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Unumstrittener Star

Er war der eigentliche Star der Festspiele: Wolfgang Rihm wurde diesen Sommer an der Salzach nicht nur programmmäßig üppig präsentiert, auch das Publikum hatte den leicht bacchushaft wirkenden Tonsetzer ins Herz geschlossen - trat er im oder außerhalb des Konzertsaals auf, so war ihm ein Applausregen sicher.

Von Jörn Florian Fuchs |
    Neben der Uraufführung seiner Opernfantasie "Dionysos", die eher szenische Musik denn Musiktheater war, gab es zehn Veranstaltungen unter dem Titel "Kontinent Rihm" und viermal eine sogenannte "Exegese Rihm". Hier diskutierten etwa Nike Wagner, Ingo Metzmacher oder Jens Malte Fischer über Leben, Werk und Wirkung des komponierenden Wunderkönigs, in der "Schule des Hörens" gab Rihm dann selbst Einblick in seine Werkstatt.

    Eloquent ließ er Stationen seiner Laufbahn Revue passieren und stellte ihn prägende Arbeiten anderer Kollegen vor – die Auftaktschläge im Schlusssatz bei Mahlers Lied von der Erde etwa fordern Rihm bis heute heraus.
    Der Kontinent bot eine ganze Reihe von Werken Rihms in unterschiedlichsten Besetzungen, die kontrastiert wurden mit Stücken von Gesualdo, Stockhausen, Webern, Morton Feldman oder Jörg Widmann.
    Entstanden sind dadurch Verbindungslinien zwischen unterschiedlichsten Epochen und Stilen, es wurde außerdem Rihms große Wirkung auf jüngere Kollegen deutlich.

    Sehr eindrucksvoll war die Aufführung seiner Cantata Hermetica Quid est Deus, in 24 Variationen wird hier Gott umkreist. Rihm versucht einmal eine recht konkrete Annäherung, mal driftet er in schwebende Tonwelten ab.
    Auf große Zustimmung stieß die Choreografin Sasha Waltz, sie brachte ihre Sicht auf Rihms "Jagden und Formen" mit nach Salzburg. Rihm inszeniert hier bereits in der Musik ein Spektakel sich überlagernder, sich bekämpfender oder sich aufhebender Strukturen. Das recht groß besetzte Orchester spielt meist nicht unisono, vielmehr treten einzelne Instrumentengruppen nacheinander auf. Rihm arbeitete sich an "Jagden und Formen" über längere Zeit ab, in Salzburg hörte und sah man den Zustand aus dem Jahr 2008. Die Choreografie von Sasha Waltz ist zunächst eher "werkdienlich", was anfangs zu zackig-mechanischen Bewegungen führt, während auch die Musik entsprechend ruppig klingt. Rasch endet glücklicherweise die etwas platte Bebilderung, nun gibt es einige Minidramen, vertanzte Kurzgeschichten und auch ein Hauch Ironie durchweht die sich schlussendlich zu einem Ganzen rundenden Fragmente.
    Tags zuvor hörte man im Großen Festspielhaus Rihms Violinkonzert "Gesungene Zeit" mit den Wiener Philharmonikern unter Riccardo Chailly und der Solistin Anne-Sophie Mutter. Der Name Mutter zieht natürlich, doch vermutlich war ein Großteil der Geigenbegeisterten eher entgeistert, da tatsächlich "nur" dreißig feine Rihm-Minuten geboten waren – von keiner Zugabe getrübt.