen haben, der sich nicht mehr rückgängig zu machen ist, und dass es katastrophale Konsequenzen für sie haben wird, wenn sie das versuchen sollten."