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Unvergessliches Erlebns

Im Bwindi Impenetrable Forest Nationalpark sind die größten Primaten unseres Planten, die Berggorillas, zu Hause. Die hier lebenden 330 Stück sind fast die Hälfte dieser letzten noch frei lebenden Menschenaffen.

Von Barbara Gruber |
    Das ist das Lied der Kinder aus Nkuringo. Ihr kleines Dorf liegt im äußersten Südwesten Ugandas, direkt an der Grenze zum Kongo und zu Ruanda. Die Kinder singen über ihre ungewöhnlichen Nachbarn – die Berggorillas. Einige Kinder haben sich als Gorillas verkleidet - sie tanzen, trommeln mit Fäusten auf ihre Brust, brüllen und kämpfen miteinander. Im Bwindi Impenetrable Forest Nationalpark sind die größten Primaten unseres Planten, die Berggorillas, zu Hause. Die hier lebenden 330 Stück sind fast die Hälfte dieser letzten noch frei lebenden Menschenaffen. Der Besuch bei einer Berggorillafamilie ist ein unvergessliches Erlebnis. Reporterin Barbara Gruber hat sich auf einen Treck in den undurchdringlichen Regenwald begeben, um den größten Primaten unseres Planeten zu begegnen. Herbert führt die Expedition an. Zum Team gehören auch Fährtensucher und Träger. Sie tragen nicht nur unseren Wasserproviant, sondern sind obendrein mit dicken Stöcken und Macheten ausgerüstet, damit sie uns einen Weg durch den dichten Dschungel schlagen können. Zwei der Begleiter tragen sogar Schusswaffen - für den Fall, dass wir unterwegs Elefanten oder andere wilde Tiere verscheuchen müssen. Und dann sind da natürlich noch meine Trecking-Gefährten.

    "'I'm Andy, I'm from New York. My name is Sarah, I'm from California. My name is Alexandro from Colombia."

    Auf einem schmalen Pfad geht es los. Die Sonne lugt hinter den nebelverhangenen Bergen hervor. Noch ist es frisch. Rund um uns steile Hügel und exotische tropische Vegetation, soweit das Auge reicht. Ich bin ganz aufgeregt und kann mir nicht wirklich vorstellen was mich erwartet. Seit 1994 gehört Bwindi zum Weltnaturerbe der UNESCO - wegen seiner einzigartigen Naturvielfalt und natürlich auch wegen der Berggorillas. Berggorillas leben in Familienverbänden von durchschnittlich zwölf Tieren. Hier in Bwindi leben 30 Gorilla-Familien; sechs davon sind mit Menschen vertraut. Heute wollen wir auf unserem Treck die Nkuringo Familie finden.

    "Die Familie wird zur Zeit von dem jungen Gorilla-Männchen Safari angeführt. Er ist sehr, sehr stark. Im vergangenen Jahr war noch Nkuringo der Anführer der Gruppe, daher stammt auch der Name der Familie. Aber er war schon sehr alt, um die 50. Und als er letztes Jahr starb, hat Safari die Führung übernommen."

    James Boseku arbeitet für die Ugandan Wildlife Association und ist für die Nkuringo Gorilla-Familie zuständig. Er erzählt uns, dass die Chancen, die Gorillas zu sehen, sehr gut sind, weil sie sich an Menschen gewöhnt haben. Es dauert oft Jahre, um Gorillas mit Menschen vertraut zu machen. Wichtig ist jedoch, dass die Primaten dabei immer Wildtiere bleiben. Deshalb achtet die Ugandan Wildlife Association sehr streng darauf, dass nicht zu viele Touristen die Berggorillas stören. Höchstens 50 Besucher dürfen den Bwindi Nationalpark pro Tag besuchen. Drei Tracker sind schon sehr früh heute Morgen aufgebrochen, lange vor uns, um die Spuren der Gorillas zu finden. Per Funk stehen sie im Kontakt mit unserem Trekkingleiter Herbert und halten ihn auf dem letzten Stand. Nach gut zwei Stunden verlassen wir den Bergpfad. Die Sonne steht mittlerweile schon hoch am Himmel – es ist heiß. Jetzt aber geht es steil hinunter durchs Dickicht; Zweige schlagen uns ins Gesicht, als wir uns durch den Regenwald kämpfen. Zwei Tracker schlagen uns mit ihren Macheten den Weg frei. Durch Rufe signalisieren sich Herbert und der Vortrupp ihre genauen Positionen.

    "Wir nähern uns den Gorillas - sie dürften etwa 300 Meter von uns entfernt sein."

    Auf einmal rast mein Herz. Viel habe ich schon über die Berggorillas gelesen und gehört. Wie wird es wohl sein? Werde ich Angst haben? Auch in den Gesichtern meiner Trecking-Gefährten kann ich Anspannung lesen. "Ich bin sehr aufgeregt, ich hoffe wir werden viele Gorillas sehen."

    "Ok, jetzt müsst ihr eure Kameras vorbereiten, große Taschen lasst Ihr hier bei den Fährtensuchern, auch die Wanderstöcke. Wenn wir bei den Gorillas sind, wird nichts getrunken, nichts gegessen, wir werden mit ihnen eine Stunde verbringen. Vergesst nicht, einen Abstand von sieben Metern zu ihnen einzuhalten und versucht nicht sie anzufassen! Und wenn euch ein Gorilla angreift, müsst ihr euch ducken und ihm niemals direkt in die Augen schauen."

    Wir sind jetzt mitten im dichten Dschungel, balancieren auf großen Baumstämmen und berühren streckenweise nicht einmal mehr den Boden. Dornen bohren sich in unsere Kleidung, doch wir sind alle so aufgeregt, dass wir es kaum spüren.

    "Normalerweise wenn wir uns den Gorillas nähern, signalisieren wir ihnen, dass wir kommen, schicken ihnen quasi die Nachricht: wir sind keine Feinde, wir sind Freunde, HMMMMM HMMMMM, dann wissen sie, ah, das sind unsere Freunde. HMMMM HMMMM."

    Und plötzlich ... vor uns ... die ersten Gorillas.

    "Jetzt sehen wir die Mutter der Zwillinge, sie heißt Kwitonda."

    Herbert erzählt uns, dass Gorilla-Zwillinge sehr selten sind. Acht Monate sind die Kleinen alt und springen auf dem Bauch ihrer Mutter hoch und runter. Silva, einer unser Fährtensucher hat Safari aufgespürt, das größte Männchen der Gruppe, einen sogenannten Silberrücken. Mit zwölf Jahren fangen Männchen an silbrig-grau und somit erwachsen zu werden. Mit 15 erreichen sie ihre volle Stärke und ihr volles Gewicht – und können dann über 250 Kilo wiegen.

    "Es ist beeindruckend, wie sie sich an Menschen gewöhnt haben und wie nah wir ran können. Dieser hier ist riesig. Wirklich atemberaubende Tiere, ihre Gesichter sind unglaublich! Schau Dir nur seine Augen an, wirklich schön anzusehen."

    Der Silberrücken ist der Führer der Gruppe. Er entscheidet, wann und wo gegessen und geschlafen wird. Er schlichtet Streit in der Familie und verteidigt die Gruppe gegen fremde Silberrücken oder Wilderer. Plötzlich kippt die friedliche Stimmung. Zwei Gorillas fangen an zu kämpfen. Alles geht blitzschnell, wir haben keine Ahnung, was da gerade geschieht. Doch unsere Führer bleiben erstaunlich ruhig. Die Gorillas kämpfen nur um das Essen, erklären sie uns. Der Silberrücken stürzt sofort los und zwingt die zwei kämpfenden Gorillas auseinander.

    "Wenn dich ein Gorilla angreift, darfst du niemals rennen. Wenn du rennst, wirst du das erste Opfer sein. Wenn du angegriffen wirst, musst du ruhig bleiben, niemals einem Gorilla direkt in die Augen schauen. Senk die Augen, duck dich, und geh ganz, ganz langsam, demütig, dann weiß der Gorilla, dass du kein Feind bist.""

    Ich hocke mich auf den Boden und beobachte einen der größeren Gorillas namens Posho. Geschickt greift er nach Zweigen und Blättern, schiebt sie sich in den Mund und genießt offensichtlich sein Mittagessen. Berggorillas sind Vegetarier. Sie essen Blätter, Rinde, besonders die von Eukalyptusbäumen, und sie lieben Früchte. Anhand der Nase und ihrer Falten können die Fährtensucher die einzelnen Gorillas unterscheiden. Posho schaut mich an, seine Augen sind fragend, sein Blick intensiv. Ein packendes und zweifellos auch ein einmaliges Erlebnis.

    "Ich fand's schön, wie nah wir ran konnten, und war beeindruckt, dass sie keine Angst vor uns hatten. Es war spannend zu sehen, wie sie sich untereinander verhalten. Auch die Laute, die sie von sich gaben fand ich toll. Ich fand's super, dass wir sie nicht nervös gemacht haben, ich hätte nicht gedacht, dass wir so viele sehen würden - zum Beispiel die Kampfszene und der Silberrücken, der die Streithähne getrennt hat. Es war interessant, die Familien-Dynamik zwischen all diesen Gorillas zu beobachten. Und schön zu sehen, dass wir sie nicht gestört haben. Ich hatte befürchtet, dass wir als Menschen zu nah an sie herangehen und sie sich belästigt fühlen, aber das war nicht der Fall."

    Nach einer stärkenden Mittagspause auf einer nahegelegenen kleinen Lichtung, treten wir den steilen Rückweg an. Die Aufregung und das erhöhte Adrenalin sind bei uns allen noch spürbar. Zurück am Ausgangspunkt unserer Tour versammelt Herbert die Gruppe um sich, um jedem von uns ein Zertifikat über die Teilnahme an dieser Treckingtour auszuhändigen.
    "Ja, das bin ich."

    Was für ein Privileg. Experten schätzen, dass es nur noch rund 700 frei lebende Berggorillas auf der ganzen Welt gibt. Wilderei, Kriege und die Bevölkerungsexplosion gefährden die Primaten. Es war eine wirklich anstrengende Expedition, ich bin total nass geschwitzt und werde wahrscheinlich die nächsten Tage vor lauter Muskelkater nicht mehr laufen können. Aber an Kwitonda, Posho, Safari und der Rest der Familie werde ich mich noch lange erinnern!