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Urkundenfälschern auf der Spur

Ob Fahrkarte, Führerschein oder Reisepass: Seitdem es Urkunden gibt, werden sie auch gefälscht. Die Polizei beschäftigt eine Reihe Experten, um den Fälschern ihr Tun so schwierig wie möglich zu machen. Die Spezialisten fahren dabei schweres Geschütz auf.

Von Hellmuth Nordwig |
    Manchmal sehen gefälschte Papiere täuschend echt aus. Und doch gibt es oft ganz einfache Mittel, um ein nachgemachtes Dokument zu entlarven. Jürgen Bügler, Chemiker am Bayerischen Landeskriminalamt, demonstriert das am Beispiel zweier EU-Führerscheine aus Ungarn.

    "Der hier ist echt, und der ist nachgemacht. Als Laie sehen Sie da nicht viel Unterschied. Sie würden sagen, das ist ungefähr gleich. Jetzt kann ich die hier mal fallen lassen. Zum Schluss hat man gehört, das klingt etwas blechern. Und jetzt lasse ich den hier fallen. Der klingt nicht so blechern."

    Das Geheimnis des Führerschein-Klangs liegt in der Zusammensetzung des Kunststoffs. Polycarbonat heißt das blechern klingende Material, das unkundigen Fälschern zu teuer ist.

    Der einfache Soundcheck ist allerdings nur ein erster Hinweis. Beweisen lässt sich eine Fälschung erst unter einem Mikroskop mit Farbfiltern und bis zu 1500-facher Vergrößerung. Da zeigen sich die Sicherheitsmerkmale, die dem Auge verborgen bleiben: hauchdünne farbige Linien oder winzige Kunststoffplättchen mit eingeprägter Schrift oder Hologrammen – so etwas wäre nur mit sehr teuren Maschinen zu kopieren, wenn überhaupt. Das Mikroskop kommt auch bei Urkunden zum Zug, die auf gewöhnlichem Papier geschrieben oder gedruckt sind. Etwa bei Verträgen oder Testamenten. Da ist die Versuchung groß, nachträglich Text oder Ziffern einzufügen, wie bei der Quittung, die Jürgen Bügler gerade unters Mikroskop legt.

    "Wir haben hier zum Beispiel drei Mal einen Vierer. Das sieht im Auflicht erst mal alles gleich aus. Aber wir können hier physikalisch die beiden schwarzen Schreibmittel schon unterscheiden, indem wir die Reflexion untersuchen. Das eine Schreibmittel hat nämlich Grafit enthalten als Farbstoff und das andere nicht."

    Die winzigen Grafitteilchen verraten, dass eine andere Kugelschreiberpaste, sprich: ein anderer Stift verwendet wurde. Wenn immer noch Zweifel bleiben, folgt eine chemische Untersuchung. Da reicht buchstäblich ein I-Tüpfelchen für die Analyse. In dem steckt gerade mal ein Milliardstel Gramm Farbe. Sie wird mithilfe einer Dünnschicht-Chromatografie in ihre Bestandteile getrennt. Die wandern unterschiedlich schnell in einer dünnen Mineralschicht, die auf einer Glasplatte aufgetragen ist. So zeigt sich: Jeder Stift hat seinen eigenen chemischen Fingerabdruck.

    "Die sichtbare Farbe ist ja, wie man aus der Schule weiß, eine Mischung. Hier haben wir zum Beispiel einen schwarzen Stift, der beinhaltet Ruß, einen gelben und einen rosaroten Farbstoff. Man nennt die auch Schönungsfarbstoffe, die geben dem Schwarz eine besondere Nuance."

    Die genaue Zusammensetzung verrät den Kriminaltechnikern, ob Eintragungen nachträglich hinzugefügt wurden. Doch es kommt noch besser: Frische Farbe enthält Lösungsmittel. Deren Zusammensetzung verändert sich nach dem Schreiben mit der Zeit. Und eine Hightech-Lösungsmittelanalyse mithilfe der sogenannten Massenspektrometrie zeigt tatsächlich, wie lange ein Strich schon auf dem Papier ist.

    "Die Lösungsmittel sind etwa zehn verschiedene Hauptkomponenten. Das geht auch im Nanogrammbereich. Lösungsmittel sind in der Regel sehr viel drin, ein Schreibmittel besteht zu 50 bis 90 Prozent aus Lösungsmittel. Wir können einerseits das Schreibmittel weiter charakterisieren: Welcher Stift ist es gewesen? Und wir können zweitens anhand der verschiedenen Lösemittel und der Reaktionen mit dem Papier eine Entscheidung treffe: Wie alt ist das, stimmt das Datum - in diese Richtung geht das.?"

    Auf einem Scheck nachträglich Ziffern anzufügen, ist also keine gute Idee. Überhaupt kann Jürgen Bügler Fälschern nur abraten.

    "Vorsichtig sein, denn es gibt nichts, was wir im Grunde nicht untersuchen könnten."