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Update für den "Freitag"

Um in der deutschen Medienlandschaft überleben zu können, braucht "Der Freitag" mehr Leser. Zuletzt waren es gerade noch 13.000, die sich für das Blatt, das 1946 in Ost-Berlin als "Sonntag" gegründet und nach der Wende in "Freitag" umbenannt wurde, interessierten. Jakob Augstein, der neue Eigentümer, will die Wochenzeitung nicht nur mit einem überarbeiteten Layout auf Erfolgskurs bringen.

Von Hans-Joachim Lenger |
    Wer sich in den vergangenen Wochen die Wochenzeitung "Freitag" im Internet besuchte, konnte eine kleine Überraschung erleben. Stählern blitzte ihm da das Gehäuse der Schweizer Armee-Uhr Vicorinox entgegen, und ein Countdown zeigte an, wie viele Tage, Stunden, Minuten und Sekunden noch vergehen sollten, bis die Zeitung "Freitag" unter dem Namen "Der Freitag" neu erscheinen würde. Heute nun, am Donnerstag, war es so weit. "Der Freitag" liegt zum Verkauf aus, in neuem Gewand, mit neuem Layout, in neuer Schrift, übersichtlicher, leserfreundlicher, moderner und publikumsnäher, in einem Wort: "zeitgemäßer". Und deshalb war das mit der Armee-Uhr wohl auch ganz passend.

    Der Untertitel ist ebenfalls neu: statt "Die Ost-West-Wochenzeitung" lautet er jetzt "Das Meinungs-Medium". Schließlich suche man das Gespräch und die Auseinandersetzung: weniger die Nachricht, mehr deren Bedeutung, wie der neue Eigner des Blattes – Jakob Augstein – ankündigte. Und weil "Der Freitag" die verkaufte Auflage zunächst mal steigern muss, um überhaupt überleben zu können, bekam er nicht nur ein neues Outfit – bequemer, bunter, doch genauso unverwechselbar, wie Augstein verspricht. Auch stellt er sich seit heute im Internet anders dar oder "auf", wie man heute gern sagt: repräsentativer, auf der Höhe vertrauter Netz-Standards, also zeitgemäßer. Einerseits will man das Netz "entschleunigen", so Augstein, andererseits gelte: ohne Netz keine Öffentlichkeit.

    1946 wurde in Berlin (Ost) der "Sonntag" gegründet, der 1990 gemeinsam mit der Konkursmasse der "Volkszeitung", ebenfalls DDR, im "Freitag" aufging. Seither war das Blatt Organ einer kritischen Intelligenz, die des Öfteren sogar Klartext schrieb und deshalb nicht so sehr dadurch auffiel, im Wirtschaftsteil zu loben, was im Feuilleton dann larmoyant beklagt wurde. Das Erscheinungsbild der Zeitung bewahrte sich dabei etwas Handgemachtes, Haptisches, in gewisser Hinsicht sogar Unzeitgemäßes. "Stylisch" zu sein, wie der Zeitgeist das nennt, ließ sich dem "Freitag" jedenfalls nicht vorwerfen.

    Doch weil das Unzeitgemäße nur 13.000 Leser fand, was nach all dem keineswegs verwundert, musste ein neues Design her. "Der Freitag" ändert sich, und zwar, so das Versprechen, um sich treu zu bleiben. Ohne flotte Sprüche geht das natürlich nicht ab. Vom "gemeinsamen Gewand" ist da die Rede, das Redaktion und Leser miteinander verbinden und in dem man sich auskennen soll, als wär’s die eigene Westentasche. Einheitliche Farbkennungen sollen für Übersichtlichkeit sorgen – Blau steht für übersetzte Artikel aus dem "Guardian", Rot für Texte aus der sogenannten "Community" des "Freitag", Dunkelblau für redaktionelle Beiträge. So orientiert man sich schließlich auch auf Bahnhöfen oder Flughäfen; und was man das "Haptische" nennen konnte, weicht einer verhaltenen Glätte, ohne die offenbar keine Zeitung mehr auskommt. Im Internet gar schafft man sich sogenannte "Community-Funktionen", mit denen "von Leser zu Leser zu Journalist zu Blogger zu Journalist und wieder zurück" kommuniziert werden soll, und zwar, wie sich von selbst versteht, "auf Augenhöhe".

    Dergleichen Larifari muss man zwar nicht ernst nehmen; es gehorcht einfach dem Zeitgeist. Doch wenn man dann noch erfährt, die vom "Freitag" eingesetzte Schrift sei "menschlich", sogar "links", macht sich Betretenheit breit. Vor lauter Gerede über die "Community", über eine fein justierte Augenhöhe von Blogger zu Journalist zu Leser und zurück, über Leitfarbendesign und links menschelnde Typografie tritt die Schärfe des Arguments, die Unnachsichtigkeit der Analyse zurück. "Die Wähler", so titelt der heutige "Freitag" denn auch, müssten "nur noch mit der Maus die Macht übernehmen": "Klick den Kanzler". Vielleicht ist man vom eigenen Community-Gerede selbst ein wenig überwältigt? Vom Wunsch, das Politische durch einen Klick mit der Maus zu ersetzen? Die präzise Debatte durch Appelle an ein diffuses Gefühl zu ersetzen?

    Denn was man "Form" nennt, bleibt den sogenannten "Inhalten" niemals äußerlich. Es berührt sie, durchsetzt sie, ähnelt sie sich an. Die Zeit aber ist aus den Fugen. Und bald schon könnte sich herausstellen, dass der Zeit-Geist immer der von gestern ist.